Hamburg. Betreiber Jörg Meyer teilte seinen Entschluss per Newsletter mit. Die Reaktionen waren gemischt. Das sagt der Dehoga.
Wer im Ausland unterwegs ist – etwa in Norwegen oder Schweden – der fühlt sich schnell als Exot, wenn er im Café oder im Restaurant bar zahlen möchte. Aber auch in Deutschland und Hamburg zahlen inzwischen immer mehr Menschen lieber mit der EC- oder Kreditkarte.
In der Nobel-BarLe Lion in der Hamburger Innenstadt hat sich Betreiber Jörg Meyer nun für einen radikalen Schritt entschieden: In seiner Bar soll das Bargeld künftig ganz abgeschafft werden. Seine Entscheidung erläutert Meyer ausführlich in seinem Newsletter “7-cl Business“. Darin heißt es: „In der Praxis ist Bargeld für uns kein relevantes Zahlungsmittel mehr (...). Wir haben bereits jetzt sehr wenig Barzahlungen.“
Gastronomie Hamburg: Bar Le Lion – Verwaltungsaufwand ist „absurd“
Im Weiteren beschreibt er detailliert die Herausforderungen, die entstehen, wenn man in einer „bargeldintensiven Branche“ arbeitet. Der Verwaltungsaufwand etwa sei „absurd“. „Bargeldintensive Betriebe wie die Gastronomie stehen oft unter besonderer Beobachtung von Finanzämtern und anderen Behörden.“ Die Konsequenz: Aus seiner Sicht ist die Unschuldsvermutung aufgehoben.
Denn: Bei bargeldintensiven Branchen dürfe das Finanzamt den Umsatz schätzen und der Gastronom müsse seine Unschuld beweisen. „Andernfalls zahlst du“, schreibt Meyer. Hinzu komme die neue Pflicht zur Verfahrensdokumentation. Ein „Monster“, das oft übersehen wird. „Seit 2015 besteht diese Pflicht für jedes Unternehmen und seit 2017 darf diese auch geprüft werden.“
Nobel-Bar in der Hamburger City: Bargeld wird abgeschafft
Weitere Punkte: Die Kosten, die durch den notwendigen Schutz des Bargelds entstehen und die Gebühren, für die Bereitstellung von Wechselgeld durch die Bank. Außerdem müsse der Transport zur Bank organisiert werden.
Meyer fragt: „Lohnt sich dieser absurde Aufwand (...) für den Zahlungsweg ‘bar’, der in meinem Fall zehn bis maximal 20 Prozent des Gesamtumsatzes ausmacht? Für mich nicht mehr.“
Und so steht der Entschluss fest: In den kommenden Wochen soll das Bargeld im Le Lion, das Gäste in der Rathausstraße finden, als Zahlungsmittel abgeschafft werden. Die Resonanz auf den Newsletter? Meyer schreibt: „Nach wenigen Stunden kamen schon zwei, drei recht harte Anfeindungen per Direktnachricht. Man bezeichnete mich als Loser, meinte, es wäre meine Pflicht, für Freiheit statt staatlicher Überwachung zu ‘kämpfen’, und dass man meine Bar jetzt meiden würde und so weiter.“
Gastronomie Hamburg: Bargeldlos? Auch andere Betriebe gehen den Schritt
Auf Nachfrage des Hamburger Abendblatts sagt er jedoch auch: „Das Feedback ist sowohl von gastronomischer Seite als auch aufseiten unser Gäste überwiegend positiv.“ Ob er sich in einer Vorreiter-Rolle sehe? Meyer sagt: „Wir sind bei weitem nicht der erste gastronomische Betrieb, der auf Bargeld als Zahlungsmittel verzichtet. Vielleicht sind wir einer der ersten, die ausführlich offen legen, was uns dazu bewegt.“
Bargeldlos – dazu hat sich etwa auch die Weinbar Solt un See in Hohwacht an der Ostsee entschieden. Zusätzlich läuft auch die Bestellung digital. Die Begründung: „Wenn unsere Gäste mit der Onlinebestellung auch direkt die Bezahlung durchführen, entfallen beim Service viele Wege, der gesamte Bestellprozess wird effizienter und schneller. Für unsere Gäste bedeutet das mehr Servicequalität, denn sie werden schneller bedient und für den Service bleibt mehr Zeit für ‘Gastlichkeit’ “, so Geschäftsführer Marco Nussbaum.
Bar in Hohwacht: „Bargeld hat Legitimation verloren“
„Die Bargeldzahlung abzuschaffen, war für uns dabei eine logische Konsequenz. Das Bargeld hat in unserer digitalen Zeit seine Legitimation sowohl aus ökologischer, als auch aus ökonomischer Sicht verloren. Es macht schlichtweg keinen Sinn, Bargeld physisch durch die Gegend zu transportieren, wenn der digitale Weg schneller, sicherer und hygienischer ist“, erklärt er.
Hinzu komme, dass die bürokratischen Anforderungen, als auch die Kosten für das Handling von Bargeld immer weiter stiegen und parallel die Nutzung immer weiter zurückgehe. „Auch wenn die Deutschen im internationalen Vergleich dem Bargeld besonders stark die Treue halten, allzu viele Kunden gehen nicht verloren.“
Nussbaum glaubt: „Die Ablehnung einiger weniger Kunden scheint auch eher ein Ausdruck von Bequemlichkeit zu sein, um sich nicht mit der Digitalisierung und den neuen Möglichkeiten zu beschäftigen. Wer nicht will, muss ja auch nicht. Für den Großteil ist der digitale Prozess und das bargeldlose Bezahlen längst selbstverständlich.“
Bargeld abschaffen – Dehoga: „Schritt ist nachvollziehbar, aber auch mutig“
Wird es das Konzept „bargeldlos“ womöglich also bald in vielen Restaurants, Cafés und Bars geben? Jens Stacklies, Vizepräsident des Deutschen Hotel und Gaststättenverbandes (Dehoga) Hamburg und selbst Gastronom (u.a. Gröninger Privatbrauerei) hält den Schritt, auf Bargeld zu verzichten zwar für nachvollziehbar, aber auch für „mutig“. „Ich glaube, dass die Zeit dafür noch nicht reif ist“, so Stacklies.
„Es gibt viele Menschen, die nicht möchten, dass jeder Vorgang digital nachverfolgbar ist und die lieber ganz klassisch mit Bargeld bezahlen. Ich kann mir vorstellen, dass ältere Menschen den Schritt derzeit nicht mitgehen würden.“ Seiner Meinung nach ist Bargeld ein „Stückchen Freiheit“.
Gastronomie Hamburg: Internationale Gäste wollen bargeldloses Bezahlen
Grundsätzlich aber gibt er Jörg Meyer von der Bar Le Lion Recht: „Das Handling mit Bargeld ist aufwendiger und kostet Zeit und Geld. Der bürokratische Aufwand ist groß, Kassenbücher müssen geführt werden, Wechselgeld und Safe müssen bereitgehalten werden – und dann muss der Transport zur Bank organisiert werden.“
Unterm Strich würde sich die komplette Abkehr vom Bargeld aber derzeit aus seiner Sicht noch nicht lohnen. Zumindest in Hinsicht auf die Gäste aus Deutschland. „Internationale Gäste hingegen legen großen Wert darauf, mit der Geldkarte zu bezahlen. Diese Möglichkeit vorzuhalten, ist bei den Gastronomen eigentlich selbstverständlich“, so Stacklies. „Ich denke, das sie uns in den kommenden Jahren sowieso dazu zwingen werden – denn digitales Eurogeld ist ja schon längst im Gespräch“.