Hamburg. Details zur Route des geistig behinderten Zehnjährigen nach seinem Reißaus aus der Schule und zum dramatischen Rettungsversuch.
Am Tag nach dem tragischen Unglück am Bubendey-Ufer, bei dem ein zehn Jahre alter Junge in die Elbe gestürzt und versunken ist, suchten auch am Mittwoch Polizeitaucher den Uferbereich ab. Dabei legten sie den Schwerpunkt auf Bereiche, an denen sich ein Körper unter Wasser verfangen haben könnte. Besonders in Augenschein genommen wurden mehrere Dalben, die in der Nähe der Unglücksstelle im Wasser stehen. Der Einsatz wurde allerdings am Nachmittag erneut ergebnislos abgebrochen.
Jetzt wird die Wasserschutzpolizei in bestimmten Bereichen der Elbe verstärkt unterwegs sein. Grundlage sind Berechnungen der Strömungs- und Tideverhältnisse. Sie können Anhaltspunkte dafür geben, wohin ein Körper treiben könnte.
Behinderter Junge versinkt in Elbe – Drama am Bubendey-Ufer
Der zehn Jahre alte, geistig behinderte Junge war am Dienstagvormittag aus der Schule am Nymphenweg im Stadtteil Marmstorf verschwunden. Dort und in der Außenstelle in Hausbruch werden 133 Jungen und Mädchen unterrichtet, die einen sonderpädagogischem Förderbedarf haben. Mitarbeiter der Schule suchten zunächst rund eine Dreiviertelstunde das gesamte Gelände sowie die nahe Umgebung ab und alarmierten dann gegen 11.30 Uhr die Polizei. Die leitete eine Fahndung ein.
Wie der Junge zunächst unbemerkt vom Schulgelände verschwinden konnte, ist ungeklärt. Das Gelände ist laut Peter Albrecht, Sprecher der Behörde für Schule und Berufsbildung, durch einen 1,60 Meter hohen Zaun gesichert. Die Ausgänge seien laut Albrecht „in der Regel verschlossen“. Der Junge selbst war laut Behörde bisher in der Vergangenheit nicht dadurch aufgefallen, dass er allein das Schulgelände verließ.
Mitschüler und Mitarbeiter der Schule werden „pädagogisch und psychologisch“ betreut. Dafür sind seit Mittwochmorgen speziell ausgebildete Mitarbeiter des regionalen Bildungs- und Beratungszentrums vor Ort. Auch die Polizei war noch einmal am Mittwochvormittag an der Schule Nymphenweg.
Junge nahm eine Fähre zum Bubendey-Ufer
Die Familie des Jungen, die im Bereich Harburg lebt und am Dienstagvormittag zunächst von der Schule über das Verschwinden des Jungen informiert wurde, hatte am Nachmittag die schreckliche Nachricht erhalten, dass es ihr Kind war, das am Bubendey-Ufer ins Wasser stürzte. Bei der Identifizierung sollen auch die Videoaufnahmen der Überwachungskamera einer Fähre eine Rolle gespielt haben. Mit der Polizei war auch das Kriseninterventionsteam des Roten Kreuzes im Einsatz, das seitdem die Familie betreut.
Völlig unklar ist bislang auch, wie der Junge genau zum etwa 15 Kilometer entfernten Bubendey-Ufer gelangen konnte. Videoaufnahmen aus Überwachungskameras zeigen, dass das Kind an den Landungsbrücken auf einer Fähre war, die zum Bubendey-Ufer fuhr. Wie er zu den Landungsbrücken kam, ist dagegen ungeklärt. Hier dauern die Ermittlungen an. Bei der Polizei geht man davon aus, dass der Junge mehrmals umsteigen musste, um zu den Landungsbrücken zu kommen. Auch hier sollen Videoaufzeichnungen aus verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln bei der Aufklärung helfen.
Hatte der Junge Panik vor der Rettungsstange?
Am Bubendey-Ufer hatten zwei Schiffsfotografen das Unglück bemerkt, die dort auf das Auslaufen eines Kreuzfahrtschiffes gewartet hatten.
Sie versuchten noch, den zunächst in der Elbe treibenden Jungen mit einer Rettungsstange an Land zu ziehen. Das misslang. Auch weil der Junge die Rettungsstange nicht angenommen haben soll, weil er sie möglicherweise als Bedrohung sah oder in Panik war.
Auch einer der Rettungsringe, die am Uferbereich für Notfälle vorgehalten sind, wurde ins Wasser in Richtung Kind geworfen.
DLRG: Zeugen taten das Möglichste, um zu helfen
Dass die Männer nicht hinter dem Kind her in die Elbe sprangen, ist für Heiko Mählmann, Präsident der DLRG, nachvollziehbar. „Man kann ihnen in keiner Weise einen Vorwurf machen“, sagt Mählmann. Ohne Sicherung und spezielle Schutzkleidung in die strömungsstarke und zu dieser Jahreszeit etwa nur 5 Grad kalte Elbe zu springen, sei mit einem unkalkulierbaren Risiko verbunden.
„Wenn man in so einer Situation nicht die richtige Ausrüstung hat, bringt man sich selbst in akute Lebensgefahr“, so Mählmann. Taucher der DLRG seien bei Rettungseinsätzen nur angeleint und zu zweit im Einsatz. Alles andere sei zu gefährlich.
Selbst bei weniger Strömung und höherer Wassertemperatur sei ein Sprung ins Wasser gefährlich. „Schuhe ziehen einen runter und sollten vorher ausgezogen werden“, sagt Mählmann. Auch dicke Jacken oder dicke Pullover saugten sich voll Wasser und würden damit gefährlich. Ist das Wasser kalt, ist es ratsam, dünne Kleidung anzubehalten, da sie ein zunächst ein bisschen vor der Kälte schütze.
„Auch bei einer Wasserrettung gilt, wie bei jeder anderen Rettung auch, dass Eigensicherung vorgeht“, sagt Mählmann. Die beiden Helfer hätten alles Mögliche getan. Sie hatten nach dem jetzigen Kenntnisstand die vorhandenen Rettungsmittel eingesetzt und schnell einen Notruf abgesetzt.
Keine Ermittlungen wegen Verletzung der Aufsichtspflicht
Polizei und Feuerwehr hatten bereits am Dienstag mit einem großen Aufgebot am Bubendey-Ufer in der Elbe nach dem Kind gesucht. Dabei waren neben den Tauchern und zahlreichen Feuerwehrleuten auch das neue Feuerlöschboot und eines der beiden großen Polizeiboote sowie der Polizeihubschrauber zum Einsatz gekommen.
Wie bereits am Dienstag war auch am Mittwoch der Fall für die Kripo eine Vermisstensache. Bislang, so hieß es am Mittwochnachmittag gebe es keine Ermittlungen gegen eine Person, beispielsweise wegen Verletzung der Aufsichtspflicht.