Hamburg. Ungesunder Lebensstil verursacht bei vielen Menschen Parodontitis. Wer besonders gefährdet ist und was Betroffenen hilft.
Was hat ein Parodontologe in einer Praxis für Ernährungsmedizin verloren? Genau diese Frage sei ihm auch gestellt worden, als er vor 15 Jahren einen Parodontologen gebeten habe, Teil des Praxisteams zu werden, sagt Dr. Matthias Riedl. Er ist ärztlicher Direktor des Medicums Hamburg, Europas größtem Fachzentrum für Diabetologie, Ernährungsmedizin und angrenzende Fachgebiete.
„Da haben meine Kollegen zu mir gesagt, was machst du denn da für einen Gemischtwarenladen? Was hat denn die Parodontologie mit der Diabetologie zu tun? Und es stellte sich sehr rasch heraus, das hat eine Menge mit der Ernährungsmedizin zu tun.“ Diabetiker hätten nämlich eine besonders hohe Rate an Erkrankungen des Zahnfleisches, sagt der Ernährungs-Doc im Podcast „Dr. Matthias Riedl. So geht gesunde Ernährung.“
Ernährungs-Doc Matthias Riedl: Warum gesundes Zahnfleisch das Leben verlängert
„Wir gehen davon aus, dass 70 Prozent der Diabetiker eine Erkrankung des Zahnfleisches haben – von leichter bis hin zu richtig schwerer Entzündung. Wir wissen, dass eine Zahnfleischentzündung tatsächlich das Leben verkürzt, drastisch sogar. Und es hat sich zunehmend herausgestellt, dass die Ernährung tatsächlich der entscheidende Faktor ist, die Parodontitis wegzubekommen.“
Die Erfahrung zeige, dass bei Patienten mit schwerer Parodontitis, die die Zahnärzte nicht wegbekommen hätten, die Erkrankung nach einem halben Jahr mit der richtigen Ernährung komplett zum Abheilen gebracht werden konnte, sagt der Ernährungsmediziner. Im Umkehrschluss bedeute es, dass die falsche Ernährung und die ungesunde Lebensweise zu dieser folgenschweren Erkrankung führten.
Karies wird weniger – Matthias Riedl lobt Zahnärzte für ihre Unterstützung
Oftmals seien Mediziner anderer Fachgesellschaften der Ernährungsmedizin gegenüber sehr skeptisch bis kritisch, aber die Zahnärzte, insbesondere die Parodontologen, seien tatsächlich vehemente Unterstützer der Ernährungstherapie, lobt Riedl.
Karies an den Zähnen sei inzwischen seltener geworden. „Das war in meiner Jugend noch anders, da hatten eigentlich alle irgendwas an den Zähnen. Dass es heute anders ist, liegt auf der einen Seite an der Fluorbehandlung, aber auch am Zähneputzen und der tollen Arbeit der Zahnärzte, die sich darum kümmern, sowie an der Zahnreinigung.“ Aber mit dem Anstieg des Zuckerverbrauchs sei Adipositas, also Übergewicht, hochgegangen, und so auch Zahnfleischentzündungen.
Zahnbelag ist heutzutage eine toxische Mischung – vor allem wegen des Zuckers
Riedl erzählt von einem Versuch der Uni Freiburg. „Die hat Leute wieder zurückversetzt in eine mittelalterliche Situation. Sie durften sich nicht mehr die Zähne putzen, sie haben Mittelalter-Essen gekriegt, mit vielen Fasern und so weiter, und tatsächlich hatten sie nach einigen Wochen einen Zahnbelag. Das haben auch Naturvölker, aber dieser Zahnbelag unterschied sich durch die sehr faserreiche und gemüsereiche Ernährung total von dem Zahnbelag, den wir heute haben – mit dem vielen Zucker. Zucker macht diesen Zahnbelag zu einer toxischen, aggressiven Mischung, und dieser Zahnbelag ist sozusagen der Herd für Entzündungen, die auf das Zahnfleisch übergreifen. Und dann gerät diese Entzündung außer Rand und Band.“
Erst blute es oft ein wenig und zeige ein bisschen Rötung, dann gehe die Entzündung tiefer, bis die Zähne anfangen zu wackeln. „Manchmal können sie gerettet werden, manchmal aber eben nicht, und da muss man tatsächlich früh rein. Wir wissen, dass dieses entzündete Zahnfleisch das Risiko, Diabetes zu bekommen, erhöht, auch das Risiko für Rheuma, für Arterienverkalkung, für Schlaganfall, ja sogar eine Frühgeburtlichkeit bei Müttern und auch ein Risiko für eine EPH-Gestose, eine gefährliche Komplikation in der Schwangerschaft.“
Es sei ein Entzündungsschub, sozusagen ein Unruheherd im Körper, sagt der Ernährungs-Doc.
Ernährungs-Doc: Parodontitis stinkt, das ist auch psychisch belastend
Die Zahnärzte würden sehr viel leisten, manchmal sei auch eine Antibiotikatherapie indiziert, „aber diese außer Rand und Band geratene Entzündung bekommt man manchmal nicht hin, und dann muss man an die Ernährung ran“, sagt Riedl.
Parodontitis sei aber auch psychisch belastend. Sie schmerze nicht nur und schädige nicht nur den ganzen Körper, sondern durch den Eiter stinke es auch. Das sei beispielsweise für den jeweiligen Partner eine große Belastung. Es gebe für Parodontitis eine gewisse genetische Disposition, sagt Riedl. Wer eine Disposition habe, raucht und auch noch Diabetes hat, bekomm zu 90 Prozent Zahnfleischprobleme, so der Ernährungsmediziner.
Gesundes Essen: Wie man Entzündung am Zahnfleisch entgegenwirken kann
Zucker mache den Zahnbelag noch toxischer. Er appelliert, sich artgerecht zu ernähren und die tägliche Zucker-Obergrenze von 50 Gramm nicht zu überschreiten. „Und natürlich auch Zähneputzen nicht vergessen.“ Wer sich trotz einer Disposition richtig ernähre, senke das Risiko einer Zahnfleischentzündung dramatisch, sagt Riedl.
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Um vorzubeugen oder dagegenzuarbeiten, rät der Ernährungs-Doc beispielsweise zu Ballaststoffen wie in Nüssen und Vollkornprodukten. „Sie führen dazu, dass das Zahnfleisch gekräftigt wird und wir einen Speichelfluss bekommen, und dieser fördert die Zahngesundheit. Das wirkt gegen Karies und gegen Parodontitis.“
Ernährungs-Doc: Welche Mangelzustände für das Zahnfleisch gefährlich sind
Folsäuremangel etwa fördere Blutungen bei Zahnfleischentzündungen. „Man muss also gucken, gibt es irgendwo Mangelzustände? Wir wissen auch, dass Omega-3-Fettsäuren diese Entzündungssituation wieder eindämmen können. Da muss man gucken, ob der Körper damit ausreichend versorgt ist. Es kommt auch auf den Vitamin-D-Spiegel an, auf die Kalzium-Zufuhr. Viele andere Faktoren wie sekundäre Pflanzenstoffe sind auch mit daran beteiligt. Wir haben ganz viele Nahrungsbestandteile, die einen total positiven Effekt auf die Parodontitis haben.“
Wer von Parodontitis betroffen ist, sollte sich in die Behandlung einer Ernährungsberatung begeben, rät Riedl: „Das wäre sozusagen eine Eigenmaßnahme. Aber nicht zögern, Profis aufzusuchen, da zahlt die Kasse einen Anteil dazu. Parodontitis ist tatsächlich eine klassische Indikation für eine Ernährungstherapie.“
Rezept aus dem Buch von Dr. Matthias Riedl: Pistazien-Frischkäse-Creme
Für 2 Personen, 15 Minuten. Nährwert pro Portion: ca. 245 kcal, 10 g EW | 20 g F | 5 g KH
Zutaten:
60 g geröstete Pistazienkerne, ¼ Zwiebel, 60 g Frischkäse (max. 45 % Fett), Kräutersalz, Pfeffer, 4 Blätter Basilikum, je 1 TL gehackte Petersilie und Dill (frisch oder TK), ½ TL getr. Rosmarin.
Zubereitung:
1. Die Pistazien aus der Schale entfernen und im Blitzhacker pürieren. Die Zwiebel schälen und in feine Würfel schneiden. Den Frischkäse cremig rühren und mit etwas Kräutersalz und Pfeffer würzen.
2. Das Basilikum waschen, trocken schütteln, die Blätter abzupfen und fein hacken. Die Pistazien mit allen Kräutern, Zwiebel und Frischkäse verrühren. Zuletzt den Dip nochmals mit Kräutersalz und Pfeffer abschmecken.
Tipp: Die Creme passt zu frischem Brot, in pikanten Pfannkuchen, als Unterlage in Wraps oder zum Dippen von Gemüsesticks.