Hamburg. Erster Großeinsatz der Soko „Alster“ gegen junge Straftäter. Wer sie sind, wo sie herkommen und wie die Polizei sie verfolgt.

  • Die Polizei Hamburg hat speziell für das Areal um den Jungfernstieg die Soko „Alster“ ins Leben gerufen
  • Vor allem die Jugendbande „315er“ bereiten der Polizei sorgen
  • Die 30 Jugendlichen sollen immer wieder wegen Körperverletzungen, Beleidigungen und Diebstählen auffällig werden

Sie nennen sich die „315er“, in Anlehnung an einen Parkplatz in einem Parkhaus in Jenfeld, in dem sie sich treffen, weil man von dort einen guten Blick über den Stadtteil hat. Die „315er“ sind eine Gruppe von Jugendlichen, die der Polizei Kopfzerbrechen bereiten, weil sie immer wieder am Jungfernstieg und an der Europa Passage an Konflikten beteiligt sind. Mit der neu gegründeten Soko „Alster“ steuert die Polizei dagegen. Sechs Beamte, die ihre Räume in der Polizeiwache an der Caffamacherreihe bezogen haben, sollen gezielt gegen diese Jugendlichen vorgehen.

Es sind etwa 30 Jugendliche, die die Beamten besonders im Visier haben. Sie sind die „Multiplikatoren“, die Rädelsführer, die in den Gruppen den Ton angeben. Jugendliche, die Straftaten wie Körperverletzung, Beleidigung, aber auch mal Raub „auf der Uhr haben“. Lediglich einer ist bislang als Intensivtäter bekannt. Gegen sie gehen die Beamten der Soko gezielt vor. Man will sie „mit Maßnahmen überziehen“, wie es der Chef der sechsköpfigen Truppe, Ulf Wundrack, sagt. Dabei geht es um Repression, als Strafverfolgung, aber auch um Prävention.

Polizei Hamburg setzt deutliches Zeichen am Jungfernstieg

Es ist gar nicht die aktuell besonders angespannte Lage, die zur Gründung der Soko „Alster“ führte. Vielmehr wurde in der Vergangenheit eine Häufung von Gewalttaten in dem Bereich festgestellt, bei denen auch immer wieder Messer eine Rolle spielten. Aktuell sollen sogar Macheten (Buschmesser) in der Szene angesagt sein.

Im April hatte ein 19-Jähriger einem Polizisten die Kniescheibe herausgetreten, als der Beamte den Heranwachsenden festnehmen wollte. Die Freundin des Täters (16) hatte eine Machete dabei. Es war nicht der erste Vorfall, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte. 2021 war ein Wachmann von Jugendlichen attackiert worden. Der 59-Jährige, der eine Vorerkrankung hatte, brach zusammen und fiel ins Koma.

Aktuell arbeitet die Soko die ungeklärten Fälle der vergangenen Monate auf, versucht die Täter zu ermitteln. Das Klientel beschreiben die Beamten so: Fast alle haben Migrationshintergrund. Sie sind um die 14 bis 20 Jahre alt. Es seien viele Afghanen, Iraner, Pakistani und hin und wieder auch mal ein Syrer dabei. In letzter Zeit hatte man es auch mit Ukrainern zu tun. Bei denen handelte es sich bislang aber meistens um Opfer von Auseinandersetzungen. Auffallend: Niemand aus der „Problemgruppe“ kommt selbst aus dem Bereich Hamburg Mitte. Ebenso auffallend: Die meisten leben in Einrichtungen von „Fördern & Wohnen“, oftmals Folgeunterkünfte für Flüchtlinge, aber auch in städtischen Jugendwohnungen.

Polizei Hamburg: Jungfernstieg ist wie „Wohnzimmer“ für Jugendliche

Der Jungfernstieg und die Umgebung ist für sie so etwas wie das „Wohnzimmer“. „Ich kann einen Jugendlichen, der mit vier Brüdern und seinen Eltern in zwei Zimmern lebt, verstehen“, sagt eine Beamtin. „Der will raus.“ Der Jungfernstieg hat sich dabei als Treffpunkt etabliert. Er ist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen und bietet das Umfeld, das diese Jugendlichen suchen.

Ist die Polizei erfolgreich, wissen die Beamten, ist es ein starkes Signal in die Szene. Wird einer aus dem Problemklientel „weggenommen“, also in Haft gesteckt, beruhige sich die Lage. Deswegen wird auch bei den Tätern in diesem Bereich, entgegen der gängigen Praxis, nicht das Wohnortprinzip, sondern das Tatortprinzip angewandt, damit alle Fälle von der Dienststelle an der Caffamacherreihe bearbeitet werden können.

Über-20-Jährige machen dagegen kaum Probleme in dem Bereich. „Eigentlich wachsen die Leute aus diesen Gruppierungen heraus“, sagt Wundrack. Auch das restriktive Vorgehen der Polizei hinterlasse Eindruck. Das Problem: Es kommen immer wieder neue.

Junge Frauen und Mädchen spielen in der Szene eine untergeordnete Rolle. Hier sind es, so weiß die Polizei, vor allem Deutsche. Bei Auseinandersetzungen sind sie wie „Cheerleader“. Sie kreischen und bepöbeln Täter oder feuern sie an. Je nachdem auf welcher Seite sie stehen. Die Polizei weiß das durch Videos, die diese Mädchen drehen und dann im Internet teilen.

Polizei Hamburg: Erster Schwerpunkteinsatz unter Federführung der Soko „Alster“

Am Wochenende war der erste Schwerpunkteinsatz unter Federführung der Soko „Alster“, die eng mit Einheiten wie dem Jugendschutz, den Stadtteilpolizisten oder Fahndern zusammenarbeiten. Rund 50 Beamte waren am Sonnabend ab 17  Uhr dort im Einsatz. Rund 2000 Menschen hielten sich während des Einsatzes gleichzeitig rund um die Binnenalster auf. 700 von ihnen am Jungfernstieg. Knapp 100 Menschen wurden dem Kreis zugerechnet, den die Polizei besonders im Blick hatte. Zwei Jugendliche, die bereits ein Aufenthaltsverbot für den Bereich hatten, wurde sofort erkannt. Einer kam in Gewahrsam. Der Zweite bekam einen Platzverweis.

Es war einer von sieben Platzverweisen, die die Polizei an dem Abend aussprach. Acht Strafanzeigen, wegen Drogen oder Verstoßes gegen das Waffengesetz, wurden geschrieben. Nebenbei nahm die Polizei zwei Taschendiebe fest. Gegen 23.20 Uhr wurde der Einsatz, der bis 1 Uhr gehen sollte, abgebrochen, weil kein relevantes Klientel mehr dort war. „Es war ein ruhiger Einsatz“, sagt ein Beamter.

Eine Botschaft liegt dem „Soko-Chef“ Ulf Wundrack am Herzen. Ein Ort, an dem normale Bürger in Gefahr kommen können, ist der Bereich rund um die Binnenalster überhaupt nicht. Auseinandersetzungen sind sehr punktuell und würden ausschließlich innerhalb dieser Szene stattfinden, sagt der Polizist.