Hamburg. Bestimmte Altersgruppe ist besonders betroffen, Überdosis eher selten die Todesursache. Welches Mittel „ein Riesenproblem“ ist.

Die Entwicklung ist dramatisch. In Hamburg sterben so viele Menschen an Drogen wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Im vergangenen Jahr weist die Statistik 96 Drogentote für Hamburg aus. Zuletzt hatte es 2001 mit 101 Toten in der Stadt mehr Opfer durch Drogenkonsum gegeben.

Die meisten Drogentoten aus dem vergangenen Jahr waren Männer. Aber auch 19 Frauen starben durch die Einnahme illegaler Substanzen. Es sind vor allem die 30 bis 50 Jahre alten Abhängigen, die einen Drogentod sterben. Allein auf diese Altersgruppe entfallen 58 der 96 Drogentoten im vergangenen Jahr.

Polizei Hamburg: Zahl der Drogentoten so hoch wie seit Jahrzehnten nicht

Zehn der Drogentoten im Jahr 2022 waren über 60 Jahre alt. Einen Drogentoten unter 16 Jahren gab es im vergangenen Jahr – im Gegensatz zu 2021 – nicht. Allerdings sorgte im Sommer vergangenen Jahres ein Fall für Aufsehen, der sich in einem Hotel auf St. Pauli abspielte.

Bei einer Drogenparty in einem angemieteten Zimmer starb ein 22-Jähriger. Ein erst 13 Jahre altes Mädchen musste wie auch zwei 19 und 21 Jahre alte Männer ins Krankenhaus eingeliefert werden. Bei der Drogenparty waren Medikamente eingenommen worden – darunter ein Präparat, das Mediziner Epileptikern verabreichen, damit diese nach Anfällen zur Ruhe kommen.

Drogenparty auf St. Pauli: Teilnehmer nahmen Medikamente für Epileptiker ein

Dabei handelt es sich um Benzodiazepine: Mittel, die auf das Zentralnervensystem wirken. Allein neun Drogentote starben vergangenes Jahr nach der Einnahme solcher Medikamente. Oft sind es verschiedene Substanzen, die nahezu gleichzeitig eingenommen, schließlich zum Tod führen.

Die klassische Überdosis, in den 1990er-Jahren noch die Hauptursache beim Drogentod, kommt heute eher selten vor. 26 Menschen, so die Statistik, starben an einer klassischen Überdosis. In acht Fällen war es Heroin, in neun Fällen ein Substitutionsmittel, unter das auch die „Ersatzdroge“ Methadon fällt, die zum Tod führte.

Drogentote in Hamburg: Fünf Menschen starben an Überdosis Kokain

Kokain wurde in fünf Fällen so hoch dosiert, dass der Konsument starb. Viel öfter kommt es jedoch vor, dass Süchtige an einem Mix aus Drogen oder mit Medikamenten sterben. Bei 38 Drogentoten wurde im vergangenen Jahr eine Mischung verschiedener Substanzen als tödlich diagnostiziert.

Hier spielen vor allem Kokain und Crack eine große Rolle. 29 Fälle weisen die Drogen als todesursächlich bei solchen Mischintoxikationen – also den Tod durch mehrere Substanzen – aus.

Auch zu den Drogentoten zählen Fälle, bei denen absichtlich eine Überdosis eingenommen wurde. Diese „Unfälle“, zu denen auch Körperschmuggler gehören würden, denen ein geschlucktes Behältnis mit Drogen im Körper platzt und sie von innen vergiftet, passierten laut Statistik dreimal. In 18 Fällen werden Langzeitschädigungen als Todesursache im Zusammenhang mit Drogen genannt.

Kriminalbeamter: „Kokain ist ein Riesenproblem“

„Kokain ist ein Riesenproblem“, sagt Jan Reinecke, Landesvorsitzender vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. „Das Kokain, das aktuell auf dem Markt ist, ist auch nahezu rein.“ Die Drogen werden nicht mehr wie früher „gestreckt“, beispielsweise mit Milchzucker. Das wurde gemacht, um den Gewinn zu steigern.

Auch interessant

.
Von Jens Meyer-Wellmann, Christoph Rybarczyk und Kai Schiller

„Heute ist das nicht mehr nötig, weil wir eine enorm hohe Verfügbarkeit von Kokain haben“, sagt Reinecke. Selbst große Sicherstellungen, teilweise im Tonnenbereich, änderten nichts daran. Dass Kokain die beherrschende Droge des illegalen Marktes mit den „harten Drogen“ ist, zeigt auch die Statistik.

Im vergangenen Jahr leitete die Hamburger Polizei 551 Verfahren wegen des Handels mit Kokain oder Crack ein. Dagegen stehen 179 aufgedeckte Fälle des Handels mit Heroin.

Drogentote: Heroin in Hamburg wieder auf dem Vormarsch

Allerdings ist Heroin wieder auf dem Vormarsch. Lange spielte dieses Rauschgift eine untergeordnete Rolle. In den 1990er-Jahren war Heroin dagegen noch die Droge auf dem illegalen Markt, die vor allem von gut strukturierten, kurdischen Clans veredelt wurde.

Damals hatte Heroin, wie heute Kokain, einen hohen Reinheitsgehalt. Abhängige starben in der Regel an einer Überdosis, weil sie sich in der Unkenntnis der Qualität des Heroins zu viel von der Droge gespritzt hatten.

Crack, das aus Kokain hergestellt wurde, verdrängt Heroin

Verdrängt wurde Heroin durch Crack, das aus Kokain hergestellt wird. Diese Droge wird geraucht. Perfide: Sie galt damals als die „saubere Droge“, weil Crack nicht gespritzt werden musste. Spritzen, oft mehrfach und von verschiedenen Personen benutzt, hatte in der Szene für die Verbreitung von schweren Erkrankungen gesorgt.

Der hohe Reinheitsgehalt des Heroins hatte Folgen für Hamburg. Aus ganz Deutschland kamen Abhängige, um hier ihren „Stoff“ zu kaufen. Ab 2002 ging die Zahl der Drogentoten in Hamburg schließlich deutlich zurück. Bis heute ist sie zweistellig. Die niedrigste Zahl an Drogentoten wurde 2012 verzeichnet. Damals starben 49 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums.

Polizei Hamburg: Höchste Zahl an Drogentoten gab es 1996

Die höchste Zahl an Drogentoten gab es 1996. Damals wurden 159 Drogentote erfasst. Doch nicht nur die Zahl der Drogentoten ist hoch. Laut der letzten Erhebung wurden in Hamburg 2021 insgesamt 6887 Menschen wegen Verhaltensstörungen durch legale, aber vor allem illegale Drogen in Hamburger Krankenhäusern behandelt.

Die meisten sind, wie bei den Drogentoten, im Erwachsenenalter zwischen 30 und 60 Jahren. Aber es waren auch 58 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren dabei.