Hamburg. Illegale Bewaffnung, etwa im Drogenmilieu, nimmt zu. Warum Waffenhandel laut BDK unter dem Radar der Sicherheitsbehörden läuft.

Die Sicherheitsbehörden haben nur ein diffuses Bild über illegale Waffen, die in Hamburg im Umlauf sein dürften. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der CDU hervor. Danach könne die Polizei „vor dem Hintergrund des Dunkelfeldes keine genauen Angaben zur Anzahl, der sich illegal im Umlauf befindlicher Waffen oder zur Entwicklung des illegalen Waffenbesitzes machen“.

Jan Reinecke, Landesvorsitzender beim Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), findet es ernüchternd, wie wenig in diese Richtung getan werde: Seit den EncroChat-Ermittlungen wisse man bei den Sicherheitsbehörden sehr genau, dass es nicht nur einen Drogenhandel, sondern auch einen Waffenhandel in einem bis dahin ungeahnten Ausmaß in Hamburg gibt, sagt er.

Polizei Hamburg: EncroChat offenbart Waffendeals

„Waffenhandel ist wie Drogenhandel ein reines Kontrolldelikt“, sagt Reinecke. „Wenn man nicht gezielt dagegen vorgeht, läuft es völlig unter dem Radar der Sicherheitsbehörden.“ Als klares Zeichen für die Untätigkeit in diesem Bereich wertet der BDK-Mann die ausweichende Antwort auf die Frage nach „anlassunabhängigen Verfahren“ wegen illegalen Waffenhandels, die von der Polizei geführt wurden. Hier hatte der Senat eine Antwort mit Hinweis auf „Polizeitaktik“ verweigert.

„Das ist reine Verschleierungstaktik, weil man sich offensichtlich um die Antwort herumdrücken will“, glaubt Reinecke. „Wir haben in Hamburg mit den Waffenhandel ein Kontrolldelikt, das nicht kontrolliert wird.“ Tatsächlich würden Waffen in der Regel als „Beifang“ im Rahmen anderer Verfahren sichergestellt. So ist es oft das Drogendezernat, das im Bereich der Organisierten Kriminalität (LKA 6) angesiedelt ist und Waffendelikte mitermittelt.

Delikte rund um Schusswaffen in Hamburg nicht zentral erfasst

„Sofern sich aus an anderer Stelle geführten Ermittlungsverfahren Hinweise auf Organisierte Kriminalität im Zusammenhang mit illegalem Waffenbesitz beziehungsweise Waffenhandel ergeben, macht das LKA 6 von seinem Evokationsrecht Gebrauch. Welche Dienststelle des LKA 6 diese Ermittlungen dann im Weiteren führt, ist vom jeweiligen Einzelfall abhängig“, heißt es weiter in der Senatsantwort. Das bedeutet, dass Delikte rund um Schusswaffen nicht zentral erfasst und bearbeitet werden.

Man weiß nicht einmal, wie viele Schusswaffen in welchen Bereichen sichergestellt wurden, da man sich – so der Senat – an den Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik orientiere, die eine detaillierte Erfassung von sichergestellten Waffen nicht vorsehe.

Scharfe Waffen und Schreckschusswaffen in Statistik zusammengefasst

Eigentlich weiß man nicht einmal, wie viele Verfahren wegen Schusswaffen 2022 geführt wurden. Denn die Statistik weist nur Verstöße gegen das Waffengesetz aus, worunter nicht nur illegale Schusswaffen, sondern auch verbotene Messer, Schlagringe oder Ninja-Wurfsterne zählen. Dort ist zumindest die Zahl der Taten von 1075 in 2019 über die Jahre auf 896 in 2022 zurückgegangen.

Auch die erfassten Fälle, bei denen bei Straftaten mit einer Schusswaffe gedroht (118 Fälle im Jahr 2022) oder sogar abgedrückt wurde (84 Fälle in 2022), geben keinen Aufschluss. Der Grund: Damit sind nicht nur scharfe Waffen, sondern auch Schreckschuss- und Gaswaffen gemeint.

Polizei Hamburg: Erst kürzlich tödliche Schüsse im kriminellen Milieu

Reinecke beruhigen die rückläufigen Zahlen bei den Waffendelikten nicht. „Wir haben gerade in der jüngsten Zeit wieder herausragende Straftaten, wie die Schießerei in Tonndorf, bei denen Schusswaffen bei Auseinandersetzungen im kriminellen Milieu eingesetzt wurden“, so der Landesvorsitzende des BDK. Auch in Langenhorn kam es jüngst zu einem tödlichen Schusswechsel unter Rockern.

Tatsächlich sei es in Hamburg recht einfach, mit den richtigen Verbindungen eine Schusswaffe zu bekommen. „Der Preis für eine halbautomatische Pistole liegt je nach Modell zwischen 1000 und 3000 Euro“, weiß Reinecke.

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BDK befürchtet in Hamburg wieder mehr Waffen auf illegalem Markt

Der Handel mit solchen Waffen wurde immer wieder im Rahmen der EncroChat-Verfahren, bei denen von den Sicherheitsbehörden geknackte Chatverläufe eine Rolle spielten, belegt. Aber auch automatische Waffen sind, so weiß man aus den EncroChat-Ermittlungen und durch frühere Sicherstellungen, im Umlauf.

„Wir müssen uns angesichts des Krieges in der Ukraine darauf einstellen, dass in Zukunft – vor allem, wenn der Krieg beendet ist – wieder mehr Waffen, oft sogar Kriegswaffen auf dem illegalen Markt auftauchen und auch gehandelt werden“, sagt Reinecke. Dieses Phänomen war bereits nach dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien beobachtet worden. Das und die erhöhte Zahl an Taten, bei denen in den vergangenen Monaten in Hamburg scharf geschossen wurde, spreche aus seiner Sicht für eine gezieltes Vorgehen der Polizei gegen den illegalen Waffenhandel.