Hamburg. Hamburg ist Austragungsort der Internationalen Meisterschaft. Sechs der insgesamt 107 Teilnehmenden berichten über ihre Eindrücke.
Der weltweit größte Wettbewerb der deutschen Sprache findet bis zum kommenden Freitag in Hamburg statt. 107 Jugendliche aus 56 Ländern treten bei der Internationalen Deutsch-Olympiade (IDO) in der Jugendherberge „Horner Rennbahn“ an. Jeweils ein Teilnehmer aus China und Armenien ist digital zugeschaltet. Organisatoren sind das Goethe-Institut und der Internationale Deutschlehrerverband.
Die 14 bis 17 Jahre alten Schülerinnen und Schülern stellen bei den Wettkämpfen nicht nur ihre Deutschkenntnisse, sondern auch ihre interkulturellen Kompetenzen unter Beweis. Das Abendblatt hat am Sonntag mit sechs von ihnen über ihre Eindrücke in Hamburg gesprochen – und warum sie ausgerechnet Deutsch büffeln.
Deutsch-Olympiade: Schülerin aus Estland lernt Deutsch für Instagram-Stars
Helen Seppel (17)
kommt aus Estland und fand ihre große Leidenschaft für die deutsche Sprache über die beiden deutschen Influencerinnen Lisa und Lena. Die gläubigen Christinnen sind seit Jahren Social-Media-Stars und zählen bei Instagram inzwischen fast 18 Millionen Follower. „Ich wollte mich unbedingt mit ihnen in Österreich treffen und auch Deutsch sprechen“, sagt Helen, die in Estland die elfte Schulklasse besucht. „Doch ich war bei dem Gespräch viel zu nervös und sprach vor Aufregung nur Englisch.“
Das wollte sie beim nächsten Mal ändern – und lernte viel mehr als vorher Deutsch. Jetzt schaut sie sich regelmäßig deutsche Filme bei Netflix an, liest Bücher in deutscher Sprache und hat regelmäßig Kontakt zu zwei Freundinnen in Deutschland. Eine von ihnen wohnt in der Nähe von Uelzen. „Sie will ich nach der Olympiade besuchen.“ Die Menschen hierzulande findet Helen alle „so freundlich“ und „nicht so zurückhaltend wie in meiner Heimat Estland“. Nach dem Abitur möchte sie Psychologie studieren, wenn möglich in Deutschland.
14 Stunden Flug zur Deutsch-Olympiade
Isabela Camargo Roumeliotis (17)
war mit dem Flugzeug rund 14 Stunden unterwegs, um nach Hamburg zu gelangen. Sie wohnt im brasilianischen Florianópolis – einer Stadt mit vielen Stränden und noch wärmeren Temperaturen als gegenwärtig in Hamburg. Zu den Highlights bei der Internationalen Deutsch-Olympiade gehörte eine Länderpräsentation. „Ich habe über die Natur, die Menschen und den Karneval in Brasilien berichtet“, erzählt Isabela.
Um ihre Deutschkenntnisse zu perfektionieren, hört sie regelmäßig den Podcast „Easy German“ und liest deutschsprachige Medien. Die Grammatik und die korrekte Wahl der Artikel seien allerdings für sie eine Herausforderung. Auch ihr Handy ist auf Deutsch eingestellt. So lernt sie spielend weiter diese Sprache. „Denn ich möchte später Ingenieurin werden und am liebsten in Hamburg studieren.“
Deutsche Sprache: Herausfordernd wie der Jakobsweg
Carlos Luis González Ávila (16)
aus dem spanischen Galizien kennt die Hamburger Hauptkirche St. Jacobi. Sie war im Mittelalter der Treffpunkt der Pilger, und heute beherbergt sie das Pilgerzentrum der evangelischen Nordkirche. Von hier aus führt der alte Pilgerweg aus Nordeuropa direkt in die Heimatstadt von Carlos – nach Santiago de Compostela. Mit leuchtenden Augen erzählt der Elftklässler in perfektem Deutsch von den Pilgern, die endlich die Kathedrale erreichten.
„Man kann sehen, wie erleichtert sie sind, ihr Ziel erreicht zu haben.“ Vergleichsweise ähnlich sei es auch mit seinem Ziel, die Deutschkenntnisse weiter zu perfektionieren. „Das ist eine Herausforderung wie das Pilgern auf dem Jakobsweg und eine schöne Erfahrung. Denn ich bin verliebt in die deutsche Sprache. Sie öffnet mir viele Türen – zum Beispiel, dass ich jetzt hier in Hamburg sein kann.“
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Carlos spielt übrigens Klavier und liebt da auch die deutschsprachigen Komponisten, Bach und Beethoven gehören zu den Favoriten. Nach der Schulzeit möchte der spanische Olympia-Teilnehmer vielleicht Übersetzer werden. „Spanisch – Deutsch oder Spanisch – Englisch“. Dass sie mehr als eine Fremdsprache spielend beherrschen, ist bei diesen Jugendlichen die Regel. Und dann fügt Carlos noch hinzu: „Die Hamburger Speicherstadt ist eine der besten Bauten, die ich gesehen habe.“
Deutsch-Olympiade: Hamburg punktet mit dem Hafen
Adithya Shankar (16)
ist der Olympionike aus Sri Lanka. Seine Eindrücke von Hamburg seien ausschließlich positiv, plaudert er im fließenden Deutsch. „Vor allem die Hafenrundfahrt hat mir gefallen.“ Am meisten beeindruckte ihn die Elbphilharmonie. „Ein Foto mit dem Gebäude gibt es als Magnet für den Kühlschrank. Den bringe ich als Souvenir für meine Eltern mit nach Hause.“
Deutsch hält der Asiate übrigens für eine einfache Sprache, er habe keine Mühe damit, sie zu lernen. Am 6. August fliegt Adithya wieder über Dubai nach Hause – um viele internationale Erfahrungen reicher. Und die können bei seinem Berufswunsch nicht schaden. Denn der Schüler will später mal als Pilot um die Welt fliegen.
Erst Deutsch lernen, dann Jura studieren
Farida Alieva (15)
stammt aus Usbekistan und genießt die vergleichsweise niedrigen Temperaturen in der Hansestadt. Denn in ihrem Heimatland herrschen Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius. „Da bleiben die Leute mittags lieber in ihren Räumen.“ Farida wohnt in Taschkent mit seiner vom Islam geprägten Architektur. „Jetzt kann ich die Bauten mit Hamburg vergleichen“, sagt sie – und zeigt auf das Rathaus im historischen Stil der Neorenaissance.
Seit ihrem siebten Lebensjahr lernt die Olympia-Teilnehmerin die deutsche Sprache und hat auch schon einen Text des Schriftstellers Erich Maria Remarque (1898–1970) gelesen. Ihr nächstes Lebensziel: Sie möchte in Deutschland Jura studieren und später bei einer internationalen Organisation arbeiten.
Schüler lobt die deutsche Pünktlichkeit
Archil Benashvili (16)
besucht in Georgen die 12. Klasse und sagt: „Ich bin von Hamburg sehr beeindruckt. Ganz besonders von der Hafenrundfahrt.“ Er nutze, wie er sagt, auch die Gelegenheit, die Hamburger in ihrem Alltag zu beobachten, und stellt fest: „Hier sind die Leute pünktlich. Das gefällt mir.“ Bei der Länderpräsentation auf der Deutsch-Olympiade wählte Archil das Thema „Die Macht der Musik“.
Dabei stellte er dar, welche Kraft die Klänge bei Alzheimerkranken entfalten können, um deren Motorik zu verbessern. Fast in einem Nebensatz erwähnt der Georgier, dass er später in Deutschland Medizin oder Chemie studieren will. „Erst vor wenigen Tagen habe ich an der Internationalen Chemie-Olympiade teilgenommen.“ Digital ausgerichtet wurde sie von China.
Neunköpfige Jury bewertet Schüler
Am kommenden Freitag wird eine internationale Jury nun die Besten Deutsch-Könner mit Gold, Silber und Bronze in den Sprachstufen A2, B1 und B2 küren. Darüber hinaus winken Sachpreise für die ersten drei Plätze (Tablet, Smartphone, Kopfhörer).
Neben Sprachkenntnissen erfordert der Wettbewerb kreative wie soziale Kompetenzen, die in die Bewertung einer neunköpfigen internationalen Jury mit einfließen. Es gehe nicht nur ums Hören, Lesen und Schreiben. Einfallsreichtum sei gefragt, heißt es bei den Organisatoren. Die Jugendlichen sollen sich zum Beispiel ein kleines Theaterstück oder ein Lied auf Deutsch ausdenken.
Deutsch-Olympiade: Erstes Präsenz-Event in der Pandemie
Nach der pandemiebedingten internationalen Online-Veranstaltung vor zwei Jahren ist es nun wieder das erste Treffen in Präsenz. Der internationale Deutsch-Wettbewerb findet alle zwei Jahre in Deutschland statt. 13 Millionen Schülerinnen und Schüler mit Deutschunterricht seien weltweit eingeladen, daran teilzunehmen und sich in den nationalen Vorrunden in ihren Heimatländern für das Finale in Deutschland zu qualifizieren, sagt IDO-Sprecherin Aimée Torre Brons.
Die Wettkampfteilnehmer haben übrigens einige Lieblingsworte. Dazu gehören unter anderem „Fernweh“, „Wanderlust“ und „Geborgenheit“ – also Worte, die sich nur schwer in ihre Muttersprache übersetzen lasen. Und damit eben auch typisch Deutsch sind.