Hamburg. Corona-Krise trifft die Hamburger Tourismusbranche hart. Viele Angestellte sind in Kurzarbeit. Doch es gibt Hoffnung.
Das Miniatur Wunderland gehört zu den beliebtesten Touristenattraktionen in Deutschland. Allein im Vorjahr besuchten rund 1,4 Millionen Menschen die Modellwelt in der Speicherstadt. Wo sich sonst täglich mindestens 4000 Menschen tummeln, herrscht wegen des Coronavirus jetzt Stillstand.
Seit Montag ruht der Betrieb. Die Arbeiten an den neuen Themenwelten „Kirmes“, die im April eröffnen sollte, und „Monaco“ wurden gestoppt. „Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Können wir im Sommer wieder öffnen? Wie werden sich die Besucherzahlen nach der Coronakrise überhaupt entwickeln? Diese Fragen, kann einem keiner beantworten“, sagt Frederik Braun, der das Miniatur Wunderland gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Gerrit 2001 eröffnet hatte und gemeinsam führt.
Finanzielles Polster reicht für vier bis sechs Monate
Wegen dieser Ungewissheit müssten nun mangels Einnahmen die Kosten gesenkt werden, so Braun im Gespräch mit dem Abendblatt. Für die rund 250 Mitarbeiter wurde Kurzarbeit beantragt. „Wir wissen natürlich, dass die 60 Prozent des Nettolohns zum Leben kaum ausreichen, deshalb stocken wir den Betrag freiwillig um mindestens 20 auf 80 Prozent auf. Aber wir sind auch dankbar dafür, dass es in Deutschland überhaupt die Unterstützung durch den Staat gibt, der die Kurzarbeit finanziert und jetzt viele Hilfsprogramme zügig auf den Weg bringt“, sagt der Unternehmer.
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Dazu kommen rund 100 studentischen Aushilfen und Minijobber, die Braun nicht entlassen hat: „Wir haben alle angeschrieben und gefragt, was sie zum Leben brauchen, und unterstützen sie jetzt erst einmal aus eigener Tasche. Die Reaktionen per E-Mail waren wirklich rührend. Wir sind alle ein Team und halten auch in diesen schwierigen Zeiten zusammen.“ Aber auch die finanziellen Mittel der Braun-Brüder sind endlich.
Dazu Frederik Braun: „Ich werde hier jetzt nichts beschönigen. Wir haben ein finanzielles Polster für schwierige Zeiten, aber das wird nicht länger als vier Monate oder vielleicht sechs Monate reichen.“ Außerdem sollte davon auch die Erweiterung um rund 3000 Quadratmeter auf der anderen Seite des Fleets mitfinanziert werden. Ein Millionenprojekt.
Der Einbau der Brücke, der die beiden Gebäude über das Wasser verbinden soll, ist für Juni geplant. Im kommenden Jahr sollte mit dem Ausbau der Räume begonnen werden. „Ich kann in dieser Situation noch nicht abschätzen, wie es mit diesem Projekt weitergeht“, sagt Braun. Trotz aller Ungewissheit wird der neue Leitstand, von dem die Autos, Flugzeuge und Züge im Miniatur Wunderland gesteuert werden, aber fertig gebaut.
Miniatur Wunderland: Züge müssen alle zwei Tage bewegt werden
Frederik Braun ist noch täglich im Miniatur Wunderland anzutreffen – und mit ihm etwa 20 Mitarbeiter. Die Technik muss am Laufen gehalten, die Züge im Miniaturformat alle zwei Tage bewegt werden. „Natürlich hat auch unsere Personalabteilung viel zu tun.“
Die Situation im Wunderland beschreibt Braun so: „Es ist surreal, wenn man durch die Räume geht und statt begeisterter Besucher ist hier gespenstische Stille. Wir hatten seit unserer Eröffnung bisher nur einen Tag geschlossen, und das war für die TV-Sendung ,Wetten, dass ..?‘ Wir sind jetzt sozusagen von 100 Prozent auf nahezu null gefahren.“
Dafür wurde das Angebot im Onlineshop (shop.miniatur-wunderland.de) ausgebaut; vor allem Bastelsachen für Kinder würden stark nachgefragt.
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Die dramatische Situation für die gesamte Branche fasst Hamburg-Tourismus-Chef Michael Otremba so zusammen: „Für die Tourismusbranche ist das schlimmste aller möglichen Szenarien eingetreten. Das Freizeit- und Reiseaufkommen ist komplett zum Erliegen gekommen. Viele Betriebe oder Selbstständige sind in ihrer Existenz bedroht.“
Auch im Hafen herrscht Zwangspause. Die Barkassen und Charterschiffe dürfen vorerst bis zum 16. April nicht fahren. „Es geht an das Eingemachte. Normalerweise beginnt im März die Saison, und das Osterwochenende ist für uns auch immer sehr umsatzstark. Aber dieses Geschäft fällt jetzt weg“, sagte Hubert Neubacher dem Abendblatt.
Seit 25 Jahren arbeitet der Österreicher für Barkassen Meyer und hat das Traditionsunternehmen 2013 übernommen, das vor fast einem Jahr, am 28. März, seinen 100. Geburtstag feierte.
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Neubacher: „Das ist gar nicht zu begreifen. Jetzt knapp 365 Tage später ist alles anders geworden, und man kämpft dafür, dass man irgendwie durch diese Krise kommt, die man ja nicht selber beeinflussen kann.“
Auch der Hafengeburtstag im Mai wurde abgesagt (wir berichteten). „Das ist natürlich für die Barkassenunternehmer eine Katastrophe. Da sind wir drei Tage lang ausgebucht und haben zahlreiche Sonderfahrten“, sagt der Unternehmer. Von seiner mehr als 40-köpfigen Crew sind die 26 Festangestellten in Kurzarbeit, teils in unbezahltem Urlaub. „Ich lebe jetzt von Reserven, die sind aber auch nicht üppig“, sagt Neubacher.
Das Geschäft lief in den vergangenen Jahren gut, „deshalb habe ich auch investiert, und wir haben 2019 unsere neue Kunst-Barkasse ,Ennstal‘ in Betrieb genommen. Aber dafür muss ich jetzt auch Kredite bei der Bank bedienen. Bei der ,Seuten Deern‘ haben wir im Winter noch einen neuen Motor eingebaut. Hätte ich gewusst, dass wir jetzt Wochen oder Monate kein Geld verdienen, hätte ich wohl auf diese Investition verzichtet.“
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Dankbar ist Neubacher dafür, „dass die Hafenbehörde HPA uns die Miete für unser Büro stunden wird. Aber natürlich müssen wir das Geld trotzdem zurückzahlen und sind zumindest in der zweiten Jahreshälfte auf entsprechende Einnahmen angewiesen. Auch die Alteigentümer von Barkassen Meyer verzichten zunächst auf Zahlungen, die ihnen zustehen“, sagt der Barkassen-Unternehmer.
Der Geschäftsmann kann besonders in dieser schwierigen Zeit nicht abschalten, denkt immer an seinen Betrieb: „In den nächsten Tagen werde ich prüfen, welche finanzielle Unterstützung ich vom Staat beantragen kann. Wenn alles klappt, könnten es um die 40.000 Euro sein. Das wäre schon mal ein Hoffnungsschimmer.“
Miniatur Wunderland – das Magazin
Im Handel: Das Abendblatt-Magazin „Miniatur Wunderland – Alles, was man wissen muss“ ist erhältlich unter abendblatt.de/magazine, im Einzelhandel, bei Amazon sowie im Miniatur Wunderland. Das 108-seitige Magazin mit zahlreichen Reportagen, Hintergrundberichten und Interviews kostet 9 Euro (Treuepreis für Abonnenten beim Kauf über das Abendblatt 7 Euro).