Hamburg. Sechs Planungsteams haben sich für die finale Wettbewerbs-Phase qualifiziert. Entwürfe können online gesichtet und kommentiert werden.

Unter einem spektakulären Glasdach am Moldauhafen wäre eine Bootswerft denkbar, ein schönes Café, ein Marktplatz und ein Ort für Begegnungen. Das Dach, Teil des aufgegebenen Überseezentrums, könnte restauriert oder neu gebaut worden sein. Ein Stück weiter, entlang des Saalehafens, wäre Platz für Sportflächen oder begrünte Ufer, die stufenförmig zum Wasser hin abfallen. Es wäre aber auch möglich, dass hier Wohnhäuser stehen, die über das Wasser ragen. Die Bebauung auf dem Grasbrook könnte eng und hoch sein, dafür aber Raum für einen großen Park lassen – oder niedrig und weit verstreut, mit vielen Bäumen dazwischen.

Wie es wirklich einmal auf dem Grasbrook aussehen wird, dem künftigen Hamburger Vorzeige-Stadtteil gegenüber der HafenCity, ist noch völlig ungewiss. Die Zwischenergebnisse eines Wettbewerbs vermitteln jetzt aber erste Eindrücke davon, welche spannenden Gestaltungsmöglichkeiten die Quartiere rund um Moldau- und Saalehafen ausgeführt werden können.

Jury wählt sechs Teams aus

Das Besondere daran: Der Wettbewerb wird mit viel Bürgerbeteiligung durchgeführt – zudem wird die Freiraumplanung nicht als „nachträgliche Begrünung“ erarbeitet, sondern als gleichberechtigtes Wettbewerbselement. „Wir haben aus der Bürgerbeteiligung und aus den Erfahrungen mit der HafenCity gelernt, wie wichtig und wertvoll Parks, Plätze und Sportflächen sind. Das wollen wir bei diesem neuen Stadtteil berücksichtigen“, sagte HafenCity-Geschäftsführer Jürgen Bruns-Berentelg, Geschäftsführer der HafenCity GmbH.

Mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) und der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) hatte die HafenCity GmbH zwölf europaweit renommierte Büros zu dem Wettbewerb eingeladen: jeweils sechs aus der Stadt- und aus der Landschaftsplanung. Nach einer Jurysitzung am vergangenen Dienstag, bei der auch Einwände und Ideen aus einer Bürgerveranstaltung am Vortag berücksichtig wurden, sind noch je drei Büros dabei. Diese wurden jetzt zu fachübergreifenden Zweier-Teams zusammengestellt, um bis zur nächsten Jurysitzung im April 2020 ihre Entwürfe zu kombinieren und weiter zu bearbeiten.

Ein deutsches Büro ist nicht beteiligt, dafür aber die Elbphilharmonie-Architekten Herzog & de Meuron (Basel), die mit Vogt Landschaftsarchitekten aus Zürich weiterarbeiten, außerdem Mandaworks (Stockholm) und Karrees en Brands (Hilversum) sowie ADEPT (Kopenhagen) und Studio Volkan (Zürich).

Weltweit vorbildliches, nachhaltiges Projekt

Dieser Entwurf sieht für den Stadtteil westlich der Norderelbe markante Gebäude und viel Grün vor.
Dieser Entwurf sieht für den Stadtteil westlich der Norderelbe markante Gebäude und viel Grün vor. © Adept | ADEPT

„Die ausgewählten Entwürfe zeigen sehr unterschiedliche Konzepte, die jedoch allesamt ein großes Potenzial haben, den Grasbrook als innovativen, zukunftsweisenden und sehr eigenständigen Stadtteil entwickeln zu können“, sagte der Berliner Architekturprofessor und Juryvorsitzende Matthias Sauerbruch. Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing: „Man sieht, was an ungewöhnlichen Stadträumen auf dem Grasbrook entstehen kann. Vieles gibt es so noch nicht in Hamburg.“ Der neue Stadtteil könne sogar ein weltweit vorbildliches nachhaltiges Projekt werden.

Die Vorgaben an die Wettbewerbsteilnehmer enthielten Ergebnisse aus mehreren Planungswerkstätten, zu denen Bewohner der umliegenden Stadtteile Veddel, Rothenburgsort, Wilhelmsburg und der HafenCity eingeladen worden waren.

Dazu gehört zunächst einmal eine gute Verbindung des Grasbrooks mit der Veddel – etwa durch eine attraktive Querung (Tunnel oder Brücke), nachbarschaftliche Treffpunkte und gemeinsame Angebote. Außerdem wünschen sich die Anwohner eine Mischung unterschiedlicher Nutzungen – „die Trennung von Arbeits-, Wohn- und Freizeitbereichen ist passé“, so Sauerbruch.

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Vierzügige Grundschule ist geplant

Ein weiterer wichtiger Punkt war der Umgang mit Bestandsgebäuden (etwa den historischen, denkmalgeschützten Schuppen am Saalehafen) und vorhandener Vegetation. Ganz oben standen auch attraktive Ufer und Zugänge zum Wasser, die sich nicht nur an den beiden Hafenbecken, sondern auch an der HafenCity-Seite zugewandten Seite zur Nor­derelbe hin anbieten. Ferner soll der neue Stadtteil durch unterschiedliche Mobilitätsangebote und autoarme Quartiere einen Beitrag zu einen nachhaltigen und klimagerechten Stadt leisten.

Zu diesen von Bürgern geäußerten Wünschen kamen die Vorgaben der Stadt, die einen Nutzungsmix aus Wohnen, Büro, Bildung, Kultur und Forschung festlegte, außerdem die Förderung urbaner Ökosysteme, den Lärmschutz hinsichtlich der Verkehrstrassen im Osten und dem Hafen im Süden, sowie die Berücksichtigung des Klimawandels. Außerdem soll auf dem Grasbrook eine vierzügige Grundschule entstehen, die auch den Kindern von der Veddel offen steht, eine Trasse für die Linie U 4, das neue Hafenmuseum und ein Liegeplatz, an dem die Viermastbark „Peking“ dauerhaft festmachen kann.

„Noch sind wir mit der ganzheitlichen Stadtentwicklung beschäftigt, nicht mit dem einzelnen Haus“, fasste es Oberbaudirektor Höing zusammen. Allerdings ist er sich mit Architekturprofessor Sauerbruch und HafenCity-Geschäftsführer Bruns-Berentelg schon darüber einig, welche Elemente aus den Entwürfen unter „geht gar nicht“ fallen. Dazu zählen beispielsweise zu hohe Gebäude, ein schwer erreichbares Schulgebäude, eine ungünstige gelegene U-Bahn-Trasse und schlecht erschlossene Uferbereiche.

Auch ein natürlich begrünter Uferbereich wäre denkbar.
Auch ein natürlich begrünter Uferbereich wäre denkbar. © HdM | HdM

Sechs Hektar Grünfläche und vier Kilometer Uferpromenade

Die Ressourcen des nur 4,5 Quadratkilometer großen Kleinen Grasbrooks sind begrenzt. Noch wird das Areal geprägt von Hafenunternehmen, die zum Teil umgesiedelt werden müssen, um Platz für die Wohnquartiere zu schaffen. Das Wettbewerbsgebiet ist 68 Hektar groß, davon fallen 50 Hektar auf Land- und 18 Hektar auf Wasserflächen.

Rund 3000 Wohnungen sind geplant, davon ein Drittel öffentlich gefördert und etwa 20 Prozent für Baugemeinschaften. Mit seiner Infrastruktur soll der Grasbrook einen unmittelbaren Nutzen für die Menschen in den umliegenden Stadtteilen stiften. Neben Grundschule und Kitas entstehen hier auch Angebote für Nahversorgung, Sport und Kultur, eine etwa sechs Hektar große Grünfläche und eine vier Kilometer lange grüne Uferpromenade an der Elbe und den Hafenbecken.

Am 2. April 2020 werden die überarbeiteten Entwürfe öffentlich vorgestellt, am 3. April verkündet die Jury das finale Siegerteam.

Noch bis Anfang April haben Interessierte die Möglichkeit, die Entwürfe zu sichten und zu kommentieren: Bis zum 5. Januar werden die Pläne und Modelle im Kesselhaus in der HafenCity (Sandtorkai 30) ausgestellt.

Außerdem gibt es erstmals während eines Wettbewerbs die Gelegenheit, die Entwürfe online in Augenschein zu nehmen. Der Link steht ab sofort unter www.hamburg.de/grasbrook zur Verfügung.