Hamburg. Demos und Blockaden: Die Party der Kreuzfahrt-Industrie hat nicht mehr nur Fans. Diverse Protestaktionen begleiten die Cruise Days.

Unter der Beobachtung vieler neugieriger Besucher sind die ersten Kreuzfahrtschiffe in Hamburgs Hafen angekommen. Die Cruise Days sind damit offiziell eröffnet. Mit einer halben Million Besucher rechnen die Organisatoren der Veranstaltung, die bereits am Sonntagabend ihr Ende findet. Insgesamt zwölf Schiffe sind diesmal in der Hansestadt zu Gast, so viele wie noch nie. Doch nicht alle sind darüber froh und freuen sich auf die große Party der Kreuzfahrtindustrie.

Linke demonstrieren gegen Cruise Days

In einem weißen Overall mit Atemschutzmaske um den Hals steht Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Linken in Hamburg, am Freitagmittag am Baumwall. Direkt hinter ihm die Kante zum Hafen. „Mich stört die Umweltbilanz dieser Schiffe ungemein, und es ist ein Unding, dass eine Veranstaltung diesen Formats hier in Hamburg stattfindet“, sagt Jersch.

Hinter ihm tummeln sich weitere Mitglieder der Linken und verteilen Flugblätter an vorbeikommende Passanten. „In Hamburg pusten Kreuzfahrtschiffe 200 Tonnen Stickoxide in die Luft – allein in den sechs Monaten, in denen sie jedes Jahr den Hafen nutzen. Das sind fast 20 Prozent der gesamten Stickoxid-Emissionen in der Stadt in diesem Zeitraum“, steht unter anderem auf den Flyern.

Norbert Hackbusch, hafenpolitischer Sprecher der Linken, verdeutlicht seine Kritik an der Veranstaltung mit einem Fingerzeig auf die nicht weit entfernten Landungsbrücken: „Dort ist der dreckigste Punkt in Hamburg. Nicht nur Stickoxide oder Ruß tritt dort in hohen Mengen auf, sondern auch Ultra-Feinpartikel. Diese sind mit das Gefährlichste, was in der Luft vorkommen kann“, sagt Hackbusch. Zu diesem Punkt später mehr.

Ökologischer Landstrom und Abgasfilter

Da sich Stephan Jersch von den Linken allerdings bewusst ist, dass solche Veranstaltungen nicht von heute auf morgen aus dem Terminkalender verschwinden, äußert er folgende Wünsche: „Es wäre ja schon besser, wenn die Schiffe ökologischen Landstrom nutzten, während sie hier vor Anker liegen. Außerdem sollten nur noch Schiffe mit wirksamen Abgasfiltern nach Hamburg einlaufen dürfen.“ Er ist sich sicher, dass durch die Aktion der Linken und weitere Vereine ein „Funke eines Zweifelns“ an den Cruise Days gesät werde.

Dieses Ziel verfolgt auch der Naturschutzbund (Nabu) einige Hundert Meter weiter. Direkt an den Landungsbrücken. „Uns stinkts! Kreuzfahrtschiffe sauber machen“, prangt auf einem Banner, das mehrere Mitglieder des Umweltverbandes, gekleidet in Ärztekitteln und das Gesicht bedeckt mit Mundschutz, hochhalten. Eine Gruppe von Kindergarten-Kindern läuft an der Szenerie vorbei, die Betreuerin deutet auf das Plakat und sagt: „Seht mal her, ,Uns stinkts‘ steht da. Das stimmt. Diese großen Kreuzfahrtschiffe verpesten doch nur unsere Luft.“ Sie und mehrere Kinder nehmen freudig die vorbereiteten Flyer des Nabu entgegen. „Wir möchten, dass die Leute, die in den nächsten Tagen hier unterwegs sind, darauf achten, ob ihre Lunge schon rasselt. Der Wert des Ultra-Feinstaubs ist hier nämlich ganz schön hoch“, sagt Malte Siegert vom Nabu.

Schlechte Luftqualität durch Schiffe

Das kann Axel Friedrich durchaus bestätigen. Etwas nach unten gebeugt liest der Wissenschaftler die Werte von den Bildschirmen ab, die ihm seine Luft-Messgeräte an den Landungsbrücken anzeigen. Im Auftrag des Nabu misst er die Luftqualität. „Wir haben hier ungefähr 17.000 bis 18.000 Ultrafein-Partikel pro Kubikzentimeter. Wenn gerade ein Schiff vorbeifährt, kann der Anteil auch gerne mal über 20.000 steigen.“ Ein Wert, der auf jeden Fall nicht zu unterschätzen sei. Zum Vergleich, im Bereich Planten un Blomen wurde vom Nabu ein Wert von 5000 gemessen. Am Auspuff, direkt im Abgasstrom eines Schiffes, kann der Wert auf bis zu 500.000 ansteigen.

Doch was ist so gefährlich an den Ultra-Feinpartikeln? „Die kleinen Partikel dringen tiefer in die Atemwege ein. Sie können sogar bis in die Blutbahn gelangen und alle Organe erreichen. Die Gefahr eines Infarkts steigt somit. In Bezug auf die Werte heißt das: Mit jedem Anstieg über 1000 Ultrafein-Artikel pro Kubikzentimeter steigt das Risiko eines Herzinfarkts um sieben Prozent“, erklärt Axel Friedrich.

Veranstaltungen wie die Cruise Days seien in Bezug auf eine Verbesserung der Luftqualität natürlich nicht förderlich, ist sich Malte Siegert vom Nabu sicher: „Der Großteil der Schiffe, die hier anlaufen, sind nicht klimafreundlich. Wir wollen mit unserem Protest vor allem Druck auf die Politik ausüben. Im Februar kommenden Jahres finden hier in Hamburg bekanntlich Wahlen statt. Und als Thema spielt bei vielen Bewohnern auch die Luftqualität in der Stadt eine große Rolle.“

Fokus soll auf Innovationen gerichtet werden

Es sei beispielsweise nicht zu verstehen, warum die Steuerzahler für die Landstromanlage in Altona aufkommen müssen: „Die Branchenriesen Carnival, Royal Caribbean und Norwegian machen mehr als fünf Milliarden Dollar Gewinn jährlich. Bei diesem Betrag dürften Investitionen in umweltverträglichere Maß­nahmen doch eigentlich kein Pro­blem sein.“ So schlägt Siegert eine Art Cruise Days vor, die sich an der momentan stattfindenden Internationalen Au­tomobil-Ausstellung orientiert. Dort läge der Fokus auf Innovationen: „Es würde dann auch reichen, wenn zwei oder drei möglichst umweltfreundliche Schiffe in den Hafen in Hamburg einfahren.“

Demonstranten blockieren die Willy-Brandt-Straße.
Demonstranten blockieren die Willy-Brandt-Straße. © Andreas Laible / FUNKE Foto Services

Während die Aktionen des Nabu und der Linken ruhig abliefen, wählte die Klimabewegung Extinction Rebellion einen radikaleren Weg. Mehr als 100 Demonstranten blockierten etwas mehr als eine Stunde lang eine Kreuzung der Willy-Brandt-Straße. „Kreuzfahrtschiffe, von denen einige dieses Wochenende in Hamburg anlegen, haben einen unglaublich hohen CO2-Ausstoß. Darauf wollen wir aufmerksam machen“, sagte Johann Salzmann von Extinction Rebellion.

Wie ein Sprecher der Polizei mitteilte, war die Demo im Vorfeld nicht angemeldet worden: „Daher haben wir die Teilnehmer dreimal per Lautsprecherdurchsagen dazu aufgefordert, die Straße zu verlassen. Nachdem das nicht geschehen ist, haben wir die Straße geräumt.“