Hamburg. Gastroflächen und Stege werden nach einem komplizierten Verfahren vergeben – die meisten sind seit Jahrzehnten in gleicher Hand.

Blauer Himmel und ein frischer Wind wie in diesen Tagen – für die Hamburger Außenalster ist es das perfekte Wetter: Der gut 164 Hektar große Stadtsee ist dann schon vormittags von weißen Segeln dominiert, die Restaurant-Terrassen am Wasser lange vor dem allgemeinen Büroschluss gut besucht. Wer hier Boote verleihen oder Kaffee ausschenken kann, dürfte eine Lizenz zum Gelddrucken besitzen, so scheint es. Aber wem gehört der aufgestaute Fluss mitten in der Me­tropole eigentlich, wie kommen Pächter an die beliebten Caféflächen und wer vergibt die Liegeplätze, die so rar sind, dass Eigner mit eigenem Boot oft ziemlich lange auf einen freien Platz warten müssen?

Tatsächlich sind hier die meisten Betriebe bereits lange im Besitz desselben Inhabers, teils seit Jahrzehnten. Doch wer mit Pächtern, Bootsverleihern, Segelschulen oder auch Gastronomen spricht, merkt schnell, dass die Sache mit dem leicht verdienten Geld dann doch nicht so einfach ist – eben weil es zumeist ein Saisongeschäft und abhängig von guten Wetterlagen ist. „Wir müssen in sieben Monaten unser Geld verdienen“, sagt etwa Calle Sibbert, Pächter der Segelschule Prüsse am Ostufer, die heute wie das gleichnamige Restaurant nebenan einer Erbengemeinschaft gehört und seit 1973 hier ansässig ist. Gesegelt wird seit einiger Zeit mit sehr stabilen holländischen Kieljollen, die mit ihren traditionellen Gaffelsegeln an historische Alsterbilder erinnern.

Die Stege und Anlagen werden unbefristet vermietet

Noch länger – nämlich mehr als 55 Jahre – gibt es die Segelschule Pieper, die sich als älteste Segelschule Hamburgs bezeichnet und etwas weiter südlich nahe dem Hotel Atlantic junge Segler ausbildet. Wobei sich die Anlage zum größten Teil auf einer Steganlage befindet - was bei den Betrieben hier sehr oft der Fall ist. Und diese Wasserlagen werden über die Umweltbehörde genehmigt, die Eigentümerin der eigentlichen Gewässerflurstücke entlang des Ufers ist. Die Genehmigung für die Stegbetreiber erteilt die Behörde unbefristet, aber nur „auf Widerruf“. Das bedeutet: Sollte die Stadt an dieser Stelle etwas anderes planen, kann die Genehmigung auch wieder verfallen.

Für die Nutzung der Steganlage bezahlen die Betriebe eine Gebühr: So kostet ein Zugangssteg laut Umweltbehörde etwa drei Euro pro Quadratmeter und Jahr, ein Restaurantbetrieb auf dem Wasser rund 35 Euro pro Quadratmeter Geschossfläche und Jahr. Für eine 100 Quadratmeter große Gastronomiefläche auf dem Wasser würden neben einer individuell ausgehandelten Pacht für den Landzugang also 3500 Euro fällig – pro Jahr wohlgemerkt. Das erscheint im Vergleich zu Mieten in anderen bevorzugten Lagen nicht eben viel. Allerdings müssen die Pächter die Stege und Anlagen dafür erhalten.

Mit diesem „Wasserrecht“ haben die Segelschulen, Vermieter und auch Vereine ein bestimmtes Kontingent an Liegeplätzen erhalten, die sie eigenständig verwalten können, aber auch erhalten müssen, heißt es aus der Behörde. Insgesamt gebe es derzeit 1250 Bootsliegeplätze, davon 530 bei den Vereinen. Und mehr dürften es in Zukunft wohl nicht werden.

1250 Bootsliegeplätze gibt es an der Außenalster

„Die Auslastung der Außenalster als Wassersport- und Erholungsrevier ist bereits sehr hoch und lässt nur noch wenig Freiraum für neue Anlagen“, sagt Behördensprecher Björn Marzahn. Die Folge: „Liegeplätze sind an der Alster rar“, heißt es beispielsweise bei Bobby Reich, wo Segelboote, aber auch selbst genutzte Liegeplätze vermietet werden. Man müsse schon warten, bis es wieder einmal einen Wechsel gebe und am besten im Herbst für die nächste Saison nachfragen. Nur die „Kajüte“, Restaurant und Stegbetreiber am Ostufer, meldet auf seiner Internetseite noch freie Liegeplätze, allerdings wird der Steg erst um zwölf Uhr mittags geöffnet – was das Segeln mit eigenem Boot am Morgen unmöglich macht.

Die eigentlichen Ufergrundstücke rund um die Außenalster indes sind der Behörde zufolge „fast ausschließlich“ im Besitz der Bezirke Mitte, Nord und Eimsbüttel, die teilweise an Gastrobetriebe verpachten oder Sondernutzungen zur Außengastronomie genehmigen. So zum Beispiel bei der Alsterperle am Ostufer und dem Red Dog am Westufer, die beide einmal kleine Backstein-Toilettenhäuschen waren – in wunderbarer Uferlage. Heute ist das eine Café und das andere Bar und Café mit ganz besonderem Charme. Die Pacht werde dabei nach „Nutzungskonzept und Gewinnerwartung individuell ermittelt“, heißt es beispielsweise im Bezirk Nord.

Nur am Langen Zug noch Privateigentümer am Wasser

Nur am Langen Zug, einem Alsterarm, gibt es laut Umweltbehörde noch einige private Eigentümer am Wasser. Aber eigentlich sind der Uferbereich und auch die Wege rund um die Außenalster städtisch und öffentlich. Und das hat viel mit der Alsteruferverordnung zu tun, die 1953 in der Amtszeit von Hamburgs Nachkriegsbürgermeister Max Brauer nach langen Diskussionen verabschiedet worden war und festschreibt, dass das Ufer der Alster Parkcharakter zu haben hat – was unmittelbar nach dem Krieg nicht der Fall war. Kleingärten, Gewerbe und private Villen-Gärten prägten vielerorts noch das Bild, Brauer setzte durch, dass Anfang der 50er-Jahre private Grundstücke aufgekauft und Villenbesitzer enteignet wurden – mit Entschädigung allerdings.

Wer heute am Ufer ein Geschäft betreibt, muss daher das Land in der Regel von der Stadt pachten: „Und Konzessionen und Pachten sind begrenzt. Das liegt in der Natur der Sache. Sie werden neu ausgeschrieben, wenn sie auslaufen“, sagt Daniel Gritz, Sprecher vom Bezirksamt Nord, in dessen Zuständigkeit die meisten Gastrobetriebe an der Alster fallen.

Besitzerwechsel sind selten

Doch tatsächlich ist ein Wechsel äußerst selten der Fall. Wer sich umschaut an der Alster, spricht in der Regel mit Gastronomen, die seit gut 20 Jahren dort sind. Selbst eher neue Läden wie das Red Dog gibt es seit 1996 in der lauschigen Ecke nahe der Krugkoppelbrücke. Auch das eher modern-mondäne Alster-Cliff blickt nun schon auf eine 21-jährige Geschichte zurück.

Und das kleine 50er-Jahre-Restaurantgebäude gegenüber mit dem fantastischen Blick über die Alster hinweg bis zur Elbphilharmonie wechselte vor bereits 26 Jahren den Pächter, heute sind Tretboot-Verleih und Restaurant unter dem Namen Hansa Steg zwei getrennte Betriebe. „Klar haben wir einen Saisonbetrieb“, sagt Restaurantinhaber Gunnar Wenzel. Aber bei gutem Wetter öffnet er auch an Winterwochenenden.

„Millionär wird man nicht“, sagt Bodo Windeknecht

Noch viel länger als die Restaurants aber haben viele Vereine ihren Stammsitz an der Alster. Mitte des 19. Jahrhunderts etablierten Hamburger Kaufleute dort zuerst das Rudern, wenig später das Segeln als Freizeitbeschäftigung nach britischem Vorbild. Den HSC gibt es dort seit 1892, den Norddeutschen Regattaverein sogar seit 1868. Zwei Bürgen muss man haben, um in der vornehmen Villa an der Schönen Aussicht Mitglied werden zu können. Auch der 1866 gegründete Ruder-Club Allemannia erinnert noch an Gepflogenheiten aus der Kaiserzeit: Mitglieder können nur Männer werden. Rudern kann man auf der Alster auch beim Hamburger und Germania Ruderclub, der sich mit dem Gründungsjahr 1836 rühmt.

Viele der sieben Bootsverleiher bieten gleichzeitig Bootslagerung und Gas­tronomie anbieten. Segelboote kann man dort mieten, aber auch Tretboote. Einige dieser Betriebe blicken auf eine lange Geschichte zurück. Das Familienunternehmen Bobby Reich etwa gibt es seit 1883 und ist aus einem Bootsbaubetrieb entstanden.

Und auch am Steg von Bodos Bootssteg werden seit 1871 schon Boote verliehen. 1957, mit gerade einmal 15 Jahren, hat Bodo Windeknecht dort als Bootsjunge angefangen. „Ich wollte segeln wie die Reichen“, sagt der wettergegerbte 77-Jährige und macht das heute noch selbst gerne. Als junger Mann fuhr er später zur See und fing dann als Bootsmeister bei dem Verleih wieder an. 1978 übernahm er den Betrieb. „Ein Saisongeschäft“, sagt auch er. Was im Sommer verdient werde, müsse im Winter wieder in den Erhalt der Anlage investiert werden. „Millionär wird man damit nicht“, sagt er.