Hamburg. Der auch wetterbedingte Sauerstoffmangel in Alster und Elbe setzt Tieren zu. Umweltschützer fordern Korrektur der Gewässerpolitik.
Mit Sonne und Hitze kommt auch das Verderben ins Wasser. Umweltschützer haben schon davor gewarnt, jetzt befürchtet auch die Hamburger Umweltbehörde das Schlimmste. Das Amt rechnet bei anhaltendem Sommerwetter mit einem „deutlich sichtbaren Fischsterben“ in vielen Gewässern. Die aktuellen Messwerte in Elbe, Alster und Teichen würden Anlass zur Sorge geben. Wegen hoher Lufttemperaturen und starken Sedimenteintrags nach Gewittern sank der Sauerstoffgehalt vielerorts bereits folgenreich unter die für Fische kritische Schwelle von vier Milligramm Sauerstoff pro Liter.
„Die Situation ist kritisch und wird sich in den kommenden Tagen weiter verschärfen“, sagt Behördensprecher Björn Marzahn. Wie berichtet waren am Wochenende schon tausende Fische im Wilhelmsburger Aßmannkanal verendet. Auch im Harburger Lohmühlenteich, im Kuhmühlenteich auf der Uhlenhorst sowie in Gewässern in Jenfeld und Lokstedt seien laut Behörde viele tote Tiere gemeldet worden. Grund sei jeweils der dramatisch gesunkene Sauerstoffgehalt im Wasser, der selbst größeren Fischen zu Schaffen mache. Während der Alster demnach wohl eine frühe Blaualgenblüte bevorsteht, wird in der Elbe mit einem massiven Fischsterben gerechnet.
Darauf ließen die aktuellen Messwerte schließen – allesamt unter der kritischen Grenze. So sei an der Messstation Bunthaus am östlichen Ende der Elbinsel Wilhelmsburg eine Konzentration von nur 2,8 Milligramm Sauerstoff nachgewiesen worden, an der Station Seemannshöft an der Hafeneinfahrt habe der Wert nur bei 1,3 Milligramm gelegen. Vor Blankenese sei es mit 1,5 Milligramm Sauerstoff pro Liter wenig erbauender. An der Alster lag der Wert bei 3,8.
An der Alster wird eine Blaualgenblüte erwartet
Die Wetterlage mache wenig Hoffnung auf Besserung. Hohe Temperaturen und befürchteter Starkregen verschlimmern die Situation eher, da weitere Sedimente in die Gewässer gespült würden. Neben dem drohenden Kippen von Alster und Elbe betreffe das Problem im Moment insbesondere kleinere Gewässerläufe, Teiche oder Rückhaltebecken mit niedrigen Wasserständen. An der Elbe dagegen wird das Drama noch erwartet.
Denn während sowohl die Elbfischer bei Geesthacht, als auch ihre Kollegen am Unterlauf des Stroms noch keine toten Fische aus ihren Netzen holen, bereitet Umweltschützern wie Umweltbehörde gerade der Strom große Sorge. Unter anderem, weil die Eingriffsmöglichkeiten dort gering seien. „Eine externe Sauerstoffanreicherung würde aufgrund des enormen Wasservolumens keine Abhilfe schaffen“, sagt Behördensprecher Marzahn. Gebangt werde vor allem um die Unversehrtheit wandernder Fische wie Meerforelle und Lachs oder Neunaugen.
Menschliche Einfgriffe sind der Hauptgrund des Dilemmas
Grundsätzlich, räumt die Umweltbehörde ein, seien menschliche Eingriffe der Hauptgrund des Dilemmas. Deich- und Hafenbau hätten das Profil des Flussbetts stark verändert und Flachwasserzonen zerstört. Nach wie vor werde im Lauf der Elbe zudem die Algenblüte mit hoher Nährstoffbelastung aus Landwirtschaft, und Klärwerken befördert. Um die Situation zu verbessern seien zwar mit der Ausweisung zahlreicher Naturschutzgebiete sowie klaren Regeln für das Einbringen von Kühlwasser einige Maßnahmen auf den Weg gebracht worden. Wie sich zeigt, reicht das aber nicht aus.
Dem pflichtet der BUND Hamburg bei. Lobend werden die verschärften Auflagen für Baggerarbeiten in den Sommermonaten erwähnt. „Trotzdem finden weiterhin Baggerarbeiten statt, um die Solltiefen im Hafen einzuhalten“, sagt Sprecher Paul Schmid. Und gerade in der Tiefe der Hamburger Elbe sehen Experten das Problem. Denn während die nun begünstigten Algen im Flachwasser sogar Sauerstoff produzieren würden, verrotten sie in den großen Wassertiefen des Hafens unter starkem Sauerstoffverbrauch.
Zuletzt gab es 2015 ein großes Fischsterben
Die hohe Sedimentfracht der Elbe habe dazu geführt, dass immer mehr Flachwasserzonen verloren gehen, beklagt der BUND. Seit der vorerst letzten Elbvertiefung 1999 habe diese Entwicklung deutlich zugenommen. Belegbar sei auch ein Anstieg der Tage, an denen die Sauerstoffwerte der Elbe unter die fischkritische Grenze fallen.
Zuletzt war ein größeres Fischsterben im Juni/Juli 2015 sowie im Juli 2014 in der Elbe beobachtet worden. Tiere im Gesamtgewicht von etwa 100 Tonnen mussten seinerzeit tot aus der Elbe geborgen werden. Grund damals: ebenfalls Sauerstoffarmut wegen hoher Temperaturen und enormer Algenblüte.
Bezirke nehmen Meldungen über verendete Fische entgegen
„Das Verschwinden der Flachwasserzonen sorgt dafür, dass die Tideelbe kaum noch derart warme und trockene Wetterlagen abpuffern kann“, mahnt Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg. Auch eine erneute, derzeit gestoppte Kühlwasserentnahme durch das Kohlekraftwerk Moorburg würde die Sauerstoffsituation verschlechtern. Braasch: „Der Tideelbe geht es schlecht.“ Die Stadt müsse ihre Gewässerpolitik korrigieren.
Akut sind in den Bezirken Telefone geschaltet, um Meldungen über verendete Fische entgegenzunehmen. Laut Umweltbehörde sei es bei einem Fischsterben wichtig, schnell die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten.
Wer Fischsterben beobachtet, kann folgende Telefonnummern wählen: Altona 040 42811-2069, Bergedorf 040 42891 4343, Eimsbüttel 040 42801-3406, Mitte 040 42854-4749, Nord 040 42804-6106, Harburg 040 42871-2383, Wandsbek 040 42881-3164