Hamburg. Der Abriss des Deutschlandhauses ist beschlossene Sache. Der Neubau könnte bereits in drei Jahren eröffnen.
Es ist eines der markantesten Gebäude in der Innenstadt: das Deutschlandhaus am Gänsemarkt. Entsprechend umstritten ist der von der Stadt genehmigte Abriss des 1929 errichteten Gebäudes, das im Zweiten Weltkrieg beschädigt und anschließend wieder aufgebaut wurde. Nach Abendblatt-Informationen soll der Abriss schon Anfang 2019 beginnen.
Am Donnerstag stellen Oberbaudirektor Franz-Josef Höing und Stararchitekt Hadi Teherani, dessen Entwurf den Zuschlag erhielt, die Planungen für den Neubau in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen vor. Dieser wird sich – ebenso wie der Altbau – vom Valentinskamp über die Dammtorstraße bis zur Drehbahn erstrecken. Eigentümer des Grundstücks und Projektentwickler des Neubaus ist die Hamburger ABG-Unternehmensgruppe.
Zuvor hatte die ABG einen Architektenwettbewerb durchgeführt, an dem sich fünf Büros beteiligt hatten. Dem Vernehmen nach musste Architekt Teherani auf Wunsch des Oberbaudirektors noch einige Veränderungen an seinem Entwurf vornehmen. Die Fassade sieht dem heutigen Gebäude mit der Rotklinkerfassade ähnlich. Der Abriss soll unter anderem wegen der schlechten Bausubstanz notwendig sein. Denkmalschutz besteht nicht.
Büros, Einzelhandel und Wohnungen geplant
Die Baugenehmigung wird nach Abendblatt-Informationen bis Ende 2018/Anfang 2019 erwartet. Bis Mitte 2021 soll in der 1-a-Lage der rund 40.000 Quadratmeter große Neubau entstehen. In den Gebäudekomplex sollen erneut Büros einziehen, im Erdgeschoss ist Einzelhandel und Gastronomie geplant. Außerdem sollen zum Valentinskamp hin 30 Wohnungen gebaut werden. Auch eine Tiefgarage ist vorgesehen.
Viele Büro- und Einzelhandelsflächen im Deutschlandhaus stehen bereits leer. Die verbliebenen Mieter, darunter die Commerzbank, sollen im Laufe des Jahres ausziehen.
Politik unterstützt Abrisspläne
Die Politik unterstützt die Abrisspläne: „Das Deutschlandhaus hat aufgrund seiner extrem vielen Veränderungen mit dem Ursprungshaus nur noch wenig zu tun und ist daher von der Kulturbehörde auch nicht als Denkmal eingestuft worden“, sagte SPD-Fraktionschef und Stadtentwicklungsexperte Dirk Kienscherf dem Abendblatt und formuliert seine Erwartungen an die Architektur: „Es kommt darauf an, dass ein Neubau der besonderen städtebaulichen Lage am Gänsemarkt gerecht wird.“
Für den Grünen-Fraktionschef in der Bezirksversammlung, Michael Osterburg, steht fest: „Den neuen Entwurf finden wir sehr gelungen. Dieser versucht den historischen Ort würdig zu beschreiben und gleichzeitig die modernen Anforderungen an Büro, Einkauf und Wohnen zu verbinden.“ Weil der Neubau am heutigen Donnerstag präsentiert wird, wollte sich ein ABG-Sprecher nicht vorab zu den Planungen äußern. Auch Architekt Teherani war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Die Abrisspläne treffen nicht nur auf Zustimmung
Wie berichtet, hat der genehmigte Abriss nicht nur bei Denkmalschützern und Denkmalrat für Kritik gesorgt. Auch Zeitungen wie die „Süddeutsche“ und die „Frankfurter Allgemeine“ äußerten Unverständnis angesichts der Entscheidung. Der Bund Deutscher Architekten (BDA) fordert im Hinblick auf den Abbruch des Deutschlandhauses am Gänsemarkt und des City-Hofs am Klosterwall, dass der Umgang mit dem baulichen Erbe der Stadt rechtzeitig und öffentlich diskutiert werden müsse. „Stadterneuerung ist ein gesellschaftspolitisches Thema“, heißt es in einem Schreiben des BDA Hamburg.
Das gelte insbesondere, wenn die baulichen Veränderungen mit dem Verlust von „stadtbildprägenden“ Bauten einhergingen. Oft würden Abrissgenehmigungen erst durch die Presse bekannt. Für eine offene Diskussion und für mögliche Alternativen sei es dann meist zu spät. „Abrissentscheidungen hinter verschlossenen Türen sind nicht mehr zeitgemäß“, sagt der erste Vorsitzende Daniel Kinz. „Die Frage nach dem baukulturellen Wert eines Gebäudes muss gestellt werden, bevor der Verwertungsdruck so hoch ist, dass die Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen gestellt wird.“
Medien werfen Hamburg "bizarre" Stadtplanung vor
„Stadtplanung mit dem Taschenrechner“ wirft die „Süddeutsche Zeitung“ Hamburg vor. Die Stadt liefere mit der Abriss-Freigabe „ein schlagendes Beispiel“ dafür, dass „weder Vernunft noch Kulturverständnis und schon gar nicht das bürgerliche Sentiment einer Stadt eine Rolle spielen, wenn es in Deutschland um Bauen geht“. Sobald ein Investor in der City investieren wolle, knickten die Behörden ein „wie in einem Beichtstuhl“.
Die „Frankfurter Allgemeine“ nennt den Vorgang, dass der Abriss des Deutschlandhauses für die Kulturbehörde „im kriegsbedingt an Kulturerbe armen Hamburg“ unumgänglich zu sein scheine,„bizarr“. Gerade in der Innenstadt zeichne sich ab, dass „ein zunehmend verglastes, lediglich Investorenwünschen folgendes, geschichtsvergessenes Konglomerat von Funktionsarchitektur“ eine „Illusion von Stadt abgeben soll“.