Hamburg. Audio, Influencer, Big Data: Mit den Online Marketing Rockstars ist Hamburg Schauplatz eines digitalen Ereignisses mit Weltrang.
Model Lena Gercke ist vor wenigen Minuten davongestöckelt, „Höhle der Löwen“-Investor Frank Thelen gerade erst eingetroffen. Und in einer halben Stunde wird Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Springer-Verlags, erwartet.
Das Kommen und Gehen von großen Namen ist normal an diesem Donnerstag in den Hamburger Messehallen. Die Online Marketing Rockstars, kurz OMR, haben begonnen, und die bekommen fast jeden Vortragenden, hier Speaker genannt, den sie sich wünschen.
Das ist ungewöhnlich für eine Messe – das Wort passt für die OMR gerade noch so – die erst vor sieben Jahren mit 200 Leuten begann. Jetzt sind 40.000 Teilnehmer dabei, und Hamburg, nicht Berlin, ist Schauplatz eines digitalen Ereignisses mit Weltrang. Bei dem man auch Technik-Nerds und Hipster treffen kann, Männer mit Vollbärten sowieso.
„Digitales Marketing ist in Unternehmen angekommen“
Aber die OMR darauf zu reduzieren, wäre falsch, wie auch bei derart vielen Besuchern. „Das digitale Marketing ist längst in voller Breite in den Unternehmen angekommen“, sagt Jan Bechler von den OMR, und dass das Durchschnittsalter der Teilnehmer bei Ende 30 liege.
Sie kommen, um zu erfahren, was es Neues gibt in der Online-Welt, drängeln sich wie Besucher anderer Messen an vielen bunten, blinkenden Ständen vorbei und warten artig auf Einlass zu den Vorlesungen, den Masterclasses. Die Leute sind aber auch da, um Spaß zu haben, was man spätestens dann merkt, wenn auf der Herren-Toilette ein junger Mann gleich fünf der dort ausliegenden Kondompackungen mitnimmt. Rockstars halt.
Einer der vielen Sponsoren, die OMR-Chef Philipp Westermeyer und sein Team für Hamburg besorgt haben, gehörte am ersten Tag dann auch gleich zu den wichtigsten Gesprächsthemen. Richtig, es ging oft und viel um Facebook in den Gängen der Messehallen. Und natürlich sprach auch Westermeyer zur Eröffnung über die Facebook-Affäre.
OMR-Chef spricht über Datenmissbrauch
Er hofft, dass die zu einer stärken Auseinandersetzung darüber führt, was heutzutage alles in Sachen Daten möglich ist. „Viele reden jetzt über den Datenmissbrauch bei Facebook und tragen zugleich ein Telefon in der Tasche, das jede einzelne Bewegung aufzeichnet.“
Die OMR allein zeigen dabei, wie unglaublich schnell sich die Internetbranche entwickelt hat. „Das ist so eine Art Goldrausch, und da kommen auch Leute, die das schnelle Geld wollen und keine moralische Verantwortung haben“, sagt Westermeyer.
Für den obersten Rockstar hatte der Stress schon am Donnerstag begonnen. Denn die OMR nehmen nicht nur große Teile der Messehallen in Beschlag. Überall in der Stadt finden kleinere Treffen statt, insgesamt gibt es 120 dieser sogenannten Side Events.
Side Event bei bei Star-Koch Kevin Fehling
Für das vielleicht wichtigste hatte Westermeyer am Donnerstagabend Hamburgs bestes Restaurant The Table mit Chefkoch Kevin Fehling gemietet. Normalerweise haben dort an einem Tisch nur 20 Personen Platz, die OMR durften mit fünfmal so vielen Gästen kommen. Gegessen wurde im Stehen ...
Heute geht es in den Messehallen mit einer großen Konferenz und nicht weniger großen Konzerten weiter, unter anderem tritt die Hamburger Hip-Hop-Gruppe Deichkind auf. Spätestens dann, wenn sich die OMR ihrem Ende nähert, werden Westermeyer und die Seinen nach vorn blicken und sich die Frage stellen: Wie geht es weiter?
Wenn man die Entwicklung der Teilnehmerzahlen aus den vergangenen Jahr fortschreibt, könnten 2019 mehr als 60.000 Besucher nach Hamburg kommen. Wollen die Rockstars so groß werden? Oder liegt die Zukunft nicht eher in mehr kleineren Veranstaltungen wie jener in The Table, wo man sich noch besser kennenlernen und netzwerken kann?
Metallica-Drummer Lars Ulrich auf der Messe
So oder so: „Die Online Marketing Rockstars sind für Hamburg sehr wichtig geworden“, sagt Wirtschaftssenator Frank Horch. Kultursenator Carsten Brosda wird am Freitag auf der Messe unter anderem Lars Ulrich von Metallica treffen. Und die Bundespolitik? Wäre in diesem Jahr sehr gern dabei gewesen, wenn die Regierungsbildung nicht so lange gedauert hätte. Selbst Gesundheitsminister Jens Spahn kam am Ende trotz Zusage nicht nach Hamburg. Hinter den Kulissen rechnet man fest damit, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel 2019 dabei sein wird.
Und dann holt vielleicht auch der New Yorker Marketing-Professor Scott Galloway seinen Besuch nach. Er muste angesichts der schwierigen Witterungsbedingungen in seiner Heimatstadt den Trip nach Hamburg absagen. Was allein schon deshalb schade war, weil Galloway zu den schärfsten Kritikern der Online-Konzerne gehört – und zuletzt wie kein anderer über das Krisenmanagement bei Facebook geätzt hatte ...