Hamburg. Philipp Westermeyer spricht über „Influencer“, Teslas Weltraumraketen und seine großen Pläne in der Hansestadt.

2011 rief Medienmanager Philipp Westermeyer die „Online Marketing Rockstars“ (OMR) ins Leben. Im Interview sagt der 39-Jährige, warum der Einzelhandel und auch Politiker am Digitalmarketing nicht mehr vorbei­kommen – und wie man heute die größte Aufmerksamkeit erzeugt.

Herr Westermeyer, haben Sie erwartet, dass aus den OMR jemals ein solches Mega-Festival wird?

Philipp Westermeyer: Nee, überhaupt nicht. Ich habe das eher als Hobby gesehen. Aber nach dem zweiten oder dritten Mal hab ich gemerkt, auf was für einer Welle wir da surfen. Als wir angefangen haben, waren Google oder Facebook zwei Firmen unter vielen. Heute sind sie mit die wichtigsten Firmen der Welt. Parallel dazu ist das Digitalmarketing von einem Nischenthema in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Heute werden damit US-Präsidenten gemacht.

Was nicht nur gute Ergebnisse zeitigt. Wie funktioniert das Digitalmarketing?

Westermeyer: Erstens: Prominenz wird in der digitalen Welt stärker belohnt als früher. Wer prominent ist, hat eine hohe Reichweite durch viele Follower bei Twitter, Insta­gram, oder Facebook. Und so kann er die Menschen direkt ansprechen und sich unabhängig von den klassischen Medien machen. Zweitens: All die neuen Plattformen sind so gebaut, das „Engagement“ also Likes, Kommentare, usw. wichtig sind. Leider ist es so, dass extreme Meinungen mehr Engagement nach sich ziehen und daher öfter angezeigt werden als moderate Beiträge, das begünstigt Extreme. Ich glaube, künftig werden Spitzenpolitiker aber auch Stars aus der Musikbranche oder Sport selbst Redakteure einstellen, um ihre eigenen Medienkanäle zu bespielen.

Das sind keine guten Nachrichten für die klassischen Medien.

Westermeyer: Natürlich ändert sich etwas, auch geht ein Teil der Werbebudgets ins Netz. Aber klassische Medien verdienen immer noch sehr gutes Geld. Für guten Lokaljournalismus, wie das Abendblatt ihn macht, wird es immer Nachfrage geben. Die Menschen interessiert, was in ihrer Stadt passiert. Wichtig ist es, die Erlösmodelle immer neu anzupassen.

Aber die Werbeerlöse streichen künftig wohl vor allem die Menschen ein, die Millionen „Follower“ in den sozialen Netzwerken haben, also die sogenannten Influencer.

Westermeyer: Die Influencer werden immer wichtiger. Dabei geht es nicht nur um Leute, die Millionen Follower haben, sondern zunehmend auch um die, denen „nur“ 300.000 Menschen folgen oder weniger.

Was bekommen „Influencer“ für Postings, in denen sie Produkte empfehlen?

Westermeyer: Superstars wie Lena Gercke sind es gewohnt, mit mittleren fünfstelligen Summen, also 20.000 und mehr, zu arbeiten für ein Gesamtpaket. Andere fangen mit ein paar Hundert Euro an.

Musik und Medienbranche sind als erste von den Veränderungen der Digitalisierung betroffen gewesen. Wen trifft es als nächstes?

Westermeyer: Ich denke, den Handel. Das hat längst angefangen mit Amazon und anderen, und da wird sich viel verändern. Insgesamt hat Deutschland den großen Vorteil, dass hier die sogenannten B-to-B-Geschäfte (Business-to-Business), also der Handel zwischen Unternehmen, eine sehr große Bedeutung haben. Diese Firmen sind von den Veränderungen, die Amazon, Google oder Facebook auslösen, weniger betroffen. Der klassische Einzelhandel selbst wird sich aber schon auf massive Veränderungen einstellen müssen.

Müssen Firmen sich künftig Google, Facebook und Amazon ausliefern, um an ihre Kunden heranzukommen?

Westermeyer: Mit der Frage werde ich mich in einem Vortrag befassen. Sie müssen ganz neue Strategien entwickeln. Aktuell bedeutet das, stark darauf zu achten, eine enge eigene Beziehung zu seinen Kunden zu haben. Daher bieten selbst Autofirmen jetzt Abo-Modelle – sogar Porsche.

Ein Porsche-Abo?

Westermeyer: Da zahlst du 4000 Euro für eine App und kannst jeden Tag einen anderen Porsche fahren. Im Lebensmittelbereich sind die Kochzutaten-Pakete von HelloFresh ein Beispiel. Abomodelle haben den Vorteil, dass du die Kunden direkt ansprechen kannst und sie hältst. Das Zweite, was sich ändert, ist die PR.

Nämlich wie?

Westermeyer: Früher haben Firmen Pressemitteilungen geschrieben und gehofft, dass die in Medien übernommen werden. Heute machen Leute wie Elon Musk von Tesla dauernd total absurde größenwahnsinnige Aktionen, zum Beispiel schießt Musk einen Tesla ins All, oder was weiß ich. Und damit erzeugt er eine Wahnsinns­resonanz im Netz und dann auch in den klassischen Medien. Das ist alles total absurd, funktioniert aber perfekt.

Nicht jeder kann Autos ins All schießen.

Westermeyer: Es gibt auch andere Methoden. Die Modefirma About You verleiht auf einer Gala jedes Jahr einen Preis für Mode-Influencer. Da kommen 800 Leute. Die Gala selber ist nicht so wichtig. Aber nachher posten die Leute wie verrückt Selfies und andere Bilder vom Abend, und so werden Tausende aus der relevanten Zielgruppe erreicht. Das schafft einen enormen Mediawert.

Wie geht es weiter mit OMR? Bleiben Sie in Hamburg ?

Westermeyer: Wir sind Hamburg total verbunden. Wir haben auch das Gefühl, Hamburg steht voll hinter uns. Anders wäre es nicht möglich, die OMR zu einem weiter wachsenden Digitalevent auf Weltniveau zu machen. Das ist unser Plan – und eine echte Chance für die Stadt.