Hamburg. Viele Senioren schätzen die Kantine für ihre preiswerten Gerichte. Sogar der New York Times ist das Lokal einen langen Artikel wert.

Die Hansestadt hat es als liebenswerte, lebendige und trendige Stadt ja schon in zahlreiche internationale Medien geschafft. Nun guckt die Welt – naja, zumindest New York – sogar auf die Kantine des früheren Ortsamts in Billstedt. Worüber bislang nur regional berichtet wurde, war der New York Times einen langen Artikel wert: Das in die Jahre gekommene Betriebsrestaurant soll im Juni geschlossen werden, weil dem Bezirk Hamburg-Mitte die auf knapp zwei Millionen Euro geschätzte Sanierung zu teuer ist.

Seit dem das Ortsamt vor wenigen Jahren aufgegeben wurde und dort nur noch das Kundenzentrum untergebracht ist, essen kaum noch Mitarbeiter in der Kantine; stattdessen ist sie zu einem beliebten und wichtigen Treffpunkt für Billstedter Senioren geworden. Und genau das macht den Ort, der sich Restaurant Billstedt nennt, so besonders. Denn wo sonst bekommen Menschen mit einer bescheidenen Rente mittags noch traditionelle deutsche Gerichte?

In Billstedt gibt es sonst keine deutsche Küche

Im migrantenreichen Billstedt gäbe es zwar zahlreiche Kebabs, drei Chinesen und verschiedene Italiener, zitiert die New York Times die Hamburgerin Karin Ahlf, die seit 20 Jahren in der Kantine zu Mittag isst. „Doch seit Karstadt geschlossen hat, bietet niemand mehr deutsche Küche an.“ Hackbraten, Forelle mit Salzkartoffeln, Linsensuppe – dafür stehen die Senioren schon einmal eine halbe Stunde in der Schlange an. Wer nicht gut zu Fuß ist, bekommt das Essen serviert. Und denjenigen, denen der Umgang mit Messer und Gabeln schon schwer fällt, schneidet Betreiber Stephan Kulosa das Essen auch mal in mundgerechte Stücke.

So erfolgreich und beliebt er bei den Senioren ist – Mitarbeiter aus dem Haus lassen sich bei ihm kaum noch blicken. Und genau das ist das Problem. „Es handelt sich um eine Behördenkantine für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht mehr benötigt und daher geschlossen wird“, sagt Bezirksamtsleiter Falko Droßmann. Ende Juni soll Schluss sein für Kulosa, der die Kantine vor 22 Jahren übernommen hat und hier Frau, Bruder und manchmal auch seine Tochter beschäftigt. Was sie servieren, bereiten sie selber zu, ohne Instantprodukte und künstliche Zusätze.

Mehr als 1000 Menschen unterschrieben Petition

Das kommt gut an bei seinen Gästen, von denen die meisten regelmäßig kommen. Etwa 200 bis 300 Essen hat er normalerweise pro Tag rausgegeben. Seit im Herbst vergangenen Jahres bekannt wurde, dass er schließen muss, hat sich das geändert. „Mittlerweile gibt es einen richtigen Hype und ich habe 20 Prozent Zuwachs“, sagt Kulosa. Die Nachricht von der bevorstehenden Schließung habe sich wie ein Lauffeuer verbreitet – viele Gäste hätten sich bei der Bezirkspolitik und beim Wochenblatt beschwert, sogar eine Petition mit mehr als 1000 Unterschriften wurde initiiert.

Dass sich auch die New York Times für seine Kantine interessiert, habe er anfangs für einen Scherz gehalten, so Kulosa. "Die Autorin erzählte mir, dass auch in Amerika immer mehr Restaurants für ärmere Menschen geschlossen werden, deshalb fand sie auch unseren Fall interessant." Er ist sowohl auf das Engagement seiner Gäste, aber auch auf den Artikel in der New York Times unglaublich stolz. Den er selbstverständlich einrahmen wird.

Die Politik prüft andere Standorte im Stadtteil

Mittlerweile treibt die Billstedter Kantine auch die Bezirkspolitik um. SPD und Grüne aus Hamburg-Mitte wollen nach anderen Standorten im Stadtteil suchen. „Wichtig ist, diese Kantine nicht einfach abzuhaken“, sagt Dirk Kienscherf von der SPD. Es müsse geprüft werden, ob die Sanierung auch weniger teuer ausfallen könnte; derzeit würden Gespräche geführt.

Die New York Times hat mit Jennyfer Dutschke von der FDP gesprochen, die den Artikel bei Facebook gepostet hat – und damit weiter zur Popularität der Betriebskantine in Billstedt beiträgt. Dutschke hatte kritisiert, dass ältere Menschen in politischen Debatten oft unterrepräsentiert wären – vielleicht, weil sie weniger kaufkräftig und einflussreich seien. „Wir müssen häufiger und intensiver darüber nachdenken, was wir für ältere Menschen tun können“, sagte sie dem amerikanischen Blatt. Dazu könne auch gehören, Orte zu unterstützen, die dem sozialen Austausch dienten. Wie die Kantine in Billstedt.