Hamburg. Zwischen Dealern, Spielhallen und Wettbüros fühlen sich viele weibliche Passanten unwohl. Polizei spricht von subjektivem Gefühl.

Drogenhandel, Gewalt und verbotene Prostitution – das Umfeld des Hauptbahnhofs macht regelmäßig Schlagzeilen als krimineller Brennpunkt der Stadt. Laut Kriminalstatistik der Polizei gehört St. Georg zu einem der gefährlichsten Stadtteile Hamburgs. Und so scheint es wenig überraschend, wenn Anwohner und Berufstätige in St. Georg immer wieder klagen, dass sie sich rund um Hansaplatz, Steindamm und Hauptbahnhof nicht sicher fühlen – vor allem Frauen. Doch ist diese Angst auch begründet?

Der Hansaplatz und die benachbarten Seitenstraßen sind einer der Schwerpunkte in St. Georg, an denen die Polizei verstärkt Personenkontrollen durchführt. Hier stoßen die Beamten auf Trinker, Dealer, Drogenabhängige und Prostituierte. Bis zu 150 Personen halten sich laut Polizeiangaben hier zu Spitzenzeiten im Sommer auf. Bei Anwohnern ist vor allem der Lärm durch die Trinkerszene und die mangelnde Sauberkeit ein Thema.

Eine Personenkontrolle am Hansaplatz, Ecke Bremer Reihe. Die Polizei zeigt in St. Georg Präsenz
Eine Personenkontrolle am Hansaplatz, Ecke Bremer Reihe. Die Polizei zeigt in St. Georg Präsenz © © Michael Arning | © Michael Arning

Hier betreibt Karina Orta seit eineinhalb Jahren das Restaurant Arepa. „Ich arbeite nie allein“, sagt die 36-Jährige. Mindestens einen ihrer drei Angestellten habe sie sicherheitshalber immer mit im Lokal. Hin und wieder komme es zu Auseinandersetzungen mit Trinkern, die sich daran störten, wenn sie keinen Alkohol bei ihr bekämen, berichtet die Wirtin. „Aber man darf sich auch nicht provozieren lassen.“ Und dennoch nehme sich Orta nachts nach Feierabend immer ein Taxi, um die knapp zwei Kilometer nach Hause in Hohenfelde zu fahren.

Polizei spricht von subjektivem Unsicherheitsgefühl

Laura M., die ihren vollen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte, lebt mit ihrem Freund und dem kleinen Sohn seit zwei Jahren in St. Georg. Die junge Mutter schiebt den Kinderwagen fast täglich den Steindamm entlang. Doch versuche sie, vor allem den Bereich zwischen Steintorplatz und Kreuzweg zu meiden. „Es sind zu viele Männer auf der Straße geworden“, sagt die 28-Jährige. „Als Frau fühle ich mich unwohl, hier allein entlangzugehen.“ Zwar sei sie nie belästigt oder angegriffen worden, doch störten sie die vielen Spielhallen und Wettbüros, die überwiegend männliches Klientel anziehen.

Beschwerden wie die der jungen Mutter kennt Wolfgang Schüler. Als Quartiersmanager am Steindamm arbeitet er daran, das Schmuddel-Image des Viertels aufzupolieren. Nicht zuletzt durch den Zustrom an Flüchtlingen hätten sich die Passantenzahlen am Steindamm seit 2015 in der Tat mehr als verdoppelt. „Aber es ist ein friedliches Miteinander“, sagt Schüler. Fälle von Belästigung und Gewalt seien ihm nicht bekannt. „Ich frage die Leute fast täglich, was zu diesem Gefühl des Unwohlseins führt, aber ich bekomme keine konkreten Antworten.“

Auch die Polizei vor Ort kann keinen Anstieg der Straftaten am Steindamm verzeichnen. Fälle sexueller Belästigung seien sogar so gering, dass sie keine Vergleiche zuließen. „Am Steindamm befinden sich überwiegend Geschäfte, die einen Bezug zur Türkei und den Ländern des Nahen Ostens haben“, sagt Olaf Sobotta, Leiter des Polizeikommissariats am Steindamm. „Insbesondere nach dem Freitagsgebet und in den Sommermonaten kommt es dort bis in die Abendstunden hinein zur Bildung größerer Männergruppen, wie sie für den dortigen Kulturkreis üblich sind.“ Menschen, die aus anderen Stadtteilen oder von außerhalb an den Steindamm kämen, fühlten sich mitunter von der Situation überfordert, so Sobotta. Das könne zu einem subjektiven Gefühl von Unsicherheit führen.

Der Weg zur Arbeit führt Stefanie G. aus Othmarschen – auch sie möchte lieber anonym bleiben – jeden Morgen vom Hauptbahnhof hinter den Hühnerposten. Die 36-Jährige beklagt, dass sich seit einigen Monaten vermehrt Drogenabhängige rund um die Anlaufstelle Drob Inn Spritzen setzen und Crack rauchen würden. „Es gibt Szenen, die verstören mich jeden Tag“, sagt sie. Die Angestellte im Gesundheitswesen habe sogar Angst, von den Männern im Rausch angegriffen zu werden.

Bezirk: Bahnhofsviertel wird nie Bad Pyrmont werden

Dass sich Drogenabhängige auch in den Grünanlagen vor der Hilfseinrichtung aufhielten, sei in der Tat ein Problem gewesen – allerdings zuletzt in den Sommermonaten, sagt Christine Tügel vom Verein Jugendhilfe. Die Polizei, die sonst regelmäßig das Gelände am Drob Inn kontrolliere, sei die Wochen rund um den G20-Gipfel Anfang Juli weniger präsent gewesen. „Inzwischen hat sich die Situation wieder entspannt, die Menschen halten sich nicht mehr in den Grünanlagen auf.“

Die Ängste der Frauen findet Sorina Weiland, Sprecherin des zuständigen Bezirksamtes Mitte, durchaus verständlich. „Es ist aber nicht so, dass man sich nicht mehr nach St. Georg trauen könnte. Die Polizei ist sehr präsent.“ Der Bezirk arbeite mit Anwohnern und Geschäftsleuten daran, die Situation zu verbessern. „Es handelt sich aber um das Bahnhofsviertel einer Großstadt, das nie wie Bad Pyrmont werden wird“, sagt Weiland.

Rund 500.000 Menschen durchliefen den Hamburger Hauptbahnhof jeden Tag, was natürlich viele Randständige anziehe, meint auch Polizeioberrat Sobotta. Komme es tatsächlich zu Vorfällen, rät er, sofort zur Polizei zu gehen. „Wir nehmen jede Anzeige und Beschwerde ernst und gehen den Hintergründen nach.“