Hamburg. 200 Mitarbeiter der Reederei bangen um ihre Jobs, HHLA und Eurogate stoppen Abfertigung. Die wichtigsten Antworten zur Hanjin-Pleite.

Die lang anhaltende Schifffahrtskrise hat zu einer ersten Großpleite geführt. Die südkoreanische Reederei Hanjin Shipping hat Insolvenzantrag gestellt, weil die Staatsbanken dem Unternehmen weitere finanzielle Unterstützung verweigern.

Hanjin Shipping ist die siebtgrößte Reederei weltweit. Die Folgen der Insolvenz sind für den weltweiten Handel immens. Der Hamburger Hafen ist besonders betroffen, weil Hanjin hier seine Europa- und Deutschlandzentrale hat. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Konkurs des Schifffahrtsunternehmens und den Folgen.

Warum ist Hanjin Shipping zahlungsunfähig geworden?

Alle großen Reedereien haben vor Beginn der weltweiten Schifffahrtskrise 2008 aufgrund der gut laufenden Geschäfte bei den Werften zahlreiche neue Schiffe bestellt. Da die Abarbeitung der Bestellungen zwei bis drei Jahre dauert, wurden die Schiffe aber erst fertiggestellt, als die Krise bereits ausgebrochen war und die Frachter nicht mehr gebraucht wurden. Die Folge waren Überkapazitäten, unter denen auch Hanjin Shipping in den vergangenen Jahren litt.

Hinzu kam, dass die Frachtraten aufgrund der Überkapazitäten und einer geringeren Transportnachfrage extrem gesunken sind. Insbesondere auf der Strecke zwischen Fernost und Europa, auf der Hanjin einen bedeutenden Marktanteil hat, waren die Raten zuletzt eingebrochen.

Kostete der Transport eines Containers von Shanghai nach Europa zwischenzeitlich 1100 US-Dollar, erhalten die Reedereien derzeit im Schnitt 690 US-Dollar. Damit liegen die Frachtpreise zum Teil unter den Transportkosten. Ende 2015 war der Schuldenberg von Hanjin auf umgerechnet rund 4,5 Milliarden Euro angestiegen.

Was sind die direkten Folgen der Pleite?

Sofort als bekannt wurde, dass Hanjin zahlungsunfähig ist, begannen einzelne Häfen damit, dem Schifffahrtsunternehmen den Zugang zu verweigern. Sie fürchten, dass das Unternehmen ihnen die Gebühren nicht mehr bezahlen kann. In Rotterdam erhält das Unternehmen keinen Schiffstreibstoff mehr. Terminalbetreiber in verschiedenen Häfen weigern sich, Hanjin-Schiffe abzufertigen, und betrachten Verträge als gekündigt. Die Lieferkette der Reederei zwischen Asien und Europa ist zusammengebrochen.

„Unser Unternehmen bewegt weltweit 1,5 Millionen Container am Tag. Das ist jetzt ins Stocken geraten“, sagt Patrick C. H. Won, Deutschland-Chef der südkoreanischen Reederei. Das werde sich auch in Deutschland bemerkbar machen. Hier habe Hanjin einen Marktanteil im Lieferverkehr mit Fernost von sieben Prozent.

Welche Bedeutung hat Hanjin für Hamburg?

Der Hafen der Hansestadt ist ein bedeutender Standort für Hanjin. Die südkoreanische Reederei hat hier ihre Europa- und Deutschlandzentrale – mit annähernd 200 Mitarbeitern. Fast täglich kommt ein im Liniendienst verkehrendes Hanjin-Schiff in der Hansestadt an. Mit einem Ladungsaufkommen von mehr als 200.000 Standardcontainern (TEU) im Jahr gehört das Unternehmen zwar nicht zu den allergrößten, aber zu den zehn größten der Hamburger Schifffahrtskunden.

Die Koreaner bedienten den Hafen bisher mit acht Liniendiensten, davon vier im Rahmen der Reederei-Allianz CHKYE, zu der bisher Cosco, Hanjin, K Line, Yang Ming und Evergreen gehörten. Die wegfallenden Dienste müssen jetzt von den Partnerreedereien aufgefangen werden.

Welche Auswirkungen hat die Insolvenz aktuell auf Hamburg?

Sofort als am Dienstagabend erste Meldungen über die Zahlungsunfähigkeit von Hanjin aufkamen, stoppten die Hamburger Umschlagbetriebe HHLA und Eurogate die Abfertigung. „Die Terminals haben ohne Rücksprache mit uns eigenmächtig ihre Verträge mit Hanjin gekündigt. Unsere Container werden nur noch gegen Bargeld verladen“, sagte Deutschland-Chef Won dem Abendblatt.

Die Kunden versuchten derzeit bei den Terminals, „mit hohen Summen“ ihre Container gegen Barzahlung auszulösen. Die Folge: Der Import stocke, der Export sei komplett zum Erliegen gekommen, so Won. So lag gestern immer noch die „Hanjin Europe“ am Containerterminal Eurogate, weil die Verladung nicht vorankam. Das 366 Meter lange Schiff mit einer Kapazität von 13.000 Standardcontainern liegt seit Montagabend im Hamburger Hafen und hätte bereits am frühen Mittwochmorgen auslaufen sollen.

Ob Hamburg anderen Häfen folgt und Hanjin-Schiffen künftig den Zugang verwehrt, wollte die Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) nicht bekannt geben. Ein HPA-Sprecher sagte lediglich: „Welche Auswirkungen die Insolvenz der Reederei Hanjin auf den Hamburger Hafen hat, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen.“

Wie geht es mit Hanjin in Hamburg jetzt weiter?

Der Chef des deutschen Tochter-Unternehmens geht davon aus, dass er auch für dieses bald Insolvenz anmelden muss. Das werde aber erst in der kommenden Woche geschehen, wenn die koreanischen Gerichte den Insolvenzantrag der Konzernmutter annehmen. „Wir arbeiten intensiv daran, die Auswirkungen für unsere Kunden so gering wie möglich zu halten“, so Won. Noch gebe es eine leise Hoffnung, dass die Banken den Geldhahn wieder aufdrehen oder Hanjin Deutschland übernommen wird.

„Hanjin Deutschland war der profitabelste Zweig innerhalb des Konzerns“, sagt Won. Er habe Kontakt zu Partnerredereien in Hamburg aufgenommen, ob diese bereit sind, Mitarbeiter zu übernehmen. Die Vereinigung Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten (VHSS) hofft darauf, dass die Entwicklung zum Weckruf in der Branche wird: „Niedrige Containerraten sind kein Geschäftsmodell. Ein ,Weiter so‘ kann es nach der Pleite nicht geben“, sagte VHSS-Geschäftsführer Alexander Geisler.

Was ergibt sich aus dem Aus von Hanjin für Hamburgs Reedereien?

Ein Ende Hanjins bedeutet für die übrigen Linienreedereien, dass ein Konkurrent weniger um die knappen Transportmengen kämpft. Eine direkte Übernahme von Hanjin, beispielsweise durch Hapag-Lloyd, ist nicht zu erwarten. Denn dann müssten auch die 4,5 Milliarden Euro Schulden übernommen werden. „Das kommt für uns nicht infrage. Wir konzentrieren uns auf den Zusammenschluss mit UASC“, sagte ein Hapag-Lloyd-Sprecher.

Betroffen sind aber Charterreedereien wie Jochen Döhle und die Brüder Erck und Bertram Rickmers. Ihre Unternehmen haben Schiffe an Hanjin verchartert und bangen jetzt um die Chartergebühren. Auch daran hängen Jobs in Hamburg.