Hamburg. Jede Gemeinde hatte ihre eigene Sozialstruktur

Als beim „Feuersturm“ durch britische und amerikanische Bomber im Jahr 1943 auch St. Nikolai zerstört wurde, endete das kirchliche Leben in Schutt und Asche. Seitdem ist das Gotteshaus keine Hauptkirche mehr. Die evangelischen Christen, die sich St. Nikolai verbunden fühlten, mussten sich eine neue Kirche suchen. Sie fanden später ihre religiöse Heimat in Harvestehude.

Somit hat Hamburg zwei pro­testantische City-Kirchen, die den ­Namen des Heiligen und Patrons der Seefahrer tragen: Während St. Nikolai nahe dem Rathaus heute ein Mahnmal ist, gehört die 1962 eingeweihte Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern inzwischen zu den Wahrzeichen von Harvestehude.

Insgesamt prägen fünf Hauptkirchen die Skyline der City – und das christliche Leben: St. Petri an der Mönckebergstraße, St. Jacobi am Jakobikirchhof, St. Katharinen gegenüber der HafenCity, St. Michaelis als Norddeutschlands schönste Barockkirche und St. Nikolai am Klosterstern.

Dass Hamburg über die Institution von Hauptkirchen – also besonderen Gotteshäusern – verfügt, geht auf die Reformation im 16. Jahrhundert zurück. Sie sollen ein Gegengewicht zu den im Katholizismus verbreiteten Kathedralen bilden. Die fünf Sakralbauten und ihre jeweiligen Parochien (Amtsbezirke) spiegelten damals die soziale Struktur wider. Verse aus dem 18. Jahrhundert belegen das:

„Sankt Petri de Rieken (Reichen)

Sankt Nikolai desglieken

(desgleichen)

Sankt Catharinen de Sturen

(Vornehmen)

Sankt Jacobi de Buren (Bauern)

Sankt Michaelis de Armen

Dat mag Gott woll erbarmen.“

Längst haben sich Sozialstrukturen und Strahlkraft der Hauptkirchengemeinden verändert. Alle Hauptkirchen, die von höher besoldeten Hauptpastoren geleitet werden, wollen Kirche für die ganze Stadt sein. Entsprechend anspruchsvoll und vielfältig ist das kulturprotestantische Programm. St. Nikolai am Klosterstern hat eine Ärztekanzel etabliert und sich mit medizinethischen Fragen einen Namen gemacht. St. Jacobi entdeckte die Pilgertradition neu und beherbergt heute ein Pilgerzentrum, das unmittelbar am Jakobusweg liegt. St. Petri steht in besonderer Weise für seelsorgerliche Angebote und Kirchenmusik. Außerdem ist die älteste Pfarrkirche Hamburgs auch die Kirche für das Rathaus. Vor der turnusmäßigen Konstitution der Bürgerschaft findet ein Gottesdienst statt.

Der Michel als Wahrzeichen und Predigtstätte der Bischöfin ist das nach der Dresdner Kreuzkirche am zweithäufigsten besuchte evangelische Gotteshaus. Rund eine Million Besucher und Touristen kommen pro Jahr in diese Hauptkirche. Viele von ihnen genießen auf dem mehr als 100 Meter hohen Turm den Blick auf die Stadt – und die vier anderen Hauptkirchen.