Hamburg. Die Angreifer, die am Freitagabend Stefan Kaisers Ponys verstörten, kann der Schausteller nicht verstehen: “Pferde sind meine Liebe“.
Stefan Kaiser ist ein gefragter Mann in diesen Tagen. Seit seine Ponyreitbahn am Freitag von Vermummten attackiert wurde, reißt die Diskussion nicht ab.Am Sonntag versammelten sich rund 15 Teilnehmer der „Tierrechtsinitiative Hamburg“ vor dem Eingang zum Dom, um gegen das Ponyreiten zu demonstrieren. Kaiser versteht, dass sich Menschen für den Tierschutz engagieren, „das tue ich selber auch“, sagt er. „Wir machen hier wirklich alles,um unsere Tiere gut zu behandeln. Aber mit diesen Leuten“ - er meint die Tierrechtsinitiative - „kann man nicht diskutieren.“
Am Sonntagabend war der „Reitsalon Alt Wien“ auf dem Dom dicht umlagert von Eltern mit Kindern, die unbedingt reiten wollten. Jetzt herrscht mittägliche Ruhe auf dem Gelände. Sieben Ponys stehen in ihrem Paddock hinter den Wohnwagen und halten Siesta, eins der Mini-Shettys wälzt sich mit Wonne im Sand. Aus einem Zeltanbau gucken neugierig zwei kleine Tigerschecken. Sechs weitere Ponys stehen in dem geräumigen Transporter in ihren Boxen und fressen Heu. Gleich werden sie geputzt und gesattelt. Gegen 15 Uhr beginnt ihre Schicht.
Stefan Kaiser stammt aus einer Familie von Schaustellern und Pferdezüchtern
Mit insgesamt 15 Ponys ist Stefan Kaiser in Hamburg. Er stammt aus einer Familie von Schaustellern und Pferdezüchtern in Herford-Gütersloh, die seit vier Generationen kleine und große Volksfeste bereist. „Ich war von Kind auf dabei“, sagt Kaiser. „Wir sind acht Brüder, alle mit Ponyreitbahnen unterwegs, und seit 30 Jahren sind wir auf dem Hamburger Dom.“ Hier hat die Reitbahn fast immer denselben Standplatz.
Das älteste Pony, Douglas, ist 30 Jahre alt und gehört immer noch zur Stamm-Mannschaft. „Aus eigener Zucht“, sagt Kaiser stolz. „Früher war Douglas ein Deckhengst. Wenn wir die Ponys in den Transporter laden und er nicht mit darf, haut er den Stall kaputt.“ Viele seiner Ponys hat er selbst aufgezogen. „Früher waren bunte Ponys und Tigerschecken selten, die musste man schon selber züchten.“ Die Heuraufen im Wagen sind aus Edelstahl, jedes Tier hat eine Tränke. Der Boden im Wagen besteht aus rutschfestem Kautschuk, darüber liegt Streu. Douglas' Nachbar-Pony hat sich hingelegt und hält Mittagsschlaf.
Kaiser ist gelernter Hufschmied. An den Hufen seiner Tiere hätten auch Kollegen nichts auszusetzen. Der kleine Familienbetrieb besteht aus Kaiser, seiner Frau Jeanette, seinem Sohn Philipp und zwei Helfern. Man stützt sich auf ein eingespieltes Netzwerk: Futter, Heu und Streu kommen von zwei altbekannten Bauernhöfen, um Sättel und Trensen kümmert sich seit Jahren eine befreundete Sattlerin, der Pferdepfleger fährt auch seit 20 Jahren mit.
Kaisers Frau Jeanette kümmert sich um das "Büro"
Jeanette kümmert sich um das „Büro“ und hat im Wohnwagen mehrere große Aktenordner zur Hand, unter anderem mit den Pferdepäsen, Gesundheitszeugnissen und der Genehmigung der Reitbahn nach § 11 Abs. 1 Nr.4 Tierschutzgesetz (Der Paragraph im Wortlaut). Darüber hinaus regeln Richtlinien wie etwa die „Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben oder ähnlichen Einrichtungen“ (2005, hier im Wortlaut), wie die Ponys zu transportieren sind, wie sie gehalten und gefüttert und wie sie „täglich verhaltensgerecht beschäftigt“ werden müssen.
„Jedes Pferd darf sechs Stunden in der Bahn gehen, bei uns sind es meistens nur vier von 15 bis 19 Uhr. Danach wechseln wir, es sind ja genügend Tiere dabei“, sagt Kaiser. „Wir haben uns sogar mit Gutachtern und Veterinären zusammengesetzt und Regeln mitformuliert, denn es kommen immer mehr Nicht-Fachleute auf die Idee, bei Flohmärkten oder Volksfesten Ponyreiten zu veranstalten.“
Was er über Pferde weiß, habe er bei seinem Vater gelernt, sagt Kaiser (seine Mutter hatte übrigens auch mit Pferden zu tun, sie hat voltigiert). „ Morgens vor der Schule musste ich immer den Stall saubermachen. Wenn ich das nicht gut gemacht hatte, gabs mit der Reitpeitsche eins auf den Po. Ich hab in der Schule auch noch die Zeiten erlebt, als Kindern mit dem Rohstock auf die Finger gehauen wurde.“ Das sei heute zum Glück vorbei. Trotzdem habe er „dabei viel gelernt“, sagt Kaiser. „Deshalb kann ich mich auch mit Leuten auseinandersetzen, die ihr Pferdewissen aus Büchern haben.“
Es gibt auch Kontroversen um Ponyreitbahnen
Dennoch gibt es Kontroversen. Die „Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.“ zum Beispiel hat in ihrem „Merkblatt 116 über die Beurteilung von Ponyreitbahnen“ (2008, hier im Wortlaut) einige Anforderungen formuliert, die Kaisers Kritiker jetzt ins Feld führen. Demnach „müssen sog. Karussellpferde längstens nach einer halben Stunde die Hand (Richtung) wechseln.“ Da die Gelenke des Pferdes „anatomisch nicht auf eine dauerhafte Kreisbewegung ausgerichtet“ seien, würden die Tiere „nur dann physisch und psychisch ausgeglichen trainiert, wenn sie auf beiden Händen (rechts und links herum) gehen können.“ Auch befindet die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz, dass im Ponyreitbetrieb statt Trensen mit Gebissen „normale, stabile Stallhalfter völlig ausreichend“ seien. Aus Sicherheitsgründen solle auch auf Steigbügel verzichtet werden.
Für Kaiser rangieren solche Anforderung wieder unter „Buchwissen“. Seine Ponys gehen immer links herum, mit Trensen und Ausbindezügeln, die an den Sätteln befestigt sind. So können die Kinder die Ponys nicht im Maul herumzerren. Andererseits werden Köpfe und Nacken der Ponys damit aber auch fixiert. „Das muss aus Sicherheitsgründen so sein und beruhigt die Tiere auch“, sagt Kaiser, fast ein bisschen unwirsch. Immerhin haben seine Ausbindezügel einen dehnbaren Gummiring, der den Ponys etwas Spielraum verschafft. „Ich würde nie zulassen, dass meine Tiere vier Stunden lang angespannt gehen. Sie sehen ja: Keins von ihnen hat einen steifen Hals.“ Auch die Sache mit dem Richtungswechsel sieht er anders: „Die Gutachter haben uns bestätigt, dass Pferde von Natur aus auf der linken Hand gehen, das können Sie auf jeder Weide beobachten.“ Wenn auf einem Volksfest kein Platz für einen Paddock sei, werde jedes seiner Ponys täglich zum Ausgleich an der Longe bewegt, auch rechts herum. Für Kaiser ist auch der Lärmpegel nicht zu hoch. Der Platz neben der mobilen Aussichtsplattform City Skyliner sei eher ruhig verglichen mit lauten rasanten Karussells oder Loopingbahnen. „Die Ponys haben sich an die Geräusche gewöhnt“, sagt ihr Besitzer.
Vor der Reitbahn wartet schon ein Kamerateam
Den Kritikern setzt er sein „Erfahrungswissen entgegen“, wie er sagt. „Die meisten Volksfeste, die wir besuchen, sind nur vier bis fünf Tage lang. Nur der Dom geht über ein paar Wochen. Die Pferde kennen das.“ Kaiser gibt zu, dass er selten Urlaub macht, aber gerne Pferdemessen und -veranstaltungen besucht. „Pferde sind meine Liebe. Ich weiß, wann sie sich wohl fühlen. Es gibt für mich morgens nichts Schöneres als in den Stall zu gehen und meine Pferde anzugucken.“
Draußen vor dem Oval der Reitbahn wartet schon ein Kamerateam. Helferin Jacqueline kommt mit einer Schubkarre Heu um die Ecke. Sie geht in diesem Jahr mit auf Tour. „Ich war Mitglied im Tierschutzverein Osnabrück“, sagt sie. Am Anfang habe sie sich auch gefragt, „ob das hier alles tiergerecht ist. Aber was ich gesehen habe, hat mich überzeugt. Ich finde, die Familie Kaiser macht das mit viel Tierliebe.“