Altstadt. Nach eineinhalb Jahren ist die Baugrube am Alten Wall ausgehoben und trocken. Das 250-Millionen-Projekt soll 2018 fertig sein.

Nicht jeder freut sich, wenn der Tiefpunkt erreicht ist. Theja Geyer schon. Seit die Baugrube seines Mammutprojekts am Alten Wall zwischen Rathaus und Alsterfleet vergangene Woche mit 20 Metern die absolute Tiefe erlangt hat, kann seiner Meinung nach nichts mehr schiefgehen. „Was jetzt kommt, ist ein normales Gebäude, das man in ein Loch hineinbaut“, sagt der Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft Art-Invest.

Das „normale Gebäude“ ist ein Büro- und Einkaufskomplex mit einer vierstöckigen Tiefgarage, der für rund 250 Millionen Euro hinter einer denkmalgeschützten Fassade entsteht. Er wird über eine Fußgängerbrücke mit den Alsterarkaden verbunden und soll dem Alten Wall wieder das Flair der noblen Flaniermeile verleihen, die er früher mal war.

Vier Jahre Bauzeit wurden für das ehrgeizige Projekt angesetzt, dessen Entwurf vom Hamburger Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner (gmp) stammt. Eineinhalb Jahre hat alleine das Ausheben der Baugrube gedauert, was dem sensiblen Ort geschuldet ist, an dem sie sich befindet: direkt neben einem Fleet, unter dem ein S-Bahn-Tunnel verläuft, und nur einige Meter von Hamburgs wichtigstem Gebäude überhaupt, dem Rathaus, entfernt. Wassereinbrüche oder Schäden durch starke Erschütterungen und das An-und Abfahren schwerer Baufahrzeuge drohten, mussten aber unbedingt vermieden werden. Und auch bei den Aushubarbeiten traten immer wieder Probleme auf.

Anspruchsvolle Baustelle am Alten Wall

Am Alten Wall 2 entsteht ein neues Einkaufszentrum
Am Alten Wall 2 entsteht ein neues Einkaufszentrum © Michael Arning | Michael Arning
Diese Aufnahme von einer Drohne ermöglicht den spektakulären Blick in die hochkomplizierte Baustelle am Alten Wall
Diese Aufnahme von einer Drohne ermöglicht den spektakulären Blick in die hochkomplizierte Baustelle am Alten Wall © TA CAPS / Thorsten Ahlf | TA CAPS / Thorsten Ahlf
Die Baugrube ist 20 Meter tief
Die Baugrube ist 20 Meter tief © Michael Arning | Michael Arning
Dort soll eine vierstöckige Tiefgarage entstehen
Dort soll eine vierstöckige Tiefgarage entstehen © Michael Arning | Michael Arning
Für das ehrgeizige Projekt nach einem Entwurf von Gerkan, Marg und Partner wurden vier Jahre Bauzeit angesetzt
Für das ehrgeizige Projekt nach einem Entwurf von Gerkan, Marg und Partner wurden vier Jahre Bauzeit angesetzt © Michael Arning | Michael Arning
So soll der Bau einmal aussehen, wenn eine Brücke über den Fleet hinein führt
So soll der Bau einmal aussehen, wenn eine Brücke über den Fleet hinein führt © Cadman / Art-Invest | Cadman / Art-Invest
250 Millionen Euro werden in das Einkaufszentrum investiert
250 Millionen Euro werden in das Einkaufszentrum investiert © Michael Arning | Michael Arning
Die denkmalgeschützte Fassade bleibt erhalten
Die denkmalgeschützte Fassade bleibt erhalten © Michael Arning | Michael Arning
Neben Läden halten auch Büros Einzug in das Gebäude
Neben Läden halten auch Büros Einzug in das Gebäude © Michael Arning | Michael Arning
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Aufwendige Bauarbeiten

Dabei waren die Maßnahmen an sich schon eine Herausforderung. „Um die Baugrube trocken zu halten, mussten wir einen sogenannten Trog bauen“, so Geyer. „Das Grundwasser abzusenken, wie es anderswo üblich ist, war hier nicht drin: Die Eichenpfähle, auf denen das Rathaus, der Rathausmarkt und viele umliegende Gebäude stehen, durften ja keinesfalls trocken fallen.“ Also wurden mit einem entsprechenden Schlitzhandbagger, dessen Greifarm alleine zwölf Tonnen wiegt, abschnittsweise schmale, fast 50 Meter tiefe Schlitze ins Erdreich gegraben – so lange, bis man auf eine wasserundurchlässige Bodenschicht aus Mergel, Glimmer und Ton stieß. Dann wurde Beton in die Schlitze eingebracht, um so rings um die Baugrube wasserdichte Wände zu schaffen.

Beim Graben an der Fleetseite stieß man immer wieder auf dicke Stahlanker. Sie hatten beim Bau des S-Bahn-Tunnels dessen Wände abgestützt. Nach Abschluss der Maßnahmen waren sie überflüssig, wurden damals aber in der Erde gelassen und mussten nun aufwendig durchtrennt werden. Um auszuschließen, dass durch die Arbeiten der S-Bahn-Tunnel gefährdet wird, musste Art-Invest dort ein System zum Messen von Erschütterungen installieren. „Der Tunnel bewegt sich – aber nur, wenn die S-Bahn durchfährt“, so Geyer. „Das mussten wir im System einmessen, damit wir nicht jedes Mal einen Schreck kriegen, wenn’s wackelt.“

Probleme gab es auch in der letzten Ecke der Baugrube, zur Adolphsbrücke hin: Dort stieß man in der vorgesehenen Tiefe nicht auf die feste Bodenschicht. Weil früher, vor ihrer Begradigung, hier die Alster verlief, war die Bodenbeschaffenheit anders. „Wir mussten weitaus tiefer hinab“, sagt Geyer. Sechs Monate Verzögerung und eine Million Euro Mehrkosten waren die Folge.

Zehn Brunnen zur Kontrolle angelegt

Jetzt ist auch dort alles dicht und die Grube bis auf ein paar Pfützen trocken. Über 86 Stufen einer Bautreppe gelangt man hinunter. Ein paar Arbeiter tragen in der besagten Ecke die letzten Kubikmeter Erdreich ab. Wie ein Spielzeug wirkt ihr Bagger am Boden der 90 mal 30 Meter großen Riesengrube. 45.000 Kubikmeter Erde wurden hier insgesamt ausgehoben. Damit die Wände nicht nachgeben, werden sie jetzt von rund 30 dicken Aussteifungen aus Stahl gestützt. Das schwerste der röhrenförmigen Gebilde wiegt knapp 17 Tonnen.

Der Boden ist bereits zementiert. Das ist die sogenannte Sauberkeitsschicht, auf die später das Fundament aufgetragen wird. An mehreren Stellen ragen schwarze, schlanke Rohre empor: die Brunnentöpfe, mit denen das Grundwasser abgeschöpft wird. „Ein bisschen was sickert immer nach“, sagt Geyer. 15 Kubikmeter pro Stunde sind es, erlaubt wurden 100 Kubikmeter. Das abgepumpte Wasser wird in den Fleet geleitet, bleibt also im Kreislauf. Um zu prüfen, ob der Grundwasserspiegel in der Umgebung nicht dennoch sinkt, wurden im Umfeld zehn Brunnen angelegt, einer im Rathaus-Innenhof. Abstellen kann man die Pumpen erst, wenn das vierte Obergeschoss des Rohbaus fertig ist. „Erst dann ist das Gebäude so schwer, dass es von dem zurücklaufenden Grundwasser nicht aufgetrieben wird“, sagt Geyer.

Für den Aushub und auch für alle folgenden Arbeiten wurden zwei Plattformen über der Grube gebaut. Sie sind mit massiven Stützen im Boden verankert. Von hier aus wird die Grube schon bald wieder aufgefüllt. 18.000 Quadratmeter Bürofläche und 12.000 Quadratmeter für Einzelhandel entstehen in dem Neubau, der über 13 Ebenen verfügen wird. Die unteren vier gehören, wie schon erwähnt, zu der Tiefgarage mit 220 Plätzen. Die drei Geschosse dar­über werden an Einzelhändler und Gastronomen vermietet. Erste Gespräche mit Interessenten laufen bereits. Auch das Bucerius Kunst Forum wird in den Neubau ziehen und seine Räume am Rathausmarkt für einen Flagship-Store freimachen. Das Thema Kunst soll vor Ort noch ausgebaut werden. „Nach der Fertigstellung wird sich der Alte Wall als Kunst-Boulevard präsentieren, der jedermann zugänglich ist“, verspricht Theja Geyer. Doch das wird noch dauern – für Herbst 2018 rechnet er mit der Fertigstellung.