Hafencity . In der HafenCity, wo der Hannoversche Bahnhof stand, entsteht auf 700 Quadratmetern ein Dokumentationszentrum für die Nazi-Opfer.

Eine verwitterte Bahnsteigkante und ein paar verrostete Gleise – mehr ist nicht übrig vom Ort des Grauens. Dort, wo heute in der HafenCity der Lohsepark heranwächst, mit Rasenflächen, Sitzgruppen und Spielangeboten, stand einst der Hannoversche Bahnhof. Von hier aus wurden zwischen 1940 und 1945 mehr als 7000 Juden, Sinti und Roma in Gettos und Konzentrationslager wie Minsk, Riga, Theresienstadt und Auschwitz deportiert.

An dieses dunkle Kapitel der Hamburger Geschichte erinnern außer den Bahnsteigrelikten nur eine Gedenktafel auf dem Lohseplatz an der Nordseite des Parks, wo sich damals der Vorplatz des Bahnhofs befand, und Teile der Ausstellung „In den Tod geschickt“ im Info-Pavillon Hannoverscher Bahnhof. Sie war erstmals 2009 im Kunsthaus Hamburg zu sehen.

Künftig soll das Gedenken an die Hamburger und norddeutschen Opfer des Nationalsozialismus erheblich mehr Raum einnehmen. So entsteht bald nahe dem Lohseplatz ein neues Dokumentationszentrum. Es wird auf etwa 700 Quadratmetern im Erdgeschoss eines sechsstöckigen Bürogebäudes untergebracht sein.

Für den Entwurf des rötlichen Baus zeichnet das Architekturbüro Wandel Lorch (Frankfurt/Saarbrücken) verantwortlich, das aus einem Wettbewerb vor Kurzem als Sieger hervorging. Der Jury gefiel die unprätentiöse Gestaltung des Gebäudes, dessen Erdgeschoss mit dem Dokumentationszentrum sich vom kubischen Gesamtbau abhebt, „aber den gleichen Ernst des Gesamtgebäudes hat“, wie es hieß.

Ausstellung „In den Tod geschickt“ wird das Herzstück

Das Herzstück des Zentrums wird die Ausstellung „In den Tod geschickt“ bilden. Sie soll allerdings für die neuen Räume überarbeitet und um multimediale Elemente erweitert werden. „Es wird in Hamburg neben der KZ-Gedenkstätte Neuengamme der zentrale Gedenkort sein, der über die Opfer des Nationalsozialismus informiert“, sagt Detlef Garbe. Der Historiker leitet die Gedenkstätte Neuengamme, die auch das neue Dokumentationszentrum betreiben wird.

Vorgesehen sei, die Ereignisse am Hannoverschen Bahnhof stärker in Beziehung zu verschiedenen Orten in Hamburg zu setzen, die bei der Verfolgung von Menschen durch die Nazis eine Rolle spielten, sagt Garbe. So soll eingehender über Zwangsunterkünfte in der Stadt informiert werden und über Sammelplätze für Deportationen von Juden. Dazu zählte etwa der westliche Teil des Parks Moorweide.

Eingang in die Ausstellung finden soll zudem das Stolperstein-Projekt. Seit 1995 – und seit 2002 auch in Hamburg – verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig auf öffentlichen Straßen und Plätzen mit Messingplatten bedeckte Betonsteine, die an Menschen erinnern sollen, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Der 5000. Stolperstein in Hamburg wird voraussichtlich am 29. März von der Präsidentin der Bürgerschaft, Carola Veit (SPD), eingeweiht.

Er soll an Bela Feldheim erinnern. Das jüdische Mädchen kam 1941 auf die Welt, 1942 wurde sie in Auschwitz ermordet. So erging es auch ihrer Mutter Ella und ihrer neunjährigen Schwester Ingeborg. Bis kurz vor ihrer Deportation hatte die Familie im Gängeviertel gelebt. Bernhard, der Vater, wurde nach Minsk deportiert.

Im Zuge des Hamburger Stolperstein-Projekts seien schon mehr als 3000 Biografien fertiggestellt worden, sagt Peter Hess, der das Vorhaben in der Hansestadt koordiniert. „Alles Wissen über diese Menschen soll in die Ausstellung des neuen Dokumentationszentrums einfließen“, sagt er.

Angedacht ist Hess zufolge, dass es einen Raum mit einem sogenannten Medientisch geben wird. Dort soll eine interaktive Karte von Hamburg zu sehen sein, auf der die Standorte der Stolpersteine markiert sind. Per Klick auf einen Standort sollen sich dann Informationen über das Schicksal jenes Menschen aufrufen lassen, an den ein Stolperstein erinnert. In einem weiteren Raum soll es eine Installation über jüdisches Leben geben.

Neben dem Dokumentationszen­trum mit der erweiterten Ausstellung entstehen im Lohsepark noch zwei weitere Elemente. So wird der unter Denkmalschutz stehende Überrest des ehemaligen Bahnsteigs 2 zu einem Gedenkort ausgebaut, der 2017 eröffnet werden soll. Dort sollen Tafeln mit den Namen der mehr als 7000 deportierten Menschen aufgestellt werden.

Bereits im Sommer dieses Jahres soll die sogenannte Fuge fertiggestellt werden, ein von Mauern begrenzter Fußweg, der den Park dort durchschneidet, wo sich einst die Gleise des Hannoverschen Bahnhofs befanden.

Während diese drei Elemente, die zusammen das „Denkmal Hannoverscher Bahnhof“ bilden werden, langsam Gestalt annehmen, suchen Historiker Detlef Garbe und seine Kollegen von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme weiter nach Quellen, die helfen, die Ereignisse von damals genauer zu rekonstruieren. „Wir sind sehr dankbar für Hinweise von Menschen, die aus eigener Augenzeugenschaft berichten können, was am Hannoverschen Bahnhof geschah“, sagt Garbe. Auch über Fotos würden sie sich freuen. Die Informationen könnten dann in die neue Ausstellung einfließen.

Wer etwas beitragen möchte, kann sich bei der KZ-Gedenkstätte Neuengamme melden. Sie ist unter der Rufnummer: 428 13-15 00 zu erreichen.