Hamburg. Das traditionsreiche Restaurant schließt nach 182 Jahren. Einst speisten hier Kaiser Wilhelm II., Otto von Bismarck und Hans Albers.

Legendär ist die Aufteilung in 13 Separees, in denen man diskret speisen kann: klassisch norddeutsch meist, vor allem Meeresfrüchte und Fisch. Hummerrahmsüppchen abgeschmeckt mit altem Cognac etwa – oder eben auch verschiedene Austern-variationen. Cölln’s Restaurant und seine Austernstuben sind Teil der Hamburger Geschichte. In dem legendären Restaurant unweit des Rathauses am Brodschrangen 1–5 schlürfte schon Heinrich Heine Austern zum Wein. Kaiser Wilhelm II. war hier Gast, Otto von Bismarck, Hans Albers, Kanzler, Senatoren, Reeder und auch russische Milliardäre. Gediegen hanseatisch ist das Interieur: Wandfliesen, Antiquitäten, helle Holzvertäfelung. Eine Hamburger Institution, mehr als 175 Jahre alt – die nun überraschend schließt.

Der Betreiber Holger Urmersbach habe keinen Nachfolger gefunden

Die eher dürre Pressemittelung einer vom Immobilieneigentümer beauftragten Agentur erklärte am Wochenende, mit der letzten Silvesterfeier habe Cölln´s Restaurant zum Jahreswechsel seine Pforten geschlossen. Der Betreiber Holger Urmersbach werde 77 Jahre alt und habe keinen Nachfolger gefunden, hieß es zur Erklärung. Zudem entspreche das Konzept der kleinen Zimmer nicht mehr dem „heutigen Zeitgeschmack des ,sehen und gesehen werden‘“.

Holger Urmersbach in besseren Zeiten in dem Restaurant, das auf Meeresfrüchte spezialisiert war
Holger Urmersbach in besseren Zeiten in dem Restaurant, das auf Meeresfrüchte spezialisiert war © Reto Klar | Reto Klar

Wirklich? Wer gestern Holger Urmersbach in dem Traditionslokal antraf, erlebte einen für seine Verhältnisse äußerst wortkargen Wirt. Urmersbach, der sonst so gern aus dem prallen Leben des Traditionsrestaurants erzählte, verwies lediglich auf die Pressemitteilung und entschuldigte sich damit, dass er noch aufräumen müsse. 2007 hatte er das berühmte Hamburger Lokal ein zweites Mal eröffnet und es im Stil der Gründerzeit eingerichtet. Und bis zuletzt auch im traditionellen Stil geführt. Im Fenster hängt jedenfalls eine aktuelle Empfehlung des Gourmet-Magazins „Feinschmecker“, das das Cölln’s zu den besten 40 Traditionslokalen des Landes zählt. Und auch der französische Restaurantführer Guide Michelin empfiehlt das Haus auf einem Plakat noch für das Jahr 2016.

Ganz einfach so aufhören wollte Urmersbach dann wohl tatsächlich nicht. „Ich habe mich bemüht“, sagt Urmersbach auf Nachfragen. Doch er habe den Mietvertrag nicht verlängern können.

Legendär: Die kleinen Stuben, die später auch Tischklingelanlagen hatten

Blick in ein Separee: Das
Blick in ein Separee: Das © Bertold Fabricius/ Pressebild.de | Bertold Fabricius/ Pressebild.de

Damit scheint nun ein Stück Hamburger Restaurantgeschichte zu Ende zu gehen: Sie geht auf den Fischhändler Hinrich Brügmann zurück, der um 1760 hier in der Altstadt ein Fischgeschäft und eine Austernhandlung im Souterrain betrieb. Zu dieser Zeit legten die Ewer noch direkt hinter dem Haus an. 1833 übernahm der Namensgeber Johann Cölln das Fischgeschäft und heiratete praktischerweise eine Enkelin des Firmengründers. Cölln baute den Handel zu einem Restaurant mit drei Etagen um. Serviert wurden fast ausschließlich Meeresfrüchte. Zu dieser Zeit bestand schon das Haus aus vielen kleinen Stuben, die später ganz modern mit Tischklingelanlagen ausgestattet wurden.

1873 starb Cölln, und sein Prokurist Johann Heinrich Brumm übernahm das Geschäft. Der gelernte Fischhändler erwarb am Kaspischen Meer Fischereirechte zur Produktion von eigenem Kaviar. So wurde die Hamburger Firma zum größten Kaviarlieferanten Europas, die viele Adelshäuser belieferte – was natürlich auch das Stammrestaurant glänzen ließ. 1910 gründete man mit dem Geld großer privater Bankhäuser eine eigene Austernfischerei auf Sylt. Das Hamburger Restaurant überdauerte selbst die Kriegszeiten – auch wenn dort damals mehr getauscht als gegessen wurde: edle Weine und Champagner gegen Fisch und Kartoffeln zum Beispiel.

Was nun aus dem Cölln wird ist noch nicht bekannt

Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete die britische Militärregierung zunächst ein Offizierskasino in dem Haus ein, bevor es wieder zum Restaurant wurde: Austern schlürfen, diskrete Geschäftsgespräche in den kleinen Stuben führen – das passte gut zum beginnenden Wirtschaftswunder im Land: Wirtschaftsbosse, Politiker und Prominente trafen sich in den Stuben. Eine kleine rote Karte draußen an der Tür bedeutete für die Kellner, dass sie klopfen und warten mussten, bevor sie eintraten. Ein schwarze Karte signalisierte, dass sogar zu warten war, bis drinnen geklingelt wurde.

Erst 1984 schieden die letzten Erben der Familie Brumm aus dem Geschäft aus, und Holger Urmersbach trat auf den Plan. Er restaurierte aufwendig und führte das Haus im Börsenviertel bis 1996. Mehrere Pächterwechsel folgten, doch 2005 schloss das Restaurant. Urmersbach, der inzwischen den Ratsweinkeller übernommen hatte und dann aber aufgeben musste, wagte schließlich einen Neuanfang. Das alte Cölln-Silber und antike Bilder hatte er noch eingelagert. Und wieder ging es sehr hanseatisch gediegen und diskret zu. Bis Silvester. Und was kommt nun? Urmersbach zuckt mit den Schultern „Ein Restaurant wird das wohl nicht mehr“, glaubt er.