Hamburg. In der Freien Akademie der Künste plauderte Akin über die Philosophie des Filmemachens, innere Zerrissenheit und vieles mehr.
Von Bruce Lee, dem Kung-Fu-Schauspieler, habe er wohl das Allerwichtigste gelernt, sagt der Filmemacher Fatih Akin. „Sei wie Wasser“, habe die Martial-Arts-Ikone (1940-1973, „Der Mann mit der Todeskralle“) mit asiatischer Weisheit gepredigt. Lee habe damit gemeint, dass man sich stets geschmeidig einer Situation anpassen solle, erklärt Akin („Gegen die Wand“, „Soul Kitchen“). Das versuche er auf das Filmemachen zu übertragen: „Ich strebe keinen festen Stil an. Jeder Film bietet anderes Material und ist ein anderes Schlachtfeld.“
Welchen Erfolg der in Hamburg lebende, international vielfach mit Preisen ausgezeichnete Regisseur, Autor und Produzent dank seiner Arbeit längst genießt, beweist auch sein Auftritt in der Freien Akademie der Künste der Hansestadt am Donnerstagabend. In der Reihe „Selbstporträt im Dialog“ lässt sich der 42-Jährige dort von seinem Kollegen, Mentor und Freund Hark Bohm (76, „Nordsee ist Mordsee“) zu seinen „Helden und Idealen“ befragen. Und 400 meist junge Fans im rappelvollen Saal nahe dem Hauptbahnhof hören zu. „Wir hätten 2000 Besucher haben können“, erklärt Akademie-Geschäftsführer Marc-André Gustke, so etwas habe man noch nie erlebt.
"Filmemachen ist Krieg"
Akin, mit typischer grauer Strickmütze und in lässiger Kleidung von undefinierbarer Farbe, scheint’s zu genießen – locker plaudernd gewährt er Einblicke in das Füllhorn seines schöpferischen Innenlebens. „Soderbergh ist auch so, den find’ ich geil“, wirft er den Namen eines ebenfalls in sehr vielen Formen arbeitenden US-Kollegen („Liberace“) in den Raum. Erstaunlich oft verwendet er im Übrigen die Kriegsmetapher. „Filmemachen ist Krieg. Das Schlachtfeld ist in mir selbst“, bekennt der an der Elbe geborene Sohn türkischer Eltern in schnodderigem norddeutschen Tonfall. Stets kämpften dann seine Vorzüge wie etwa Kreativität und Pünktlichkeit mit Schwächen wie Faulheit und Nicht-immer-kreativ-sein.
Überhaupt empfindet Akin in sich eine Zerrissenheit, die sich in seinen Werken spiegele. „Mein Vater war Vorarbeiter in einer Chemiefabrik, meine Mutter Lehrerin“, sagt der Absolvent der Hamburger Hochschule für bildende Künste. Das sei zwar eine gute Voraussetzung für das Filmemachen. Doch führten diese beiden Seiten seiner Herkunft in seiner Einschätzung auch dazu, weder Fisch noch Fleisch zu sein. „Meine Filme sind zu kommerziell, um reine Kunst zu sein und zu künstlich, um kommerziell zu sein“, wertet er und wirkt dabei nicht allzu traurig, „zwischen Kunst und Kommerz befinde ich mich im Niemandsland – aber damit ziemlich weit oben. Doch noch heute denke ich, dass das ein Manko ist.“ Filmen sei für ihn auch „Selbsttherapie“.
"Ich bewundere Til Schweiger"
Schmunzelnd fügt der Gewinner des Goldenen Bären, des Deutschen und des Europäischen Filmpreises an: „Ich bewundere total Til Schweiger. Sechs Millionen Zuschauer – oh Mann, wie viel Geld macht das. Wenn ich soviel Geld hätte, könnte ich mir ein Haus auf dem Land kaufen – dabei bin ich gar nicht der Typ für’s Land.“ Die Stimmung in der sonst eher gesetzten Freien Akademie steigt, doch dann lässt Moderator Bohm den Blick noch einmal zurück schweifen. Bereits als Gymnasiast im damals eher ruppigen Stadtteil Altona spielte Akin in der Theater-AG und drehte erstes Filmmaterial. Früh hätten ihn der Amerikaner Martin Scorsese und dessen „Taxi Driver“ geprägt sowie andere Gangsterfilme, etwa „Scarface“ und „Der Pate“, erinnert sich der Star des Abends. Später seien Beziehungsdramen wie „Monster’s Ball“ mit Halle Berry dazu gekommen.
Bei alledem scheint sein Sinn stets auf geistige Neugierde, aufs Machen und Tun gerichtet - dabei der eigenen Wahrnehmung vertrauend. „Man muss sich sein eigenes Bild machen - glaubt nicht den Kritikern“, beschwört Akin seine Gäste. Mit Bohm als Co-Autor hat er gerade „Tschick“ nach dem Jugendroman (2010) von Wolfgang Herrndorf gedreht. Das Roadmovie soll im nächsten Herbst in die Kinos kommen.