St. Pauli. Bezirksamtsleiter Andy Grote präsentiert den Siegerentwurf für das umkämpfte Areal gemeinsam mit Grundstückseigner und Architekten.

Jetzt steht es fest: Niederländer werden den neuen Komplex auf dem Esso-Areal auf St. Pauli bebauen. Das Amsterdamer Büro NL Architects in Kooperation mit der Kölner BeL Sozietät für Architektur hat den städtebaulichen Wettbewerb für die Neubebauung gewonnen, teilte Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) am Mittwoch im Betty-Heine-Saal des Ortsamts St. Pauli mit. Insgesamt zwölf international renommierte Architekturbüros hatten sich an der Ausschreibung beteiligt, neun davon hatten ihre Entwürfe im Juli den Stadtteilbewohnern präsentiert, darunter Teilnehmer aus Paris, Berlin, Wien, London und Hamburg.

Das Preisgericht hatte sich am Montag mit einem Stimmenergebnis von 17:0 einvernehmlich für den niederländisch-deutschen Entwurf entschieden. Mit einem so reibungslosen und schnellen Ergebnis hatte niemand zuvor gerechnet. Immerhin saßen sich in der Jury neben Vertretern des Bezirks, Politikern und Stadtplanungsexperten auch Kontrahenten gegenüber: Mitglieder der Initiativen Esso-Häuser / S.O.S. St. Pauli und der Investor Bayerische Hausbau. „Als wir uns am Vormittag trafen, war ich nicht sicher, ob wir abends noch gute Freunde sein würden“, räumte Grote mit einem Grinsen ein.

Befürchtungen waren überflüssig. Bernhard Taubenberger von der Bayerischen Hausbau griff tief in die Antikenkiste: Was ihm vor einem Jahr noch als „gordischer Knoten“ und als „Dornenpfad“ vorgekommen sei, habe zu einem „fantastischen Ergebnis“ geführt, sagte er sichtlich zufrieden. „An liebsten hätte ich schon am Montag laut ,Hurra!‘ geschrien“, sagte Jurymitglied Christiane Hollander, die als kämpferische Anwältin zahlreiche der Esso-Mieter vertritt. „Was NL auf dem Esso-Areal geplant hat, sieht aus, als hätte es schon immer da hingehört.“

Seit Oktober 2014 hatte die „Planbude“ als Organisator der Bürgerbeteiligung einen bisher einmalig intensiven Befragungsprozess auf St. Pauli durchgeführt, um Wünsche und Ansprüche der Anwohner in die Planung einzubringen. Herausgekommen war der „St. Pauli Code“, Kriterien für eine Bebauung, die dem Viertel nützt und zu ihm passt. Das ist zuallererst ein hoher Anteil erschwinglicher, also förderungswürdiger Wohnungen, außerdem Raum für St.-Pauli-typisches Gewerbe, Clubs und Lokale sowie Platz für stadtteilbezogene und innovative Projekte, zum Beispiel eine Gemeinschaftskantine.

Kleinteiligkeit, Lebendigkeit und Originalität statt Gleichförmigkeit und auf der anderen Seite hohe Wohndichte und ein zusätzliches großes Hotel auf Wunsch der Bayerischen Hausbau: Einfach war die Umsetzung für die Architektenbüros ganz und gar nicht. Laut Ausschreibung sollten 200 bis 250 Wohnungen auf rund 14.800 Quadratmeter realisiert werden, das ist das zweieinhalbfache der ehemaligen Esso-Häuser. Das heißt: Es wird enger auf dem Esso-Areal. Gewünscht waren zudem ein großer Stadtbalkon zum Spielbudenplatz und „lebendige Dachlandschaften“.

Die Beratungen der beiden Büros seien denn auch ein „epischer Prozess“ gewesen, sagt Jörn Leeser von BeL. Aber schon als die neun Wettbewerber ihre Entwürfe im Juli den Stadtteilbewohnern präsentierten, machten NL und BeL mit besonderen Details auf sich aufmerksam. Sie fassten die geforderte Bruttogeschossfläche in unterschiedlich große „Einzelstücke“, die im Modell als Klötzchen um einen ruhigen grünen Innenhof gruppiert sind. Eine zusätzliche Quartiersgasse zwischen Esso-Areal und Panoptikum/Operettenhaus schafft Zugänge zu Läden und erhält die alten Bäume am Zugang zur Kastanienallee. Das fanden viele Anwohner besonders charmant. Größtes Klötzchen ist das geplante Hotel am Spielbudenplatz, das sich über die ganze Breite des Areals zieht, aber verschiedene, abwechslungsreiche Fassaden und Höhen hat. Davor verläuft der Stadtbalkon. Über die Ausgestaltung der Dachterrassen werde noch nachgedacht, sagte Kamiel Klaasse von NL.

„Dieser Entwurf hat Wünsche und Ideen aus dem Stadtteil aufgenommen und verstanden“, lobte Tina Röthig von der „Planbude“. „Ich glaube, dass sich die Stadtteilbewohner hier wiederfinden können.“ Alle Entwürfe können von morgen bis zum 4. Oktober im Hamburgmuseum sowie am Bauzaun an der Taubenstraße besichtigt werden.

Der Bezirk plant außerdem eine öffentliche Infoveranstaltung im Stadtteil, sagte Andy Grote, bevor nun die zweite Phase beginnt: Beim hochbaulichen Architektenwettbewerb wird die Bebauung genauer ausgestaltet. Teilnehmen werden die ebenfalls prämiierten Büros Coido (Hamburg, errang Platz 2), Feld 72 (Wien, Platz 3), Lacaton & Vassal (Paris) und IFAU Jesko Fezer (Berlin). Außerdem will Grote das Bebauungsplanverfahren einleiten. In zwei Jahren, hofft er, kann der Bau dann beginnen.