Hamburg. Kurz nach Fertigstellung werden Straßen oder Gehwege wie an Grindelallee und Großem Burstah nun schon wieder zerstört.
Vielerorts in der Stadt stauen sich derzeit Pkw vor Baustellen, müssen Radfahrer und Fußgänger ausweichen, weil auf ihren Wegen ebenfalls gebaut wird. Jährlich 70 Millionen Euro gibt Hamburg derzeit aus, um den großen Sanierungsstau auf den Straßen der Stadt zu bekämpfen. Gleichzeitig setzt sie ihr Busbeschleunigungsprogramm fort und baut das Radwegenetz aus. Doch gelegentlich gerät die Planung dabei offenbar durcheinander – oder kommt bei der Vielzahl der Projekte nicht hinterher. An einigen Ecken wird gebuddelt, obwohl erst vor Kurzem dort schon einmal gebaut wurde. „Wir fordern daher eine bessere, einheitliche Planung“, sagt Carsten Willms, Verkehrsexperte beim ADAC, bei dem sich wegen der vielen Baustellen gerade die Beschwerden häufen.
Der ADAC lobt trotz der Pannen die Politik des Senats als vorbildlich
So gibt es immer wieder Beispiele für eine Baustellenplanung, die einen chaotischen Eindruck erwecken: Am Großen Burstah in der Innenstadt lässt die Verkehrsbehörde beispielsweise gerade die Fahrbahn und Teile des Gehwegs sanieren. Eine Arbeit, die als Vorbereitung für eine umfangreiche Umgestaltung des Umfelds rund ums Rathaus gilt und in Kürze beginnt. Standard-Betonplatten werden dabei ausgetauscht und daher jetzt per Bagger herausgerissen. Allerdings wurden sie zum Teil erst vor wenigen Wochen dort neu verlegt. Rund 100.000 Euro kosteten die Platten, die nun zerbrochen auf einem Schuttberg landen. Ein Schildbürgerstreich? Nein, heißt es bei der Verkehrsbehörde. Den Gehweg habe man mit den Standardplatten verkehrssicher machen müssen, als die Planung für die Umgestaltung im Zuge des Business Improvement Projekts Nikolai-Quartier noch gar nicht fertig gewesen sei.
Ähnlich lautet die Begründung für die Grindelallee, wo jetzt bis zum Frühjahr Radwege deutlich verbreitert und auch zusätzliche Radfahrstreifen auf der Fahrbahn angelegt werden. Erst vor einem Jahr gab es just an dieser Straße ebenfalls eine Baustelle, weil sie für das Busbeschleunigungsprogramm umgebaut worden war.
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„Wir mussten beide Maßnahmen entkoppeln“, begründet ein Behördensprecher diese zweite Baustelle auf der zentralen Straße in Eimsbüttel. Das Beschleunigungsprogramm habe man in einem Zug durchführen müssen. Die Planung für das Radwege-Programm an dieser Stelle sei zu dieser Zeit aber noch gar nicht abgeschlossen gewesen.
Doch genau das ist der Punkt, den der ADAC kritisiert. Bei einer besser koordinierten Planung würde es zu solchen Dopplungen gar nicht erst kommen, sagt Willms und erinnert an einen ähnlichen Fall vor einigen Monaten an der wichtigen Ausfallstraße Heidenkampsweg. Vor etwa vier Jahren war die Straße erst komplett saniert worden, dann rückten wieder Bauarbeiter an, weil Leitungen darunter erneuert werden mussten. „Jetzt leidet die neue Fahrbahn darunter“, sagt Willms. Aber eine Generalabrechnung mit dem Senat will er wegen solcher Pannen nicht aufmachen. Im Grunde sei die derzeitige Sanierungspolitik zu begrüßen, nachdem die Stadt es in den Jahrzehnten zuvor vernachlässigt habe, die Straßen der Stadt in gutem Zustand zu halten. Willms: „Man kann also sagen, wo gehobelt wird, fallen auch Späne.“
Tatsächlich erscheinen die Zahlen derzeit gewaltig. Rund 4000 Kilometer Straßen gibt es laut ADAC in Hamburg. Etwa 100 Kilometer davon sollen derzeit pro Jahr saniert werden, zusätzlich zu Busspur- und Radwegeausbau. Mit der Folge von rund 20.000 einzelnen Baustellen – jedes Jahr. 70 Prozent davon sind allerdings keine Sanierungsprojekte, sondern Leitungsarbeiten, und dazu zählen auch viele kleine Tagesbaustellen. „Aber auch das lässt sich besser koordinieren“, sagt Willms. Mit dem Budget von 70 Millionen Euro für Sanierungsarbeiten nehme Hamburg auf der anderen Seite aber auch eine „Top-Position“ im Lande ein, sagt Willms. Die Folge sei aber nun, dass man teilweise mit Ingenieurleistungen nicht hinterher komme und Maßnahmen wie derzeit an der Grindelallee gestreckt werden müssten, statt sie flott hintereinander umzusetzen.
Zudem kämen immer wieder unvorhersehbare Baustellen noch dazu, wie kürzlich etwa an der Spaldingstraße, wo es einen Wasserrohrbruch unter der Straße gegeben hatte. „Ein Fehler der Vergangenheit, weil zu wenig in die Unterhaltung der Infrastruktur investiert wurde“, wie der ADAC-Mann sagt. Unter dem Strich sei Hamburg auf gutem Wege, wie ein Vergleich mit Berlin zeige. Willms: „Dort gibt es sogar 5600 Kilometer Straßen – aber nur das halbe Budget für die Sanierung.“