Hammerbrook. Stadt und KoZe streiten um Baupläne für besetzte Schule. Nutzer fordern „faire Perspektive“ für sich – und wollen noch mehr Platz.

Auf dem Hof vor der Norderstraße 65 ist ein silberblauer Mannschaftswagen geparkt, davor stehen zwei Beamte. Das Kollektive Zen­trum (KoZe) wird von der Polizei überwacht, sie patrouilliert dort 24 Stunden am Tag. Gleich hinter dem Einsatzfahrzeug am Eingangstor des KoZe beginnt der Bauzaun, an dem sich die Gemüter im Münzviertel erhitzen.

Das eiserne Gestell erstreckt sich vielleicht über 100 Meter und ist mit Holz verkleidet – offenbar, damit niemand hindurchsehen kann. Auf Schildern wird vor „Asbestarbeiten“ gewarnt. Doch die Nutzer des teilweise besetzten Geländes haben Zweifel. „Asbestarbeiten wären bemerkbarer“, sagt Marcus, ein Sprecher des KoZe. Bisher seien nirgends Baucontainer oder Menschen in Schutzanzügen zu sehen.

Vielmehr, so zumindest Marcus’ Verdacht, „werden dort Abrissarbeiten vorbereitet und die Räume so weit zerstört, dass Wohnen nicht mehr möglich ist.“ Zumindest in diesem Punkt gibt ihm die Stadt Recht. „Wir arbeiten darauf hin, diese Gebäude abzureißen“, sagt Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde. Die Asbestarbeiten hätten schon begonnen, sie gingen zügig voran. „Hier das Gegenteil zu behaupten, ist eine freche Lüge“, sagt Stricker.

Im Münzviertel soll neuer Wohnraum entstehen, dafür hat die Stadt die Gebäude der ehemaligen Gehörlosenschule an eine Immobilienfirma verkauft. 400 Wohnungen sind geplant. „Der Vertrag ist unterschrieben, die Übergabe steht bevor“, sagt Stricker. Im Herbst 2016 soll mit dem Neubau begonnen werden, die ehemaligen Schulgebäude müssen daher weitestgehend weichen – auch das KoZe. Derzeit hat das Kunstlabor naher Gegenden (KuNaGe) 70 Quadratmeter und einen Teil der Außenfläche gemietet.

Besetzer wollen Wohnraum für Flüchtlinge und 100 Bedürftige schaffen

Der Vertrag ist unbefristet, aber monatlich kündbar und „wenn wir uns gezwungen sehen, werden wir den auch kündigen“, sagt Stricker. Die Besetzer nennen das „konfliktfreie Zwischennutzung“, belegen allerdings mehr als nur diesen angemieteten Bereich und wollen darum kämpfen, „dass die Häuser hier in eineinhalb Jahren noch stehen“. Ende Juli rückte die Polizei dort an – offiziell, um die Bauarbeiten zu sichern. Im KoZe wird allerdings vermutet, dass hinter dem sichtgeschützten Bauzaun eine Räumung vorbereitet wird. Die Besetzer möchten das verhindern und haben daher ein Konzept für die Nutzung der Gebäude erarbeitet. Der Plan sieht ein Wohnprojekt für bis zu 100 Menschen, eine Flüchtlingsunterkunft und eine zentrale Informationsstelle vor, die Interessenten an die Einrichtungen des Hauses vermittelt.

Außerdem wollen die Initiatoren das Zentrum vergrößern. Dafür erhalten sie viel Zuspruch, auch vom AStA. „Sozialer Wohnraum wird von Jahr zu Jahr sukzessive abgeschafft“, sagt Oliver Vornfeld vom AStA. Die Pläne des KoZe seien ein gutes Beispiel, wie Leerstand sinnvoll genutzt werden könne. Er kritisiert, dass die Stadt alte Gebäude im Münzviertel „abreißt und Wohnraum schafft, den sich keiner leisten kann“. 60 Prozent der Fläche soll laut Investor staatlich gefördert werden.

Der Mieter einer Teilfläche ist der einzige Verhandlungspartner der Stadt

Neben Senioren- und Familienwohnungen soll es Wohnungen für Studenten und frei finanzierte Mietwohnungen geben. „Mikroapartments“, wie sie die KoZe-Vertreter nennen, „klein und zu teuer“. Stattdessen wollen die Besetzer einen Baustopp, eine Bauprüfung und natürlich die Räume zur Umsetzung ihres Konzepts. Außerdem fordern sie eine „faire Perspektive“, denn der jetzige Platz reiche nicht aus.

Bei der Finanzbehörde werden ihre Forderungen wohl kein Gehör finden. „Wir sprechen nicht mit Leuten, die es für eine gute Sache halten, sich Grundstücke anzueignen, die ihnen nicht gehören“, sagt Stricker. Die Besetzer sagen, die Stadt habe nur keine Argumente und wolle deshalb nicht mit ihnen reden. Einziger Verhandlungspartner ist das KuNaGe in Person von Günter Westphal. Der wirft der Stadt vor, eine Einigung zu bremsen. „Wenn wir auf Augenhöhe reden, können wir eine Lösung finden. Aber dieses Vorgehen hier, das ist keine Augenhöhe.“