Hamburg. Das Sturmtief “Zeljko“ hat den Norden erreicht. Bei Heimfeld ist ein Güterzug gegen einen Baum gefahren. Wutzrock-Festival abgesagt.

Der Norden wappnet sich für das Sturmtief "Zeljko". Die Sturmspitze wird für 3 Uhr in der Nacht erwartet. „Wir bereiten uns darauf vor wie auf einen Herbststurm“, sagte ein Sprecher der Leitstelle in Harrislee (Kreis Schleswig-Flensburg). Man habe bereits freiwillige Helfer zur Unterstützung in der Nacht zu Sonntag alarmiert. Erste Gewitter in der Nacht zu Sonnabend hatten bereits Spuren hinterlassen.

Auch in Hamburg rechnete man mit Sturm und Gewitter, insgesamt sollte es dort nach Einschätzung der Wetterexperten aber im Vergleich zur Nordseeküste ruhiger zugehen. „Hier ist alles noch ganz entspannt“, berichtete auch ein Feuerwehrsprecher am frühen Abend. „Wir haben gerade sechs wetterbedingte Einsätze, unter anderem wegen umgefallener Bäume.“

In Billstedt und Bergedorf rückte die Feuerwehr aus, um die Straßen wieder freizuräumen. In Heimfeld ist ein Baum auf die Gleise gestürzt. Ein Güterzug war trotz Schnellbremsung gegen den Baum geprallt, wie Bundespolizei-Sprecher Carstens sagte. Dabei ist die Oberleitung auf etwa 400 Meter beschädigt worden und einige Masten sind umgeknickt. Zudem ist nach Angaben der Bundespolizei eine Schallschutzmauer schwer beschädigt worden. Der 55 Jahre alten Lokomotivführer sei aber nicht verletzt worden. Scheiben der Lok waren bei dem Aufprall kaputt gegangen. Der Güterzug war auf dem Weg von Cuxhaven nach Harburg.

Am Abend sagten die Verantwortlichen das Wutzrock-Festival wegen der Unwetterwarnung ab. Die Festivalwiese und die Zeltplätze sollten geräumt werden. Dafür spielen am Abend Adam Angst und Leoniden ab 21 Uhr im Molotow, wie es auf Twitter hieß. gegen 16 Uhr hieß es noch, alle Bands würden spielen.

Verspätungen bei der Bahn

Die Hamburger Feuerwehr ist nach wie vor mit den Räumarbeiten beschäftigt, wie ein Feuerwehr-Sprecher sagte. Problem sei die Zugangsstelle und das Gewicht der Bäume. Mittlerweile sei ein Kran vor Ort mit dem versucht werde, die Bäume von den Gleisen zu holen. Etwa 66 Einsatzkräfte seien vor Ort. Die Strecke ist nach wie vor gesperrt.

Die Deutsche Bahn sagte auf Anfrage, im Gebiet Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen kann es aufgrund von umgestürzten Bäumen und Ästen auf den Gleisen zu Verspätungen kommen. Teilweise würden Züge langsamer fahren, was zu Verspätungen führe, so der Sprecher. Auch der Metronom, der die Strecke zwischen Hamburg und Cuxhaven bedient, weist auf Verzögerungen hin.

In Niedersachsen seien die Strecken zwischen Rohrsen und Nienburg (Weser) sowie zwischen Hannover und Hannover-Lehrte betroffen, sagte ein Sprecher der Bahn in Berlin. Damit war die direkte Verbindung von der Landeshauptstadt nach Berlin unterbrochen. Während bei Nienburg nur ein Gleis ausfiel, musste die Strecke von Hannover nach Berlin zunächst voll gesperrt werden. In beiden Fällen waren die Oberleitungen von den Sturmschäden betroffen.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte für die Hansestadt Sturmböen mit Windstärken von acht bis neun angekündigt und vor Blitzeinschlägen gewarnt.

Unwetter an der Nordseeküste

Besonders an der Nordseeküste müsse man daher mit starken Unwettern rechnen, sagte eine DWD-Meteorologin. Bis Mitternacht könne es dort zu Sturmböen der Windstärken elf und zwölf kommen. Für Niedersachsen gab der DWD ebenso wie für Nordrhein-Westfalen und Hessen Warnungen heraus.

Der starke Wind brachte die Fahrpläne zwischen der Hochseeinsel Helgoland und dem Festland sowie zwischen Neuwerk und Cuxhaven durcheinander. Die Fähren zu den Nordfriesischen Inseln und Halligen sowie die Elbfähre Glückstadt-Wischhafen und der Sylt-Shuttle fuhren jedoch fahrplanmäßig.

Auch Gewitter und Starkregen wurden erwartet. Der DWD warnte vor herabstürzenden Dachziegeln, Ästen und umstürzenden Bäumen. Bei Aktivitäten im Freien sei „größte Vorsicht geboten“. Weil die Bäume voll belaubt sind, bieten sie dem Sturm viel Angriffsfläche.

Einige kleinere Open-Air-Veranstaltungen an der schleswig-holsteinischen Küste seien bereits abgesagt worden, berichtete die Leitstelle in Harrislee. Auch einige Ausflugsschiffe auf Sylt sollten im Hafen bleiben. Insgesamt aber meldeten die Leitstellen von Polizei und Feuerwehr im Norden bis zum frühen Abend keine größeren Einsätze. „Hier ist alles ruhig“, hieß es in Harrislee.

Bei einem Musikfest des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) auf Schloss Wotersen im Kreis Herzogtum Lauenburg mussten sich am Nachmittag einige Menschen kurz in Sicherheit bringen, als plötzlich ein Gewitter aufzog. Während in der Reithalle die Konzertbesucher Tschaikowksy-Melodien lauschten, suchten die Händler draußen schnell Schutz in den Stallungen.

Gefahr von orkanartiger Böen

Sturmtief „Zeljko“ habe mit schweren Sturmböen am Abend die ostfriesischen Inseln getroffen, sagte DWD-Meteorologin Jutta Perkuhn in Hamburg. „Noch in der ersten Hälfte der Nacht besteht aber die Gefahr orkanartiger Böen.“ Vor allem im Westen und Süden rechne der DWD mit hohen Windgeschwindigkeiten, hieß es zuvor. Dabei könnten Bäume entwurzelt werden oder Äste und Dachziegel herabstürzen. Vereinzelt könne es Schauer und Gewitter geben, im Nordosten des Landes müsse wie in Hamburg mit schweren Sturmböen gerechnet werden. „Zeljko“ zieht von der Nordsee über Dänemark bis nach Schweden.

Auch Veranstaltungsabsagen in Niedersachsen

In Niedersachsen wurden bis zum Abend keine größeren Schäden gemeldet. Auch von der Nordseeküste lägen zunächst keine entsprechenden Meldungen vor, hieß es bei den zuständigen Polizeidirektionen in Osnabrück und Oldenburg gegen 18.30 Uhr. In Cuxhaven seien Wattwanderer von der Feuerwehr aufgefordert worden, ans Ufer zurückzukehren.

Wegen der vorhergesagten orkanartigen Stürme wurde das Musikfestival „Wesermove“ in Nordenham abgebrochen. Ein gefahrloser Aufenthalt habe nicht mehr garantiert werden können, teilte die Polizei mit. Rund 160 Teilnehmer seien bereits am frühen Morgen mit Shuttlebussen nach Nordenham gefahren und in eine Halle vor dem nächtlichen Gewitter und Sturmböen in Sicherheit gebracht worden. Etwa 50 weitere Besucher hätten eigenständig die Heimreise angetreten. Das am Freitagabend eröffnete Festival hätte eigentlich bis Sonntag dauern sollen.

Alle Veranstaltungen des Jugendfestivals „Rock den Dom“ in Hildesheim wurden vom Domhof in die umliegenden Gebäude verlegt. Die Rockband Jupiter Jones sollte am Sonnabend wegen der Sturmwarnung nicht mehr vor dem Hildesheimer Dom sondern in der Bischofskirche auftreten, teilte ein Bistumssprecher mit. Abgesagt wurde wegen „Zeljko“ der Volkstriathlon in Wolfsburg, wie die Polizei mitteilte. Auch die IG Metall sagte ihr für Sonnabend geplantes Sommerfest in Wolfsburg ab. Möglicherweise solle das Fest nachgeholt werden, hieß es.

Holi-Festival verschoben

Bereits am Freitag wurde aufgrund der Sturmwarnung das Holi-Festival „Farbgefühle 2015“ von den Veranstaltern kurzfristig abgesagt. Ursprünglich sollte das Farbspektakel am Sonnabend (25. Juli) auf der Horner Rennbahn stattfinden.

Aufgrund des vorhergesagten Sturmtiefs habe sich das „Farbgefühl Team“ dazu entschieden, kein Festival durchzuführen, wenn die Sicherheit für die Besucher nicht gewährleistet sei, heißt es auf der Facebook-Seite.

Auf der eigenen Internetseite wurde das Datum ebenfalls schon geändert. Neuer Termin wird der 1. August. Ausgerechnet am Wacken-Wochenende. In sozialen Netzwerken fordern die ersten Besucher bereits ihr Geld zurück.

Unfall nach Starkregen

Nach starkem Regen sind in Barkelsby (Kreis Rendsburg-Eckernförde) zwei Autos frontal zusammengestoßen. Vier Menschen seien dabei verletzt worden, zwei davon schwer, berichtete die Polizei. Ein aus Richtung Eckernförde kommendes Fahrzeug war den Angaben zufolge hinter einer Kurve auf der regennassen Fahrbahn ins Schleudern geraten und frontal gegen ein entgegenkommendes Auto geprallt.

In beiden Wagen saßen jeweils zwei Menschen. Rettungswagen brachten die Verunglückten in umliegende Krankenhäuser. An den Fahrzeugen entstand Totalschaden. Die Polizei sperrte die L 26 eineinhalb Stunden komplett.

Was wird aus den Flüchtlingszelten?

Die erste Gewitterfront am Morgen hatte in Hamburg nur wenig Schäden angerichtet. Das angekündigte Unwetter wird die Stadt voraussichtlich nur an den Rändern streifen.

Deshalb werden die Standorte, auf den Flüchtlingszelte stehen, vorerst nicht evakuiert. "Durch die derzeitige Wetterlage sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Verlegung zurzeit nicht erforderlich sei", sagte Björn Domroese von der Innenbehörde.

Bereits am Sonnabendmorgen hatte das Technische Hilfswerk Hamburg (THW) die Zelte an den sieben Hauptstandorten der Stadt abgesichert.

Das THW hat die Zelte bereits am Morgen mit Sandsäcken weiter abgesichert
Das THW hat die Zelte bereits am Morgen mit Sandsäcken weiter abgesichert © HA | TV Newskontor

Je nach Boden habe man die Zelte entweder mit Eisenstangen im Boden verankern können oder lediglich Sandsäcke zum Schutz vor dem Wasser herangezogen, sagte ein THW-Sprecher. Der Sturmschutz sei allerdings notdürftig - „eine hundertprozentige Gewähr ist das nicht“. Dementsprechend bleiben Feuerwehr THW und das Deutsche Tore Kreuz in Alarmbereitschaft, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können.

Werden Fahrgeschäfte auf dem Dom geschlossen?

Das befürchtete Sturmtief soll laut Deutschem Wetterdienst so ausgeprägt sein, dass auch der Sommerdom in Gefahr ist. Der Veranstalter ist auf ruppige Winde, die zur Schließung einzelner Fahrgeschäfte führen könnten, eingestellt.

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Küstenregionen soll es besonders treffen

Besonders „tückisch“ zeige sich das Wetter heute an der Nordseeküste, sagt Lars Rohwer, Meteorologe vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation. Teile Schleswig-Holsteins lägen am Nachmittag in der Mitte des Tiefdruckgebiets. Wie im „Auge eines Hurrikans“ herrsche in diesen Regionen praktisch Windstille. „Innerhalb von ein, zwei Stunden kommen dann die Sturmböen“, so Rohwer. Wenig sommerlich geht es weiter. „Montag erwartet uns das nächste Tief mit kräftigen Niederschlägen.“

Dementsprechend wappnet sich der Norden für den Sturm: „Wir bereiten uns darauf vor wie auf einen Herbststurm“, sagte ein Sprecher der Leitstelle in Harrislee (Kreis Schleswig-Flensburg) am Sonnabend. Man habe bereits freiwillige Helfer zur Unterstützung in der Nacht zu Sonntag alarmiert.

Ein Toter in den Niederlanden

In den Niederlanden hat der Sturm einen Menschen das Leben gekostet. Bei Arnheim nahe der deutschen Grenze wurde am Samstag ein Autofahrer von einem umstürzenden Baum getötet, wie die Feuerwehr mitteilte. In Amsterdam, Apeldoorn und Rotterdam wurden mehrere Menschen von herabfallenden Ästen und umstürzenden Bäumen verletzt. Orkanartige Böen behinderten den Verkehr in weiten Teilen des Landes zeitweilig. Autobahnen waren gesperrt, der Zugverkehr im Ballungsgebiet um Amsterdam, Den Haag und Utrecht wurde unterbrochen. Am Amsterdamer Flughafen Schiphol wurden Dutzende Flüge gestrichen. Nach Angaben des meteorologischen Dienstes war es einer der schwersten Sommerstürme der Niederlande überhaupt. An der Küste sei Windstärke zehn gemessen worden.