Alexandra Friese, Geschäftsführerin beim Modeunternehmen Thomas-i-Punkt, ist eine Frau der Tat. Mit ihrem Vater, dem Firmengründer, treibt sie gerade den neuen Elbpark in Rothenburgsort voran.
Sie ist schon da. Wirft einen Blick in die Kasse, sortiert ein paar Unterlagen. Steht kurz vor Ladenöffnung hinter dem Verkaufstresen, der irgendwie auch ihr Büro ist, vor allem aber eines: ihr angestammter Platz im Thomas-i-Punkt-Haus an der Mönckebergstraße. „Ein ungewöhnlicher Arbeitsplatz, ich weiß, aber auch der beste der Welt“, sagt Alexandra Friese, die man dort an sechs Tagen in der Woche antreffen kann.
Die Geschäftsführerin ist gern mittendrin. Ein bisschen so wie ihr Vater Thomas Friese, der die Hamburger Marke 1968 gründete und den man auch mit seinen 71 Jahren immer noch im zweiten, frisch durchgestylten Geschäft am Gänsemarkt antrifft. Weil man so alles im Blick hat. Was sich wie der Wunsch nach Kontrolle anhören könnte, ist vor allem eines: die vollständige Identifikation mit dem eigenen Familienunternehmen.
So ist es beim Firmengründer, so ist es auch bei Alexandra Friese und ihren beiden Schwestern, die alle Teil dieser Thomas-i-Punkt-Welt sind. „Wir sind ein bisschen wie die Felsen in der Brandung“, sagt Alexandra Friese. Richtig feste Hierarchien gebe es nicht, jeder tue das, was seinem Talent entspreche. Sie selbst ist in dieser Konstellation für Finanzen und Logistik zuständig, die beiden Schwestern kümmern sich zusammen mit dem Vater um alles, was mit Mode zu tun hat: um das von Thomas Friese Mitte der 80er-Jahre gegründete Label Omen genauso wie um den Einkauf anderer Marken. Und das sind einige – allein auf den sechs Etagen an der Mönckebergstraße, die Alexandra Friese manchmal erscheinen wie sechs ganz verschiedene Geschäfte. „Es wäre eine Strafe für mich, wenn ich den Dameneinkauf machen müsste“, sagt sie und lacht ihr ansteckendes, offenes Lachen. Männerschuhe, die interessierten sie – und tatsächlich trägt sie an diesem Tag grobe Schnürstiefel zum kurzen Kleid. Die 48-Jährige hat ihren Stil gefunden, und es passt, wenn sie sagt: „Ich mag Menschen, die ’ne Type sind.“
Tatsächlich passt dies auch zu vielen Kunden, die dem Haus und vor allem Omen seit Jahren die Treue halten. „Das sind nicht nur ,Modefuzzis‘, wie manche denken. Der legere Stil, der an Künstler erinnern mag, ist noch da. Aber wir sind längst nicht mehr ,die mit den weiten, knittrigen Leinensachen‘.“ Beständigkeit, das sei es, was die eigenen Sachen auszeichne. „Manche Teile kann man gar nicht auftragen“, sagt Alexandra Friese. Erst kürzlich kam aus Wien ein Foto von einer etwas abgeliebten 25 Jahre alten Strickjacke, weil der Besitzer sich ein ähnliches neues Lieblingsteil wünschte. Nach so vielen Jahren im Geschäft weiß man, wie die Stammkunden ticken.
Schon als Zwölfjährige hat Alexandra Friese im elterlichen Betrieb gejobbt. Dass sie eines Tages dort ihren Beruf ausüben würde, sei allerdings ganz und gar nicht klar gewesen. Musik war damals ihre große Leidenschaft. „Ich hörte Kraftwerk, Police, Clash. Ich habe in meinem Leben noch nie etwas gesammelt, aber die Konzertkarten habe ich alle noch.“
Als sie etwa 17 war, habe sich plötzlich ihr Vater mit ihr über ihre Ausbildung unterhalten wollen. „Weil ich zu Hause ein eigenes Fotolabor hatte und mich auch für Filme begeistern konnte, schlug er mir die Filmhochschule vor.“ Dass sie dort nicht genommen wurde, wurmte sie seinerzeit sehr – heute ficht es sie nicht mehr an.
Eine Frau, die bei einer guten Idee zupackt und keine Barrieren kennt
Es gab ja damals in den 80ern für die Abiturientin im Familienunternehmen auch genügend Aufgaben, weil ihr Vater gerade das Label Omen aufbaute. 1989 wurde das denkmalgeschützte Hulbe-Haus mit der vergoldeten Kogge auf dem Dach bezogen, ihr heutiges Territorium. „Immer wenn mein Vater weitere Expansionspläne hatte, habe ich ihn gebremst. So ein Konzept kann man nicht so einfach vervielfältigen.“
Wenn Alexandra Friese von sich erzählt, tut sie dies ganz offen und ungefiltert. Zwangsläufig ist immer wieder die Rede vom Vater, dem Selfmademan und passionierten Regattasegler. Immer wieder kommt die große Familie ins Bild, die in ihrer Zusammensetzung gar nicht so leicht zu verstehen ist. Die 48-Jährige selbst hat drei leibliche Geschwister, ihre drei Halbgeschwister aus einer späteren Beziehung ihres Vaters sind jünger als ihr eigener, gerade volljähriger Sohn. Man ist ziemlich eng miteinander, quer durch alle Generationen. „Ich habe eine Menge Patchwork-Erfahrung“, sagt Alexandra Friese, die in zweiter Ehe mit einem Personaltrainer („kein Personal Trainer!“) verheiratet ist. Er brachte eine Tochter mit in die Ehe.
Vorher, als sie noch mit ihrem Sohn allein war, hat sie in einem mit Reet gedeckten Pförtnerhaus im Jenischpark gewohnt. Es war damals ein Traum, das mehr als 200 Jahre alte Gebäude von Grund auf zu sanieren. Anders als das Elternhaus sei es nicht besonders groß gewesen: „Aber ich bin sowieso jemand, der am liebsten nur einen Karton mit persönlichen Sachen hat. Viel Klimbim und Besitz belasten mich.“ Alexandra Friese wirkt sehr unabhängig. Erst vor Kurzem hat sie ihrer Stieftochter den Rat gegeben: „Tue nie etwas, um anderen zu gefallen.“
Manchmal, wenn Alexandra Friese vorn an ihrem Platz im Laden steht, hört sie, wie ein Passant zu einem anderen sagt: „Thomas-i-Punkt, das ist dieser Skater-Laden.“ Stimmt nicht. Die Assoziation ist jedoch erklärlich, schließlich gibt es noch heute das i-Punkt-Skateland, dessen Vorgänger 1990 von Thomas Friese finanziert wurde. Vor einigen Jahren hat die Stadt das Projekt übernommen, Alexandra Friese engagiert sich trotzdem noch als Vorsitzende des Vereins. „Als mein Vater die Idee hatte, einen Ort für jugendliche Skater zu schaffen, hat er aus einem Impuls heraus gehandelt.“ Er hat eine Halle organisiert und Rampenbauer aus den USA engagiert. So sei er eben, immer bereit, viel Zeit zu investieren, wenn er etwas richtig gut findet. Und dass dieser Wesenszug die Tochter mit ihrem Vater verbindet, verdeutlicht eine weitere gemeinsame Herzensangelegenheit: das Projekt „Elbpark Entenwerder“, nicht weit entfernt vom eigentlichen Firmensitz. Wie die eigene Näherei befindet sich dieser schon seit 1973 im Stadtteil Rothenburgsort.
Bereits 2006 war Thomas Friese auf einen 200 Meter langen ehemaligen Zollanleger unweit der Elbbrücken aufmerksam geworden, mietete eines der darauf stehenden kleinen Gebäude als kreativen Rückzugsort. Als der Anlage der Abriss droht, gründete er eine Betreiberfirma. „Dieser Ort hat eine ganz eigene Romantik“, sagt Alexandra Friese – eher feststellend als schwärmerisch. „Enten, Kormorane, die Wasserschutzpolizei, die ab und zu vorbeifährt.“ Der benachbarte öffentliche Park sei ein wenig in Vergessenheit geraten, die Büsche teilweise so hoch, dass man die umgebende Elbe gar nicht richtig sehen könne. Trotzdem: „Hamburger oder nicht – wer dort am Anleger steht, kommt auf gute Gedanken.“
Einiges ist seit 2007 schon passiert bei diesem Projekt, das die Stadt mit einer Million Euro unterstützt hat: Die alte „Wassertreppe 51“ wurde saniert und als neue „Elbparkbrücke“ installiert. Außerdem haben die Frieses einen 600 Quadratmeter großen Ponton organisiert. Dort soll ein Leuchtturmprojekt realisiert werden. „In den nächsten Wochen wird der begehbare Goldene Pavillon aus kupfernem Lochblech auf dem Ponton aufgebaut.“ Spannende Ausblicke solle dieses architektonische Wahrzeichen gewähren und viele Besucher anlocken, die vielleicht über den neuen Elbe-Radwanderweg kommen oder ab 2018 von der neuen S-Bahn-Station Elbbrücken.
Überdies soll der Pavillon Heimstätte sein für das eigentliche Herzstück des Projektes: Der Verein „Entenwerder Elbpiraten“ wird es Kindern und Jugendlichen aus dem Stadtteil ermöglichen, den Segelsport auszuüben. Auf alle wird dann in einem umfunktionierten Container das Entenwerder Elbcafé warten. Es gibt noch so viele Ideen, die an diesem beinahe vergessenen Ort realisiert werden könnten: ein Schwimmbad, eine Wassertreppe, Elbparkterrassen. „Träume für übermorgen“, wie Alexandra Friese es nennt.
Sie hofft, dass ihr Sohn diese Offenheit für Neues von ihr mitbekommen hat. So wie sie von ihrem Vater. „Man muss sich etwas zutrauen, wenn man etwas bewegen möchte“, sagt sie. Keine Barrieren im Kopf haben, darauf komme es an. Aber auch darauf, sich immer in andere hineinzuversetzen.
Ein junger Mitarbeiter spricht Alexandra Friese an. „Kannst du bitte kurz die Kasse übernehmen?“ Natürlich macht sie das. Dass manche Kunden die Geschäftsführerin möglicherweise für eine Angestellte halten? Stört diese herzlich wenig.