Zwischen 2010 und 2013 wurden Krebspatienten mit falsch berechneter Dosis bestrahlt. Ein Prüfbericht der Ärztekammer brachte weitere Unregelmäßigkeiten ans Licht. Grüne und Linke fordern Aufklärung.

Hamburg. Nach dem Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten bei der Behandlung von Krebspatienten des Asklepios Klinikums St. Georg hat der Krankenhauskonzern am Montag eingeräumt, dass es zehn Fälle von sogenannter Unterbestrahlung gegeben hat. Der Behandlungszeitraum lag demnach zwischen 2010 und 2013.

Die „Hamburger Morgenpost“ hatte berichtet, dass am AK St. Georg Krebspatienten im Rahmen der sogenannten Brachytherapie mit einer falsch berechneten Dosis therapiert worden seien. Die spezielle Therapie wird bei Gebärmutter- und Prostatakrebs und Tumoren in Hals- und Brustbereich angewendet. Laut „Mopo“ habe diese nur einen Bruchteil der erforderlichen Dosis betragen. Acht der zehn betroffenen Patienten seien innerhalb weniger Monate gestorben. Ob sie bei einer anderen Therapie länger gelebt hätten, sei jedoch ungeklärt.

„Alle Patienten litten an weit fortgeschrittenen oder wieder aufgetretenen Krebserkrankungen. Die Unterdosierungen wurden im März 2013 von der Klinik selbst entdeckt und die Patienten sowie die zuständige Aufsichtsbehörde informiert“, sagte Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz auf Anfrage des Abendblatts. „Die Unterbestrahlung ist auf ein unsicheres Kalkulationsprogramm eines Bestrahlungsgeräts zurückzuführen.“

In einer Stellungnahme erklärte die Gesundheitsbehörde, die seit März 2013 über den Fall informiert ist, allerdings erstmalig, dass auch menschliches Versagen für die falsche Strahlendosierung verantwortlich ist. „Danach resultierten die Unterdosierungen aus einer Fehlinterpretation der Dosisverteilung im Bestrahlungsplan“, sagte ein Sprecher der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV). Durch die manuelle Eingabe sei „systembedingt“ die Bestrahlungsdauer ungewollt verringert worden. Mittlerweile habe der Hersteller die Software überarbeitet.

Das AK St. Georg hatte laut Asklepios-Sprecher Eberenz ein Maßnahmenpaket aufgesetzt, um ein erneutes Auftreten des Problems auszuschließen. Dazu zählten insbesondere auch erneute Mitarbeiterschulungen. „Seitdem ist das Problem nicht wieder aufgetreten“, so Eberenz.

Die Bürgerschaftsfraktionen von Grünen und Linken haben noch am Montagvormittag Kleine Schriftliche Anfragen an den Senat gestellt. „Dieser Fall muss umgehend und lückenlos aufgeklärt werden. Es stellt sich vor allem die Frage, warum seitens der Behörden nicht früher gehandelt wurde“, sagte Katharina Fegebank, Sozialexpertin der Grünen und Spitzenkandidatin für die Bürgerschaftswahl. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken-Bürgerschaftsfraktion, Kersten Artus, fordert zudem, dass der Prüfbericht der Ärztekammer veröffentlicht wird.

Unabhängig von den Unterdosierungen hatte eine Routine-Überprüfung von 129 Patientenakten aus den Jahren 2004 bis 2013 nach „Mopo“-Angaben weitere Fehler ans Licht gebracht. Sie seien in einem 14-seitigen Bericht dokumentiert, der dem AK St. Georg und der Gesundheitsbehörde seit Mitte November 2014 vorliege. Demnach habe bei 21 Patienten keine Indikation für eine Bestrahlung bestanden, drei Betroffene seien zu hoch dosiert worden. Außerdem sollen die Kontrolleure der Abteilung chaotische Aktenführung, mangelnde oder falsche Patientenaufklärung sowie fehlende oder nachträglich manipulierte Dokumentation vorgeworfen haben. Diese Vorwürfe weist der Asklepios-Sprecher zurück.

Die Gesundheitsbehörde bestätigt dagegen, dass der Prüfbericht der Ärztekammer neben Unregelmäßigkeiten bei der Brachytherapie in der Klinik St. Georg auch auf weitere Mängel stieß, beispielsweise auf „fehlende Indikation und Dokumentationsfehler“.

Zu den Konsequenzen erklärte die Behörde: Sie habe den Bericht „umgehend in Hinblick auf strahlenschutzrechtlich erforderliche Maßnahmen detailliert geprüft und offene Fragen schriftlich mit der Ärztekammer geklärt“. Die Ärztekammer habe inzwischen erklärt, dass die Brachytherapie wieder aufgenommen werden könne, da die Mitarbeiterschulungen stattgefunden hätten.

Die Staatsanwaltschaft prüft, ob es Ermittlungsverfahren aus dem betreffenden Zeitraum gibt.