Prozeß: Richter sehen keinen Fall fahrlässiger Tötung an Krebspatientin. “Objektiver Sorgfaltspflichtverstoß“ sei Klaus-Henning Hübener nicht nachgewiesen worden. Oberstaatsanwalt empfiehlt Revision.

Prof. Klaus-Henning Hübener (62) lächelte für einen Moment, einigen seiner Angehörigen im Zuschauerraum kamen die Tränen: Die Große Strafkammer 6 des Landgerichts hat den suspendierten früheren Chefradiologen des Uniklinikums Eppendorf gestern vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen - das Ende eines Prozesses, der im Zusammenhang mit dem "UKE-Strahlenskandal" stand.

Es sei eine Entscheidung zu einem "traurigen Einzelfall, keine Entscheidung zu einem Strahlenskandal", sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Göbel. Konkret ging es um den Tod der Krebspatientin Irene S. (67). "Weil ein objektiver Sorgfaltspflichtverstoß nicht gesehen und nachgewiesen wurde, war der Angeklagte freizusprechen", sagte Göbel. Die Kammer folgte damit Hübener, der seine Schuld stets bestritten hatte. Oberstaatsanwalt Manfred Wagner sagte, er werde empfehlen, Revision einzulegen. Er hatte für den damaligen Leiter der UKE-Radiologie eine Geldstrafe von 9000 Euro gefordert. Er empfinde einfach "Genugtuung", war die erste Reaktion Hübeners nach der Urteilsbegründung.

Seit fast zwölf Jahren ist Hübener vom Dienst suspendiert, seit 1993 der "UKE-Strahlenskandal" bekannt wurde. Mehr als 200 durch Strahlen geschädigte Patienten, die damals nach der "Sandwich-Methode" am UKE behandelt worden waren, hatten Schadenersatz gefordert. Bislang wurden 20 Millionen Euro Entschädigung von der Stadt gezahlt, mehr als 200 strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurden eingestellt. Diese zivilrechtlichen Entschädigungen seien von dem jetzt entschiedenen Strafverfahren zu trennen, betonte Göbel.

Die Staatsanwaltschaft geht weiter davon aus, daß Hübener für den Tod der Patientin Irene S. strafrechtlich verantwortlich war. Die 67jährige, die an Enddarmkrebs litt, war 1988 mit sehr hohen Dosen vor und nach der Operation bestrahlt worden. Sie starb elf Jahre später im April 1999. Selbst wenn die Kammer theoretisch zu dem Schluß gekommen wäre, daß ein objektiver Sorgfaltspflichtverstoß Hübeners vorgelegen hätte, hätte die Kammer ihn freigesprochen, so Richter Göbel. Denn: Jede Strahlentherapie habe hohe Risiken von Nebenwirkungen, so daß man nicht den erforderlichen sicheren Nachweis hätte führen können, "daß die Patientin bei einer anderen Strahlentherapie länger gelebt hätte", sagte Göbel. Zwar sei die Strahlentherapie "mitursächlich für den Tod" der Irene S. Aber: Allein, wenn schwere Komplikationen vorlägen, könne man daraus noch nicht auf eine Fehlerhaftigkeit der Behandlung schließen. Die damalige Sandwich-Methode sei ein "vertretbarer Versuch" der Behandlung gewesen, die zudem schon 1977 bis 1979 am AK St. Georg praktiziert worden sei. Göbel sagte an die Adresse Hübeners aber auch dies: "Es wäre auch besser gewesen, wenn das Konzept schriftlich ausgearbeitet worden wäre." Als medizinischen Fehler werteten die Richter allein eine Leistenbestrahlung bei der Patientin. Dafür habe jedoch ein Oberarzt die Verantwortung getragen - nicht aber Hübener.