Eine ungewöhnliche Barkassentour auf der Elbe erinnert seit 25 Jahren an die NS-Kriegsproduktion, Zwangsarbeiter und Widerstand. Anlass dafür war der 800. Hamburger Hafengeburtstag.

Hamburg. Der Blick vom Michel, der Reeperbahn-Bummel und die große Hafenrundfahrt gehören zum Standardprogramm der Hamburg-Touristen. Doch es gibt auch eine Hafenrundfahrt der leisen Töne. Seit 25 Jahren bietet die KZ-Gedenkstätte Neuengamme alternative Rundfahrten an, die über die Rüstungsproduktion der Nationalsozialisten, das Leid von Hunderttausenden Zwangsarbeitern und den Widerstand der Hafenarbeiter informieren.

Bei schönem Wetter kann es auf der Barkasse „Hans Ehlers“ auch schon mal eng werden, wenn Historiker Herbert Diercks und sein Team vom Hafenalltag während der Nazi-Diktatur erzählen. Anlass für die alternativen Rundfahrten war der 800. Hafengeburtstag im Jahr 1989. Die KZ-Gedenkstätte befand, die Feierlichkeiten müssten mehr bieten als wirtschaftsfreundliche Hafenromantik mit Bier und Fischbrötchen. Ein internationaler Workshop erarbeitete ein Konzept. Einmal im Monat startet seitdem die Schiffstour, das nächste Mal am 31.August.

Viele markante Gebäude aus der NS-Zeit wurden inzwischen abgerissen. Nur noch Fotos erinnern zum Auftakt des Schiffstörns an den Fruchtschuppen C des Magdeburger Hafens am Rand der heutigen HafenCity. Er war ein Lager für Sinti und Roma. 910 Internierte wurden im Mai 1940 vom nahe gelegenen Hannoverschen Bahnhof nach Polen deportiert, die meisten dort ermordet. Im Baakenhafen, eine Brücke weiter, standen Hallen, in denen der Besitz verfolgter Juden deponiert wurde. Transport und Lagerung hatten Firmen wie die Hafen- und Lagerhaus AG und die Spedition Kühne & Nagel übernommen. Von 1941 an ersteigerten die Hamburger Möbel, Teppiche, Pelze und Schmuck zu niedrigen Preisen. Auch einfache Hausfrauen, erläutert Herbert Diercks, hatten so in der Kriegszeit auf einmal einen Pelzmantel.

Das Lagerhaus G am Dessauer Ufer im Osten des Hafens steht heute unter Denkmalschutz. Hier waren im Juli 1944 rund 1500 jüdische Frauen für Aufräumarbeiten interniert. Anschließend wurde das Lagerhaus mit 2000 politischen Gefangenen belegt, ehe die Alliierten es im Oktober 1944 bombardierten. Insgesamt verpflichteten die Nationalsozialisten in Hamburg zwischen 1940 und 1945 rund eine halbe Million Männer und Frauen zur Zwangsarbeit, die meisten wurden im Hafen eingesetzt.

Der Hamburger Hafen ist nach Diercks’ Worten aber auch immer ein Ort des Widerstands gewesen. Hafenarbeiter hätten mithilfe illegaler Flugblätter das Ausland über geheime Waffenlieferungen an die Franco-Faschisten in Spanien informiert. Seitdem war Hamburg als „Franco-Hafen“ verschrien. Einer der Widerstandskämpfer war der Vater des Liedermachers Wolf Biermann: der Werftarbeiter Dagobert Biermann, 1943 in Auschwitz ermordet.

Wirtschaftlich zählte Hamburg zu den Nutznießern der Nazi-Diktatur. Ursprünglich war die Hansestadt deutlich kleiner. Das änderte sich 1937, als die Nationalsozialisten mit dem „Groß-Hamburg-Gesetz“ verfügten, dass Preußen Städte wie Altona, Harburg, Wilhelmsburg, Wandsbek und Rahlstedt abtreten musste. Die Werften hatten mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten Hochkonjunktur. Wo heute Luxusyachten konstruiert werden, baute man Kriegsschiffe. Blohm + Voss produzierte U-Boote, und die Stülcken-Werft baute Fischdampfer zu Minensuchbooten um. Im Februar 1939, ein halbes Jahr vor Kriegsbeginn, taufte Adolf Hitler bei Blohm + Voss das damals weltweit größte Schlachtschiff auf den Namen „Bismarck“.

Die nächste Alternative Hafenrundfahrt „Widerstand und Verfolgung und der Hamburger Hafen“ findet statt am Sonntag, 31.08., 15.30-17.30. Teilnahmegebühr: 15 Euro. Anmeldung unter 040/428 131 531. Treffpunkt: Barkassen-Centrale Ehlers, Anleger Vorsetzen, U-Bahnhof Baumwall