Beim Public Viewing auf dem Heiligengeistfeld feierten 45.000 Fans das deutsche WM-Team – im Portugiesenviertel hingegen herrschte Tristesse.
Die Sonne scheint nur in den Herzen der gut 45.000 Fans, die sich vor der Großbildleinwand auf dem Kia-Fanfest auf dem Heiligengeistfeld versammelt haben. Und die Fans sind heiß. Als kurz vor dem Anstoß zum ersten WM-Gruppenspiel der Deutschen Nationalmannschaft gegen den „FC Ronaldo“ aus Portugal die Nationalhymne erklingt, singen gefühlt alle bierselig mit, und das Heiligengeistfeld verwandelt sich in ein fantastisches schwarz-rot-goldenes Farbenmeer, in dem die wenigen rot-grünen portugiesischen Fahnen untergehen.
Zur gleichen Zeit im Portugiesenviertel: In der Ditmar-Koel-Straße halten sich Portugiesen und deutsche Fans die Waage. In den Restaurants und Bars flimmern die Großbildfernseher. Die Wirte verkaufen Flaschenbier am Straßenrand. Wirt Manuel Pereira, der vor zwei Jahren nach dem verlorenen Gruppenspiel seiner Portugiesen bei der EM (0:1) noch eine Träne verdrücken musste, glaubt fest daran, dass die Revanche gelingen wird. Der entscheidende Faktor heißt „Rrrrronaldddo!“
St. Pauli. Anstoß. „Ronaldo? Boateng wird ihn abmelden“, sagt Kevin Nielsen, 21, aus Lurup, der sich mit einer schwarz-rot-goldenen Eishockeymaske getarnt hat. Sein Tipp: 2:1, das meistgenannte Ergebnis auf dem Fan-Fest, auf dem in diesem Jahr keine Fahnen erlaubt sind. Was einige Fans ziemlich „sch....e“ finden, sagt Manuel Grill, 25, aus Wilhelmsburg, der sich seinen kahlen Schädel mit lustigen Fußbällen beklebt hat. Und mit der deutschen Fahne im Miniformat natürlich.
Nach gut 20 Minuten passiert dann genau das, was sich alle Bier- und Bratwurststände wünschen: Das 1:0 durch Müller, dem in der 20. Minute der berechtigte Platzverweis für Pepe folgt, das 2:0 in der 32. Minute durch Hummels – und kurz vor der Pause dann sogar noch das 3:0, wieder durch Müller. Der Todesstoß für Portugal. Die deutschen Fans sind hingegen endgültig angekommen in „Schlaaaand!“
Zu diesem Zeitpunkt herrscht im Portugiesenviertel längst Tristesse. Die beim 3:0 kurz vor dem Pausenpfiff sekundenschnell in tiefe Trauer mutiert. So viel Vinho Verde kann man gar nicht trinken, und so viel Fado kann man gar nicht hören. Aber die Portugiesen zeigen sich als tapfere Verlierer – und kompensieren den Schmerz der Niederlage mit dem geschäftstüchtigen Gedanken, dass Gewinner mehr trinken. Und überhaupt, sagt Wirt Manuel: „Es ist doch bloß ein Spiel!“
Der Rest ist schnell erzählt: 4:0 durch Müller, eine klare Sache, gefühlt sind wir bereits Weltmeister. Ab der 85. Minute skandiert die Menge vor der Großbildleinwand „Deutschland, Deutschland“ – und die tolle Parade von Manuel Neuer nach einem „Rrrronalldddo-Freistoß“ kurz vorm Schlusspfiff wird gefeiert wie ein Tor. Wenn bisher nur knapp 20 Prozent der Deutschen an den WM-Titel glaubten, dürfte sich diese Zahl zumindest bei den Fans nun bestimmt verdoppelt haben.
Die Nationalmannschaft erwischt einen Traumstart ins Turnier – und die Organisatoren des Kia-Fan-Fests auch. Es bleibt friedlich, lustig und bunt. Die Polizisten können interessiert dem Spiel folgen, der Funkverkehr zwischen den Sanitätskräften ist mau. „Wir haben wirklich erstaunlich wenig zu tun, es gab ein paar Fälle von Alkoholmissbrauch“, sagt ein Malteser. Aber es ist ja auch nicht brüllend heiß. Noch nicht.