Sie wurde in eine Schaustellerfamilie geboren, war aber noch nie auf dem Hamburger Dom. Dennoch sollte die Hansestadt das Leben von Margit Ramus verändern. Mit 62 Jahren promovierte sie jetzt über Volksfeste.
Hamburg. Wenn man Witze machen wollte, könnte man Margit Ramus als „Doktor Dom“ bezeichnen. Wer zum Thema Volksfeste promoviert, der muss wohl mit so was rechnen. Aber Ramus würde es gelassen nehmen. Die 62-jährige Schaustellerin ist stolz auf ihren Titel, den sie erst im vergangenen Jahr erlangt hat. Derzeit ist die gebürtige Kölnerin zu Besuch in Hamburg. Klar, dass sie sich einen ausgiebigen Dom-Bummel nicht entgehen lässt - ihr erster überhaupt.
Zwischen Cobra Coaster, City Skyliner, gebrannten Mandeln und Zuckerwatte plaudert sie über die wissenschaftliche Seite des Volksfestes. Ihre Doktorarbeit hat sie über „Die Architektur und Dekorationen von Karussells und anderen Volksbelustigungen“ verfasst. Klingt etwas sperrig, ist es aber eigentlich gar nicht. Ramus hat in ihrer Arbeit herausgefunden, dass es bei den Buden und Fahrgeschäften genau so Stilepochen gibt, wie in der Kunst und klassischen Architektur. „Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden alle Fahrgeschäfte mit neubarocken Dekorationselementen gestaltet. Ab 1945 begann in der Dekoration die Moderne mit viel abstrakter Malerei. In den vergangenen 30 Jahren wurden dann Pop-Art, Comic und Street-Art zu Dekorationszwecken der Karussells verwendet.“
Wer Margit Ramus reden hört, der merkt, dass die Schaustellerei ihre große Leidenschaft ist. Ihr Leben hat sich seit sie denken kann auf den Jahrmärkten und Volksfesten des Landes abgespielt. Nach Schulabschluss und Hochzeit übernahm sie mit ihrem Mann die Jaguarbahn ihrer Eltern. Damit, dass sie es mit dieser Rummel-Leidenschaft zum Doktortitel geschafft hat, hat sie sich einen Traum erfüllt. Dabei war der Anlass, der sie zum Schreiben brachte, kein Schöner.
In der Schreibschule Hamburg fing an
Als ihr Sohn Peter mit 19 Jahren starb, brach die Ehe zusammen. „Meine Trauerarbeit bestand darin, über Peter zu schreiben“, erinnert sie sich. Sie meldete sich bei der Schreibschule in Hamburg an. „Eines Tages entschied ich dann spontan: Ich geh noch mal zur Schule.“ Mit ihren damals 44 Jahren war sie die „Oma“ der Klasse. Probleme mit Vorurteilen aufgrund des Alters oder Schaustellerdaseins gab es nicht. „Manche denken zwar immer noch, dass wir mit Pferd und Wagen umherziehen. Doch in der Schule und im Studium war das nicht der Fall.“
Nachdem sie das Abitur bestanden hatte, schrieb sie sich in Bonn für Kunstgeschichte ein und hängte gleich noch einen Doktor dran. „Sieben Jahre habe ich recherchiert und geschrieben.“ Am Ende gab es ein summa cum laude und Lob von den Prüfern. Ramus glaubt, dass sie die Eigenschaften einer Schaustellerin so weit gebracht haben: „Schausteller sind mobil, flexibel und kapieren schnell. Für ein Problem gibt es 100 Lösungen.“
Die Doktorarbeit ist nun auch in einem Buch im J. P. Bachem Verlag erschienen. Auf 760 Seiten ist die Geschichte der Architektur und Dekoration im Schaustellergewerbe seit 1883 auf mehr als 1300 Abbildungen dargestellt. Weitere Infos zur Person und zum Buch auf margit-ramus.de