EU führt neue Sicherheitsnorm ein. Weil Deutschland nun auch alte Karussells überprüft, fürchten Betreiber höhere Kosten. Hamburg will ihnen helfen.
Hamburg. Ob Rotor, Looping oder Wilde Maus – viele Fahrgeschäfte auf dem Dom müssen sich künftig strengeren Sicherheitskontrollen unterziehen. Denn mit der neuen Norm DIN EN 13814 hat die EU für Großgeräte dieser Art die Anforderungen erhöht. Grund sind nach Aussage der in Hamburg zuständigen Stadtentwicklungsbehörde neue Erkenntnisse zur gefürchteten Materialermüdung und daraus resultierenden Unfällen auf Volksfesten.
Während sich der EU-Beschluss allerdings zunächst nur auf neue Fahrgeschäfte bezog, haben die deutschen Bundesländer sie nun auch auf den Bestand ausgedehnt. Demnach werden die Anforderungen auch für bereits laufende Geräte verschärft, die zum Teil bereits seit vielen Jahren unfallfrei laufen. Das hat nun den Deutschen Schaustellerbund auf den Plan gerufen.
Weil die deutschen Bundesländer die neuen Regelungen anders als alle anderen europäischen Staaten auch auf alte Geräte ausgedehnt hätten, sähen sich die Betreiber „teilweise vollkommen unverhältnismäßigen Pflichten ausgesetzt“, schrieb der Schaustellerbund bereits im Herbst 2013 in einem Brandbrief. „Ihnen wird abverlangt, in Eigenleistung für Tausende, in vielen Fällen Zehntausende Euro neue Gutachten zur Statik erstellen zu lassen, an deren Ende dann erst die Erkenntnis steht, welche weiteren Nachweise, eventuell Arbeiten und damit Investitionen an ihren Karussells zu tätigen sind. Allein die Kosten dieser Prüftortur können für eine Vielzahl gerade kleinerer Betriebe schon existenzbedrohend sein. Resultieren daraus dann weitere technische Pflichten, bedeutet es für sie das Aus.“
Zwar seien die Länder den Schaustellern seitdem ein wenig entgegengekommen, sagte Bundesgeschäftsführer Frank Hakelberg jetzt dem Abendblatt. Grund sei auch die berechtigte Angst, dass es bald kaum noch Volksfeste geben könnte, wenn man durch massive neue Belastungen die Schausteller in wirtschaftliche Not treibe. Trotz der moderaten Änderungen sei das grundsätzliche Problem aber nicht gelöst.
Die Einbeziehung alter Geräte könnte zu extrem hohen Prüf- und Nachrüstungskosten führen, die für viele Schausteller existenzbedrohend werden könnten, sagt Hakelberg auch heute noch. Dabei unterlägen die aktuellen Geräte ohnehin regelmäßigen genauen Kontrollen. „Das Ganze ist so, als würde jemand verlangen, dass ein immer unfallfrei fahrender Käfer aus den 1970er-Jahren plötzlich ABS haben muss“, sagt Hakelberg. Der Schaustellerverbund fordere daher eine Wiedereinführung des Bestandsschutzes, mindestens aber „einen rücksichtsvollen und maßvollen Umgang mit den Schaustellern bei Anwendung der neuen Norm“.
Kritik an Senatorin Blankau
Der Hamburger CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und Europakandidat Roland Heintze kritisierte in der Sache jetzt die deutschen Landesregierungen und besonders Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD). „Der Vorgang zeigt einmal mehr, was schiefgehen kann, wenn anstatt einer 1:1-Umsetzung von EU-Richtlinien die Bürokraten der Bundesländer noch einmal draufsatteln“, sagte Heintze dem Abendblatt. „Hier hat Frau Blankau mal wieder geschlafen. Jetzt sind sie und alle Beteiligten gefragt, schnell praktikable Lösungen zur Entlastung der Schausteller zu finden.“
Der Fall zeige aber auch, dass bei den Regelungskompetenzen der Kommission Handlungsbedarf bestehe, sagte Heintze. „Wir müssen diese so umgestalten, dass Fragen die vor Ort entschieden werden können, dort künftig auch entscheiden werden.“ In der Stadtentwicklungsbehörde hieß es, die vom TÜV verlangten hohen Prüfgebühren seien selbst ein Problem. Allerdings sei eine eigene Hamburger Lösung kaum möglich, da derlei Regelungen vom Arbeitskreis „Fliegende Bauten“ der Bauministerkonferenz verbindlich für alle Länder getroffen würden.
„Besonders belastete Geräte müssen jetzt auf Materialermüdung geprüft werden. Das betrifft aber keine Kinderkarussells, sondern etwa zehn Prozent der Geschäfte, in denen große Kräfte und hohe Geschwindigkeiten wirken“, sagte der Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde, Magnus-Sebastian Kutz. „Dort steht die Sicherheit der Fahrgäste an erster Stelle.“ Die Behörde gehe aber „mit den von der EU geforderten Prüfungen sehr flexibel um, damit die finanziellen Belastungen für die Schausteller überschaubar bleiben“. Es sollten Lösungen gefunden werden, die sowohl die Sicherheit gewährleisteten, als auch die Kosten für die Schausteller im Rahmen hielten. Wie sich die EU-Norm am Ende tatsächlich auf Schausteller und Volksfeste wie den Hamburger Dom auswirkt, wird sich wohl erst im kommenden Jahr genau zeigen.
Wegen des Protestes könnte die Norm laut Schaustellerbund offenbar erst 2015 mit ganzer Härte umgesetzt werden. Bis dahin soll es zunächst wohl lediglich Vorprüfungen durch den TÜV geben. Der jedenfalls dürfte sich über die neue Norm freuen – beschert sie ihm doch hohe neue Einnahmen.