Hamburger Seelsorger kümmert sich um Angehörige der Taifun-Opfer. Zweimal pro Woche gibt es einen Gottesdienst für die Auslandsgemeinde im Kleinen Michel. Seelsorger geht Ende des Jahres zurück auf die Philippinen.

Hamburg. Eufemio Sombrio ist seit fast 25 Jahren Priester, er hat schon sehr oft Gott erklärt. In diesen Tagen sind seine Erklärungen allerdings besonders gefragt, angesichts des Leides in Sombrios Heimatland, den Philippinen. Der Taifun Haiyan hat den Inselstaat schwer verwüstet und Tausende Tote hinterlassen. Sombrio ist zuständig für eine Gruppe von Menschen, die zwar nicht am eigenen Leide darunter leiden mussten, wohl aber Verwandte und Freunde in der Region haben. Sombrio ist Seelsorger für die Philippiner im Erzbistum Hamburg. „Der Tod kommt zu jeder Zeit“, sagt Sombrio. „Aber wir müssen sehen: Zwar sterben jede Sekunde zwei Menschen auf der Welt. In jeder Sekunde werden aber auch vier Babys geboren. Es gibt mehr Leben als Tod“, sagt der 57-Jährige. Selbst in Tacloban, der schwer zerstörten Stadt, seien Kinder gesund zur Welt gekommen.

Sombrio lächelt – er sieht zwischen den vielen Hiobsbotschaften, die von den Philippinen nach Deutschland dringen, auch Hoffnungsschimmer. Wie er und andere Geistliche die Katastrophe sehen, spielt für viele Philippiner eine wichtige Rolle. Der Inselstaat ist eine Art Vatikan des Pazifiks, mehr als 80 Prozent der Bevölkerung ist katholisch – ein Erbe der spanischen Kolonialherrschaft. Mitunter nimmt die Religion extreme Ausprägungen an. Es gibt umstrittene Karfreitagsrituale, bei denen sich Menschen an ein Kreuz nageln lassen, um ihre Sünden zu sühnen. Die Kirche selbst verurteilt solche Rituale.

In Hamburg leitet Sombrio zweimal pro Woche einen Gottesdienst für die Auslandsgemeinde. An diesem Tag – es ist ein Mittwoch – sind rund 20 Menschen in den Kleinen Michel gekommen. Am Sonntag könnten es aber auch mal 100 bis 200 Menschen sein, sagt Sombrio. Der Kleine Michel ist eine weiß gestrichene, klar strukturierte Kirche. Sie wirkt so ganz anders, als das Chaos auf den Bildern, die im Fernsehen von den Philippinen gezeigt werden.

Der Taifun und seine Opfer tauchen in Hamburg dennoch immer wieder auf: In den Gebeten, in der Predigt, auch bei den Gesprächen nach der Messe. „Der Glaube spielt auf den Philippinen eine große Rolle. Und was ich bemerkenswert finde: Man spürt momentan keine Wut oder Verärgerung“, berichtet Christian Crisp. Seine Mutter stammt aus einer Region nahe Tacloban, ein Teil seiner Familie lebt noch dort. Crisp hat gehört, dass es seiner Verwandtschaft gut geht. Eine seiner Tanten sei verschont worden, weil sie gerade auf Pilgerfahrt war, als Haiyan über das Land hereinbrach. „Solche Katastrophen stärken den Glauben dort sogar noch mehr. Die Menschen sind froh, überlebt zu haben“, sagt Crisp.

Eufemio Sombrio ist seit 2008 in Deutschland. Er wirkt trotz seines Alters fast noch jugendlich. Seit seinem 16. Lebensjahr gehört Sombrio den Steyler Missionaren an, einer katholischen Ordensgemeinschaft. Der Wechsel nach Europa sei für ihn auch kulturell ein großer Sprung gewesen. In Deutschland gebe es zwar noch viele Katholiken, aber nur wenige, die den Glauben auch praktizierten – „selbst in Bayern“. Sombrios Art zu predigen klingt für deutsche Ohren auch etwas fremd. Die Sünde ist bei ihm noch ein oft gebrauchtes Wort. Auch wenn er klarstellt: „Naturkatastrophen sind keine Strafe Gottes. Aber eine Erinnerung.“

In Hamburg sitzt Sombrio im Grunde auf gepackten Koffern. Ende des Jahres geht er zurück auf die Philippinen, ein Nachfolger ist bereits benannt. „Was ich dort für eine Aufgabe übernehmen werde, ist noch nicht ganz klar“, sagt er. Vielleicht wird er wieder Theologie und Philosophie unterrichten. Bis dahin sind seine Erklärungen erstmal noch in Hamburg gefragt.