Einer für mich, einer für dich: Das Lohascoffee an der Langen Reihe ist das bisher einzige Café in Hamburg, in dem man Kaffee an unbekannte Bedürftige spenden kann.
Hamburg. „Einen Cappuccino zum Mitnehmen und einen aufgeschobenen“ – solche Bestellungen sind im Lohascoffee an der Langen Reihe an der Tagesordnung. Das Café ist das bisher einzige in Hamburg, das das Prinzip des „Suspended Coffee“ anbietet. Und das funktioniert so: Wer einen Kaffee kauft, kann im Voraus einen weiteren mitbezahlen – den sich ein unbekannter Bedürftiger dann abholen kann. Die Coupons für bereits bezahlte Getränke, die für Bedürftige zur Verfügung stehen, werden in einem Glas auf dem Tresen gesammelt.
„Viele spenden ihr Lieblingsgetränk“, erzählt Stefan Ilic, der das Lohascoffee zusammen mit seiner Frau Dijana seit etwa einem Jahr betreibt. „So kommt es, dass zum Beispiel auch Coupons für Cappuccino mit Sojamilch im Spendenglas landen.“ Seit etwa vier Monaten können Café-Gäste im Lohascoffee Kaffee spenden.
Die Idee dazu haben Dijana und Stefan Ilic aus dem Internet. „Wir waren von Anfang an begeistert“, sagt Dijana. Und bisher haben sie durchweg positive Erfahrungen gemacht. „Es ist toll zu sehen, wie die Menschen über das ganze Gesicht strahlen, wenn sie sich ein geschenktes Getränk abholen“, sagt Stefan. „Und für die Spender ist es ein schönes Gefühl, einer unbekannten Person etwas so Konkretes zu schenken und ihr damit etwas Gutes zu tun.“
Das Prinzip basiert auf Ehrlichkeit
Insgesamt werde mehr gespendet als abgeholt, erzählt der Cafébetreiber. Seine Bedürftigkeit nachweisen muss im Lohascoffee niemand. „Wir vertrauen darauf, dass die Leute ehrlich sind, und das funktioniert bei unseren Kunden auch sehr gut“, erzählt Stefan. „Das Ganze richtet sich nicht nur an Obdachlose, sondern einfach an jeden, der in Not ist und sich grad selbst keinen Kaffee leisten kann.“
Wenn sich die Coupons im Glas stapeln und länger kein Bedürftiger nach einem Heißgetränk fragt, verteilen Dijana, Stefan und ihre Mitarbeiter auch schon mal ein paar Becher Kaffee an Obdachlose in der Gegend. Denn sie wissen, dass einige Obdachlose nur ungern ins Café kommen. So zum Beispiel der Hinz & Kunzt-Verkäufer Gustav, der meist vor dem benachbarten Bio-Supermarkt steht. „Ich bleibe lieber hier draußen, um meine Zeitung zu verkaufen“, erzählt der 64-Jährige. „Aber ich freue mich jedes Mal, wenn ich einen Kaffee geschenkt bekomme. Das ist eine gute Sache. Erstaunlich, dass die Leute da mitmachen und spenden.“
Durch das Verteilen von Kaffee auch außerhalb des Ladens machen Dijana und Stefan gleichzeitig klar, dass sie mit den Spenden keinesfalls in die eigene Tasche wirtschaften wollen. „Neulich wurden wir gefragt, ob wir keine Angst vor dem Verdacht hätten, dass wir mit den Coupons unsere Kasse aufbessern wollen“, erzählt Stefan, „auf den Gedanken waren wir vorher überhaupt nicht gekommen!“
17-jährige Schülerin will noch mehr Cafébetreiber begeistern
Bislang ist das Lohascoffee das einzige Café in Hamburg, in dem man Kaffee „aufschieben“ kann. Um noch mehr Cafébetreiber zum Mitmachen zu bewegen, hat die 17 -jährige Saskia Rüdiger aus Zwönitz in Sachsen eine Internetseite für Suspended Coffee in Deutschland gegründet. „Ich habe durch einen Facebook-Post von der internationalen Suspended Coffee-Seite erfahren“, erzählt die Schülerin. „Dort habe ich gesehen, dass es für viele Länder schon eigene Unterseiten gibt – für Deutschland aber noch nicht.“ Im April dieses Jahres erstellte Saskia daraufhin die Facebookseite „Suspended Coffees Deutschland“ und versucht, Cafébetreiber im ganzen Land von der Idee zu überzeugen.
Das Kaffeespenden hat eine jahrzehntelange Tradition, erzählt Saskia. In Italien, genauer in Neapel, hätten es sich wohlhabende Männer nach dem Zweiten Weltkrieg zur Gewohnheit gemacht, zwei Kaffee zu bezahlen, von denen einer für einen Bedürftigen gedacht war. Inzwischen gibt es in vielen Ländern auf der ganzen Welt die Möglichkeit, Kaffee „aufzuschieben“, zum Beispiel in Taiwan, Mexiko und Kanada.
Einige Cafébetreiber haben Vorbehalte
Auch in Deutschland findet die Idee immer mehr Zuspruch – auch wenn die Idee bei Café-Betreibern nicht immer auf Begeisterung stößt: „Einige haben auch Vorbehalte und wollen aus Sorge um den Ruf ihres Geschäfts lieber keine Obdachlosen in ihrem Laden haben“, berichtet Saskia.
Eine Befürchtung, die Dijana und Stefan Ilic vom Lohascoffee nicht teilen können. Sie seien von Anfang an positiv und ohne Vorbehalte an die Sache herangegangen, erzählt Stefan. „Die Sorge, Obdachlose könnten den Laden belagern, hatten wir nie.“ Die Getränke werden ohnehin im To-Go-Becher zum Mitnehmen herausgegeben, was nicht unbedingt zum Hinsetzen animiere. Und erfahrungsgemäß hätten Obdachlose auch gar keine Lust, sich ins Café zu setzen. „Wir können andere Cafébetreiber nur dazu ermuntern, auch mitzumachen“, sagt Stefan.