45.461 Kilometer stecken in einem ganz normalen Einkaufswagen, zählt man die Entfernungen zusammen, die Lebensmittel von ihrem Produktionsort bis nach Hamburg zurücklegen.

Einmal um die ganze Welt. Was an einen Schlagertitel von Karel Gott erinnert, war das große Vorhaben eines Teams vom Hamburger Abendblatt in den vergangenen fünf Monaten. Ausgangspunkt war die Frage, wie viele Kilometer in einem ganz gewöhnlichen Einkaufskorb „enthalten“ sind. Schließlich ist es in unserer globalisierten Welt selbstverständlich, Eier aus Schleswig-Holstein, Kaffee aus Peru, Käse aus der Schweiz und Orangen aus Spanien einkaufen zu können.

Kaum jemand macht sich aber Gedanken über den Transport der Produkte, bevor sie bei uns im Einkaufskorb landen. Also gingen wir Mitte März an einem Freitagnachmittag in einen Supermarkt in Hamburg-Eimsbüttel und kauften das ein, was eine Familie an einem Wochenende so verbraucht. Dabei lag unser Augenmerk auf Ausgewogenheit: Produkte aus der Region gehörten genauso dazu wie Lebensmittel aus der Ferne. Grundnahrungsmittel wie Milch, Butter und Käse waren darunter genauso wie Nutella, eine Flasche Wein, Kaffee und Bananen.

Insgesamt 38 Produkte kamen so zusammen, an deren „Ursprungsorte“ wir in den darauf folgenden Monaten reisten und über deren Herstellung wir Reportagen schrieben. Am Ende sind sind 45.461 Kilometer herausgekommen, rechnet man den Transportweg eines jedes Lebensmittels vom Produktionsort bis nach Hamburg zusammen.

Die längste Reise führte uns zu den Bananenplantagen ins peruanische Sullana. 10.501 Kilometer legten wir aus Hamburg zurück. Die spektakulärste Exkursion hatte das 8073 Kilometer entfernte Dutch Harbor im US-Bundesstaat Alaska zum Ziel. Der kürzeste Weg, vier Kilometer lang, führte uns an den Ort in Hamburg, wo Astra-Bier gebraut wird.

Aber fangen wir an jenem Freitag im Eimsbütteler Supermarkt an. Dort stießen wir auf ein erstes Problem. Zwar müssen dem deutschen Lebensmittelgesetz zufolge die einzelnen Bestandteile eines Produktes auf der Verpackung aufgelistet werden. Der Herkunftsort aber spielt offenbar keine so bedeutende Rolle. Vor allem bei verarbeiteten Produkten hieß es, nachfragen, wo sie produziert werden.

Am leichtesten hatten wir es beim Rindfleisch. Dessen Herkunft erfuhren wir mit Hilfe eines kleinen Bretts, das im Supermarkt direkt neben der Fleischtheke hing. Auf einem angepinnten Zettel stand, wann das Rindfleisch abgepackt wurde und wer es kontrolliert hatte. Dazu gab es eine Chargen- und eine Schlüsselnummer. Selbst die Zahl, die auf der Ohrmarke des Rindes gestanden hat, erfuhren wir. Und, das Wichtigste, den Herkunftsbetrieb in Oberbayern: „Georg Stübl, Liedering 1, 83119 Frabertsham“.

So viel Transparenz herrscht nicht immer. Wenn bei Eiern der Herkunftsort keine Marketingrolle spielt - unsere stammten von der Nessendorfer Mühle -, muss man mit Hilfe des aufgedruckten Zifferncodes herausfinden, wo der Hühnerstall steht. Bei Obst und Gemüse schreibt das Gesetz lediglich die Angabe des Herkunftslandes vor. Bei verarbeiteten Produkten können die Hersteller ganz schweigen.

Allerdings erlebten wir bei unserer Recherche in dieser Hinsicht kaum Probleme. Dass der Landliebe-Joghurt in Heilbronn und das gesamte in Deutschland vertriebene Nutella im hessischen Stadtallendorf hergestellt werden, teilten die Unternehmen uns ohne Umschweife mit. Schwieriger wurde es, wenn wir nach der Möglichkeit, die Produktion zu besuchen, fragten. Vor allem große Unternehmen taten sich schwer. Der italienische Nudelproduzent Barilla und der Eintopfhersteller Erasco verweigerten uns eine Visite.

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