Die Alternative für Deutschland hatte sich deutlich mehr als fünf Prozent erhofft. „Wir hätten das Thema Wirtschaftspolitik und Zuwanderung viel stärker spielen sollen“, übt Partei-Vize Manöverkritik.
Hamburg. Steht die Fünf vor dem Komma? Um kurz vor 18 Uhr wird es plötzlich still vor der großen Leinwand. Gut 200 Anhänger der Alternative für Deutschland (AfD) haben sich im Veranstaltungszentrum Elbarkaden in der HafenCity versammelt. Anfang Dezember startet hier die Erlebnisausstellung „Die Flut“ über die Hochwasserkatastrophe 1962. Wie eine Naturgewalt wollte auch die neue Partei über die etablierten hereinbrechen und ihnen Stimmen abnehmen. Dann kommt die erste Prognose, CDU, SPD – als für die FDP 4,5 Prozent auf dem Bildschirm erscheinen, brandet Beifall auf. Dann ist die AfD dran: 4,8 Prozent. Es wird geklatscht – aber deutlich verhaltener.
„Das wird noch spannend“, sagt der Hamburger Spitzenkandidat Jörn Kruse, Professor für Wirtschaftspolitik an der Helmut-Schmidt-Universität. Mehr will er zu diesem Zeitpunkt lieber noch nicht sagen. Aber die Enttäuschung der Euro-Kritiker ist greifbar. „Ich hatte gedacht, dass wir höher liegen“, sagt Alexandra Schöneich aus Barsbüttel. Die 68-Jährige trägt ein Polo-Shirt im AfD-Blau, hat das Wahlprogramm in der Nachbarschaft verteilt und war sogar auf einer Demonstration.
„Für mich war die Euro-Krise ausschlaggebend“, sagt Edeltraut Stichler aus Poppenbüttel. Ihr Leben lang hat die 72-Jährige CDU gewählt. „Das konnte ich nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren. Den Vertretern der Parteien fehlt der Sachverstand, aus der Krise herauszukommen.“
Als auch die nächsten Hochrechnungen die Partei konstant bei 4,9 Prozent sehen, gehen die ersten zum Büfett. Es gibt Kartoffelsalat und Würstchen, zum Nachtisch Rote Grütze. Ganz traditionell. Das passt zu dem Publikum. „Ich hoffe, dass wir es noch schaffen“, sagt Martin Stoffers, ein 38-Jähriger in dunkelblauem Blazer mit Goldknöpfen. Ans Nachhausegehen denkt hier niemand. „Man darf nicht vergessen, dass wir eine sehr junge Partei sind. Dafür ist es fantastisch gelaufen“, sagt Holger Knudsen, Bibliotheksleiter am Max-Planck-Institut in Hamburg. Die anderem an seinem Tisch nicken – und verfolgen standhaft jede neue Hochrechnung.
Auch als immer deutlicher wird, dass vor allem die CDU von den verlorenen Stimmen der FDP profitiert – und nicht die AfD. „Wir hätten das Thema Wirtschaftspolitik und Zuwanderung viel stärker spielen sollen“, übt Partei-Vize Günther Siegert erste Manöverkritik. Rastlos läuft der Ex-Liberale durch den Raum. Er hat sich auf einen langen Abend eingestellt. Das kennt er.