Das Projekt spaltet die Stadt. Der Bezirk Mitte ist dagegen, doch eine Initiative glaubt an erfolgreiches Bürgerbegehren. Mit 5000 Besuchern pro Tag rechnen die Befürworter der Seilbahn.

Hamburg. Knapp 6000 Unterschriften in sechs Monaten – das ist das Ziel der durchaus prominenten „Seilschaft“, die am Montag im Bezirk Mitte ein Bürgerbegehren für den Bau einer Gondelstrecke angemeldet hat, die in 80 Metern Höhe vom Heiligengeistfeld zum „König der Löwen“-Musicalzelt auf Steinwerder führen soll.

Als Initiatoren kämpfen Thomas Magold, Vorsitzender des Tourismusverbandes und nicht nur als gebürtiger Münchner von einer Seilbahn als „Attraktion und leistungsfähiges Verkehrsmittel“ überzeugt, Joachim Stratenschulte (Stiftung „Rickmer Rickmers“) und Ex-Senatorin Herlind Gundelach (CDU) damit für ein Vorhaben, gegen das sich die zuständige Bezirksversammlung bereits im Juni ausgesprochen hatte.

„Ich finde es schon sehr interessant, dass jetzt zum ersten Mal ein Branchenverband das Instrument des Bürgerbegehrens für seine Interessen einsetzt“, kritisiert Mitte-Chef Andy Grote (SPD). Das widerspreche doch der ursprünglichen Idee, dass eine solche Initiative tatsächlich von Bürgern eines Stadtteils ausgehe.

Diplom-Kaufmann Magold, früherer Hamburger BMW-Niederlassungsleiter, weist dies zurück: „Ich bin bei diesem Bürgerbegehren ein Überzeugungstäter und lasse mich sicherlich nicht von der Wirtschaft instrumentalisieren. Die Seilbahn ist ein gutes Projekt für Hamburg, von dem Bürger und Touristen profitieren.“ Selbstverständlich werde die Initiative offenlegen, wer sich an den Kosten für das Verfahren beteilige.

Bezirksamtschef Grote („Ich kann mir ein Leben ohne Seilbahn sehr gut vorstellen“) ist ein bekennender Gegner des Millionenprojekts, das der Musicalkonzern Stage Entertainment nach eigenem Bekunden gemeinsam mit der österreichischen Firma Doppelmayr komplett finanzieren will. Es geht also nicht in erster Linie ums Geld – sondern ums Stadtbild, wie Grote betont: „Es müsste am Eingang von Planten un Blomen gebaut werden und die Konstruktion liefe am Bismarck-Denkmal vorbei – das sind sensible Stellen.“

Außerdem mangele es in der Nähe des Millerntors an Parkplätzen. Mit 5000 Besuchern pro Tag rechnen die Befürworter der Seilbahn, an einem guten Wochenende könnten es auch bis zu 30.000 sein. „Das bekommen wir verkehrlich kaum geregelt“, sagt Grote.

Zudem sei bei den St. Paulianern eine „Schmerzgrenze“ erreicht: „Die Stimmung kippt, weil aus einem Wohnviertel allmählich ein Freizeitpark wird.“ Dagegen spricht allerdings das Ergebnis einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Meinecke & Rosengarten, das im Auftrag von Stage Entertainment und Doppelmayr 518 Bewohner befragt hatte: Demnach befürwortet jeder Zweite eine Seilbahn über die Elbe.

Ursprünglich hatte es noch einen weiteren Streckenvorschlag gegeben, den die Leitner AG eingebracht hatte. Die Route von der HafenCity zum Musicalzelt war jedoch von der zuständigen Wirtschaftsbehörde vor Kurzem „aus Sicherheitsgründen“ abgelehnt worden. Auch die Idee, Besucher aus der Innenstadt zur Internationalen Gartenschau (igs) nach Wilhelmsburg und wieder zurück zu gondeln, hatte sich aus ebendiesem Grund erledigt.

„Bestünde diese Option noch, dann könnte ich das Engagement von Frau Gundelach als Vorsitzende des Bürgervereins Wilhelmsburg nachvollziehen. So aber überrascht es mich doch sehr“, sagte Andy Grote im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt.

Herlind Gundelach, die am 22. September für die CDU als Direktkandidatin aus dem Wahlkreis Harburg-Bergedorf in den Bundestag ziehen will, hält die Anbindung an Wilhelmsburg dagegen noch nicht für endgültig ausgeschlossen: „Es gibt bei der Stage Entertainment durchaus noch Überlegungen, diesen Plan zu realisieren.“ Dann könnte die Seilbahn die oft überfüllte S3 entlasten. „So oder so bekäme Hamburg einen touristischen Magneten, für den der Stadt keine Kosten entstünden.“

Die frühere Wissenschafts- und auch Stadtentwicklungssenatorin will jetzt auf Wochenmärkten, zum Beispiel am Großneumarkt, selbst Unterschriften für das Projekt sammeln. „Das mag für eine frühere Senatorin vielleicht ungewöhnlich wirken. Aber ich bin eine Bürgerin dieser Stadt und bringe mich als solche eben ein.“ In dem Vorhaben bestärkt habe sie ein Besuch in Koblenz, sagt die CDU-Politikerin. Dort war anlässlich der Bundesgartenschau 2011 eine Seilbahn auf Zeit installiert worden – unter großem Protest der Bevölkerung. Als die temporäre Anlage, die die Rheinanlagen in Höhe der Basilika St. Kastor mit dem Plateau vor der Festung Ehrenbreitstein verbindet, nun wieder abgebaut werden sollte, gab es erneut Protest. „Von jenen, die damals gegen den Bau waren“, sagt Gundelach. So könnte es auch in Hamburg gehen, hofft auch Stephan Jaekel, Sprecher von Stage Entertainment. Ohnehin solle die Seilbahn nicht nur von Musicalbesuchern benutzt werden, sondern ein „Sprung über die Elbe“ für alle Hamburger sein. Der Fahrpreis, dessen Höhe noch nicht feststeht, solle deshalb auf jeden Fall moderat sein.

Wie geht es jetzt weiter? Wird das Bürgerbegehren innerhalb der kommenden sechs Monate von mindestens drei Prozent der Wahlberechtigten im Bezirk Mitte unterstützt, muss sich die Bezirksversammlung damit beschäftigen. Lehnt das Kommunalparlament das Anliegen dann ab, kommt es im nächsten Jahr zu einem Bürgerentscheid, bei dem die Mehrheit – unabhängig von der Beteiligung – ausschlaggebend ist.

Für Initiator Magold macht die „rigide Haltung“ des Bezirks Mitte ein Bürgerbegehren erst notwendig. In vielen Geschäften würden ab jetzt die Unterschriftenlisten ausliegen. Davon, dass das Bürgerbegehren pro Seilbahn erfolgreich ist, geht auch Gegner Grote aus. Der Bezirks-Chef sagt: „6000 Stimmen in sechs Monaten zu sammeln ist sehr gut möglich. Insbesondere mit der Kraft eines Verbandes.“