Etwa 2900 Weltkriegs-Blindgänger liegen im Hamburger Boden. Erst am Sonnabend wurde eine 500-Pfund-Kriegsbombe auf St. Pauli entschärft.
Hamburg. Sie liegen zum Teil nur wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche, können aber hochgefährlich sein: Nach Schätzungen des Kampfmittelräumdienstes ruhen noch etwa 2900 große Sprengbomben im Hamburger Boden. Die Zeit drängt: Während der Sprengstoff seine explosive Wirkung behält, können die Metallhülle des Blindgängers und der Zünder mittlerweile verwittert sein. Das macht die Sprengkörper aus dem Zweiten Weltkrieg zunehmend gefährlich.
Doch um die Blindgänger unschädlich zu machen, werden Bombenexperten rechnerisch noch 150 Jahre brauchen. "Im Durchschnitt entschärfen wir jährlich rund 20 große Sprengbomben", sagt Peter Bodes, der Leiter des Hamburger Kampfmittelräumdienstes. Hinzu kommen etwa 500 kleinere Bomben, Granaten und andere Geschosse, die pro Jahr beseitigt werden müssen. Erst am Sonnabend entschärfte Bodes eine 250 Kilogramm schwere Bombe an der Großen Freiheit auf St. Pauli. 700 Menschen mussten ihre Häuser vorübergehend verlassen. Ein polnisches Hochzeitspaar allerdings durfte sich trotzdem in der im Sperrgebiet liegendenSt.-Joseph-Kirche schnell trauen lassen, mit dem Segen der Feuerwehr.
+++ Peter Bodes hat einen Bomben-Job +++
Zwischen Mai 1940 und April 1945 flogen britische und amerikanische Bomber 213 Luftangriffe auf Hamburg. Neben 300.000 Phosphorbrandbomben und drei Millionen Stabbrandbomben wurden auch 107 000 Sprengbomben abgeworfen. Bodes: "Etwa 14 000 davon explodierten nicht, weil ihr Säurezünder nicht auslöste oder die Aufschlagzünder versagten." Mehr als 11 000 Blindgänger wurden seit Kriegsende entdeckt und entschärft.
Derzeit sind in Hamburg acht Kampfmittelräumer für das Entschärfen und Sprengen der hochexplosiven Kampfmittel zuständig. Wegen des Baubooms in Hamburg haben sie viele Einsätze. Eine Aufstockung und Verjüngung des Personals wäre aus seiner Sicht wünschenswert, sagt Bodes. "Ich sehe durchaus den Bedarf. Aber aufgrund der Sparzwänge sprechen alle Zeichen aus Politik und Verwaltung begründet dagegen." Weitere 24 Mitarbeiter der Abteilung Gefahrenerkundung/Kampfmittelverdacht (GEKV) der Feuerwehr sind vor allem damit beschäftigt, anhand von Luftbildern herauszufinden, wo sich möglicherweise noch Blindgänger befinden.
+++ Sprengsatz-Fund: Trauung im Sperrgebiet +++
Großbritannien hatte den deutschen Behörden im Jahr 1985 die während des Krieges fotografierten Luftbilder übergeben. Sie zeigen die Zerstörungen der Angriffe - aber auch die Aufschlagstellen der nicht explodierten Bomben. "Meistens werden die Blindgänger an den Orten gefunden, die damals Kriegsziele Nummer eins der Alliierten waren", sagt Peter Bodes. "Die meisten im Hafenbereich, in Harburg, Wilhelmsburg und Waltershof."
In Hamburg müssen Grundeigentümer bei Bauvorhaben klären, ob sich im Erdboden noch Blindgänger befinden. Das bedeutet: Wer graben und bauen will, stellt für gewöhnlich eine Anfrage bei der GEKV-Abteilung. "Dort wird geprüft, ob es sich um eine sogenannte Verdachtsfläche handelt", sagt Feuerwehrsprecher Hendrik Frese. Falls ja, muss der Eigentümer auf eigene Kosten eine Spezialfirma beauftragen, gezielt nach Bomben zu suchen. Die Entschärfung oder Sprengung übernehmen dann Peter Bodes und seine Mitarbeiter.