Hamburg . 111 Beamte und viele Demonstranten wurden verletzt. Heftiger Streit, warum die „Welcome to Hell“-Demo vor G20 so eskalierte.
Die „Welcome to Hell“-Demo vor dem G20-Gipfel in Hamburg mit rund 12.000 Teilnehmern begann am Donnerstag zunächst friedlich. Doch als die Polizei Vermummte aus dem Schwarzen Block stoppt, kommt es zu den befürchteten Krawallen. Die Polizei setzt Wasserwerfer ein. Vermummte Mitglieder des Schwarzen Blocks schleudern Flaschen, Böller, sogar Fahrräder und Ziegelsteine gegen Beamte, die Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzten. Sanitäter müssen Verletzte auf beiden Seiten behandeln.
Am Freitagmorgen spricht die Polizei von 111 verletzten Beamten, darunter drei Schwerverletzte. 29 Menschen seien festgenommen und 15 in Gewahrsam genommen worden, sagte eine Polizeisprecherin. Es sei zu zahlreichen Sachbeschädigungen unter anderem an geparkten Autos, Geschäften und am Amtsgericht Altona gekommen. Die Feuerwehr verzeichnete 156 Einsätze, darunter 61 kleinere und größere Feuer und 79 Notfälle. Zwei Hubschrauberpiloten wurden mit Laserpointern geblendet. Sie saßen im selben Hubschrauber und konnten sicher landen.
Im Video: Die Demonstration "Welcome to Hell"
Timo Zill: „Vorgehen der Polizei war alternativlos"
Warum die Situation am Donnerstagabend außer Kontrolle geriet, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Die Stimmung sei „hoch aggressiv“ gewesen, bilanzierte Polizeipressesprecher Timo Zill bereits gestern Abend. „Tausende Schaulustige, die sich solidarisiert haben. Es war für die Einsatzkräfte eine nicht mehr zu beherrschende Situation“, so Zill. „Wir haben versucht, den Schwarzen Block zu separieren.“ Dabei sei die Polizei „massiv angegriffen“ worden. Flaschen, Eisenstangen und Dachlatten seien geflogen. „Das habe ich so in meiner beruflichen Karriere noch nicht erlebt.“
Wenn diese Menschen sich plötzlich vermummen, sei das sozusagen die Vorbereitung von Straftaten, rechtfertigte Zill auch am Freitagmorgen das Vorgehen der Polizei. „Dann kann doch nicht von der Polizei erwartet werden, dass man mit diesen Menschen in bewohntes Gebiet geht. Das wäre unverantwortlich“, sagte er. Zill bezeichnete das Vorgehen als „alternativlos“.
G20-Gegner: Eskalation ging von der Polizei aus
Das Lager der G20-Gegner wirft der Polizei eine „Eskalation mit Ansage“ vor und spricht von „Dutzenden“ Verletzten in ihren Reihen. Das Netzwerk Attac teilt die Einschätzung der parlamentarischen Beobachter der Linkspartei, dass die Eskalation von der Polizei ausging.
„Die Auseinandersetzungen bei der Demonstration ‘Welcome to Hell’ waren eine Eskalation mit Ansage: Es ist offenkundig, dass diese Demonstration nach dem Willen von Polizei und Senat nie laufen sollte“, sagt Roland Süß vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.
Dennoch hätten die Teilnehmer eine bemerkenswerte Disziplin an den Tag gelegt, um ihre politische Kritik an der G20 auf die Straße zu bringen. „Dies zu verhindern, war von Beginn an Absicht und Strategie der Polizeiführung“, kritisiert Süß. „Das Agieren des Hamburger Senats und der Polizei im Umgang mit dem Recht auf Versammlungsfreiheit und den Camps in den vergangenen Tagen zeigen, dass Deeskalation für den rot-grünen Senat und die Polizei ein Fremdwort ist.“
DPolG: Polizei hat umsichtig und konsequent gehandelt
Joachim Lenders hingegen, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft Hamburg (DPolG), ist davon überzeigt, dass die Polizei alles richtig gemacht hat. „Dank der großen Polizeipräsenz und des umsichtigen, entschlossenen und konsequenten Handelns der Polizei, konnten die massiven Ausschreitungen und Brandstiftungen räumlich zumindest in ihren Auswirkungen begrenzt werden“, heißt es in einer Mitteilung der DPolG.
„Am gestrigen Tag und im Laufe der Nacht haben die linksextremistische Szene, ihre Unterstützer und Sympathisanten gezeigt, worum es ihnen in Wirklichkeit beim Protest gegen den G20-Gipfel geht: um die gewaltsame Bekämpfung unserer Demokratie, des parlamentarischen Systems und des Rechtsstaats“, sagte Lenders am Freitag. „Es ist ausschließlich meinen Kolleginnen und Kollegen zu verdanken, dass die Hamburger Innenstadt gestern unbehelligt blieb!“ Die DPolG Hamburg bedanke sich bei allen eingesetzten Kolleginnen und Kollegen für ihre „professionelle Arbeit und ihr Durchhaltevermögen bei einem schwierigen und sensiblen Großeinsatz“.
Mathias Petersen, Kreisvorsitzender SPD Altona, sagte: "Ich finde es schade, dass einzelne Durchgeknallte das durchaus berechtigte Anliegen der Demonstranten mit ihrer Gewalt kaputt machen." Und Petersen sagte generell: "Ich persönlich hielt die Ausrichtung des G20-Gipfels in Hamburg zu keinem Zeitpunkt für eine gute Idee."