Hamburg. 500 Sicherheitskräfte könnten das Gästehaus des Senats zur Festung am Feenteich machen. Eine wichtige Frage ist noch offen.
Mit der Ruhe ist es im Idyll an der Schönen Aussicht 26 vorbei. Das Gästehaus des Senats wird zur Festung ausgebaut: Auf dem Feenteich und der Außenalster patrouillieren seit zwei Wochen Boote der Wasserschutzpolizei, schwerbewaffnete Beamte sichern das Gelände. Grund für den Trubel: Sicherheitskreise gehen nach Abendblatt-Informationen davon aus, dass US-Präsident Donald Trump während des G20-Gipfels hier nächtigt.
Die Senatskanzlei äußert sich dazu nicht. Weder dazu, noch zu dem Gerücht, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wolle sich dort mit dem mächtigsten Mann der Welt zu einem vertraulichen Gespräch treffen. Von der Polizei heißt es lediglich, im Gästehaus werde „eine Gipfel-Delegation“ unterkommen. Abgesehen von den hohen Sicherheitsvorkehrungen wurden gerade 50 neue Digitalleitungen zum Gebäude verlegt.
Exklusives Ambiente – und wenig Platz
Sollte Trump mit seiner Entourage das Weiße Haus an der Alster beziehen, wäre ihm ein gediegenes, exklusives Ambiente gewiss. Das 1868 nach Plänen des späteren Rathaus-Architekten Martin Haller für den Baumaterialienhändler Johann Friedrich Krogmann errichtete Gebäude war ursprünglich ein Wohnhaus. Es verfügt über mehrere repräsentative Räume im Hochparterre und sieben Schlafzimmer in den beiden Obergeschossen – gemessen an den Bedürfnissen des US-Präsidenten ist das nicht allzu viel Platz. Sein ganzer Stab, der rund 1000 Mitarbeiter umfasst, wird dort nicht unterkommen.
Vom Gästehaus eröffnet sich nicht nur ein wunderschöner, wenn auch von hohen Bäumen leicht verstellter Blick Richtung Außenalster, sondern Richtung Norden eine weitere maritime Perspektive, die nur wenige Hamburger kennen: der Blick über den Feenteich, ein idyllisches Wasserbassin, das den Uhlenhorster Kanal mit der Alster verbindet und von prächtigen Villen gesäumt ist. Kein Wunder, dass der große Garten, der über einen eigenen Bootssteg verfügt, Besucher nachhaltig beeindruckt. Für die Beschaulichkeit der Anlage haben die Sicherheitsbehörden indes keinen Blick – für sie zählt, dass sie gut zu sichern ist.
700 Wasserschutzpolizisten im Einsatz
Aus taktischen Gründen schweigt die Polizei zu Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen im und am Gästehaus. „Natürlich wird die Wasserschutzpolizei mit einem massiven Aufgebot auf der Wasserseite präsent sein, mit Streifen- und Schnellbooten, mit Polizeitauchern und Spezialkommandos“, sagt Sicherheitsexperte Helwig Finger. Während des Gipfels werden fast 700 Wasserschutzpolizisten mit 62 Booten im Einsatz sein, 20 Boote stellt allein die Hamburger Polizei.
Helwig Finger kennt sich aus mit dem Personenschutz für gefährdete Politiker; er war sieben Jahre lang Leibwächter von Hans Friderichs (FDP), der fünf Jahre lang Bundeswirtschaftsminister war und 1977 Nachfolger des von der RAF ermordeten Dresdner-Bank-Chefs Jürgen Ponto. Heute betreibt er ein eigenes Sicherheitsunternehmen (finger-security) und ist in der internationalen Sicherheitsberatung tätig.
Das Gästehaus sei gut zu schützen, sagt Finger. Durch seine Lage auf einer Landzunge zwischen Feenteich und Außenalster sei die Zahl der Zugänge überschaubar. Um einen Beschuss durch Scharfschützen zu verhindern, werde die Polizei vermutlich auf der dem Gästehaus gegenüberliegenden Alsterseite einen weiteren Posten errichten. „Ein geübter Schütze kann ein bewegtes Ziel aus einer Distanz von bis zu einem Kilometer treffen und ausschalten“, sagt Finger.
Sicherheitsaufwand kann gigantisch werden
Es sei zudem wahrscheinlich, dass die Polizei auch in den umliegenden Villen, die zum Teil freie Sicht auf das Gästehaus haben, Sicherheitsvorkehrungen trifft. Zu bedenken seien auch mögliche Sprengstoffanschläge – vom Land aus mit einem Lkw, vom Wasser per Schlauchboot oder aus der Luft mit Ultraleichtflugzeugen und Drohnen. Sehr unwahrscheinlich sei es zwar, dass es ein Flugzeug in die Flugverbotszone schafft und einem Fallschirmspringer mit Sprengstoff der Absprung gelingt – ganz auszuschließen sei das aber nicht. „Die entscheidende Frage ist: Wie stoppt man solche Attentäter?“ Entsprechend werde das Gästehaus gesichert: mit panzerbrechenden Barrieren; mit Luftabwehrsystemen und Scharfschützen auf dem Dach.
Der Aufwand werde gigantisch sein: „Die Sicherheitsbehörden werden eine Checkliste mit bis zu 500 Punkten abarbeiten müssen.“ Bis zu 500 Menschen könnten seiner Einschätzung nach mit Trumps Unversehrtheit betraut sein; für den äußeren Ring ab etwa 100 Metern seien deutsche Polizisten zuständig; den Schutz innerhalb eines mittleren Rings von 15 bis 100 Meter um Trump werden neben dem Secret Service BKA-Beamte gewährleisten. In den inneren Kreis werden wohl nur US-Agenten vorgelassen.
Mit einem Besuch im Gästehaus befände sich Trump jedenfalls in prominenter Gesellschaft: Seit 1965 nutzt der Senat die klassizistische Villa für Empfänge und um hochrangige Gäste zu beherbergen. Die „Einweihung“ war der britischen Königin Elizabeth II. vorbehalten, es folgten so illustre Gäste wie PLO-Chef Jassir Arafat, das britische Thronfolgerpaar Charles und Diana, der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew und der Dalai Lama.
1986/87 wurde das Gästehaus für 2,5 Millionen Mark renoviert und präsentiert sich seitdem hell und elegant. Im Durchschnitt gibt es zweimal im Monat Übernachtungsbesuch. Dazu kommen im Schnitt drei Veranstaltungen pro Woche mit bis zu 100 Teilnehmern, beispielsweise das Senatsfrühstück und Arbeitsgespräche.