Hamburg. Gegner reichen drei Eilanträge gegen Demonstrationsverbote ein. Oppermann fordert Anti-Trump-Allianz. Polizei montiert Kameras.
Polizei hält Bekennerschreiben für echt
Nach der Serie von Brandanschlägen auf Bahnanlagen am Montag hat die Polizei weiterhin keine konkreten Hinweise auf die Täter. Allerdings gehen die Ermittler davon aus, dass das Bekennerschreiben, das auf der Internetplattform "linksunten.indymedia.org" veröffentlicht wurde, echt ist. Die unbekannten Verfasser beziehen die Brandstiftungen auf das Anfang Juli in Hamburg geplante G20-Gipfeltreffen. „Nach derzeitigem Stand gehen wir von einer hohen Glaubwürdigkeit aus“, sagte der Hamburger Polizeisprecher Timo Zill. Staatsschutz und Polizei ermitteln.
In der Nacht zum Montag hatten Unbekannte im Hamburger Stadtteil Eidelstedt und im Bereich Höltigbaum Kabelkanäle an der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck angezündet und dabei auch Starkstromkabel neben dem Gleisbett beschädigt. Die Bahn richtete einen Ersatzverkehr mit Bussen ein. Auch in Berlin, Hamburg, Köln, Dortmund, Leipzig sowie in Bad Bevensen (Niedersachsen) wurden insgesamt 13 Brandanschläge an Strecken der Deutschen Bahn verübt. Vielerorts kam es zu Verspätungen und Zugausfällen.
G20-Gegner reichen drei Eilanträge ein
Gegen das Demonstrationsverbot während des G20-Gipfels in Teilen des Hamburger Stadtgebiets sind drei Eilanträge beim Verwaltungsgericht eingegangen. Die Veranstalter von Versammlungen gegen den Gipfel wenden sich gegen die Allgemeinverfügung der Hamburger Polizei, soweit sie die angemeldeten Kundgebungen betreffe, teilte eine Gerichtssprecherin mit.
Nach der am 9. Juni veröffentlichten Verfügung dürfen in einem Korridor verschiedener Routen zwischen Flughafen und Innenstadt vom 7. Juli (6 Uhr) bis zum 8. Juli (17 Uhr) keine Demonstrationen stattfinden. Das gilt am 7. Juli auch von 16 bis 24 Uhr rund um die Elbphilharmonie, weil die Staats- und Regierungschefs der G20 dort ein Konzert besuchen.
Gegen diese Anordnung haben G20-Gegner Widerspruch beim Verwaltungsgericht eingelegt. Weil die Verfügung aber sofort vollziehbar ist, versuchen die Kläger, im Eilverfahren einstweiligen Rechtsschutz zu bekommen. Das Gericht angerufen haben die Veranstalter eines beabsichtigten Camps im Stadtpark, eine Initiative für eine Dauerkundgebung im Gängeviertel und die Organisatoren der Großdemonstration am 8. Juli unter dem Motto „G20 – not welcome!“.
Über die Anträge werden drei verschiedene Kammern beim Verwaltungsgericht entscheiden. Einen Termin dafür gebe es noch nicht, sagte die Sprecherin. Das Gericht arbeite mit Hochdruck an den Verfahren.
SPD-Fraktionschef fordert Anti-Trump-Allianz von Merkel
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat am Dienstag klare Forderungen gegenüber Kanzlerin Merkel erhoben. Beim G20-Gipfel müsse sie die USA in Sachen Klimaschutz isolieren: „Ich erwarte, dass die Kanzlerin eine klare 19:1-Allianz gegen Donald Trump schmiedet. In Sachen Klimaschutz muss die Welt zusammenstehen.“
Mehr Kameraüberwachung während des Gipfels
Die Polizei hat am Dienstag auf Höhe der Ostseite des Alsterhauses eine Überwachungskamera montiert. Dabei handele es sich um eine „temporäre Maßnahme im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel“, sagte ein Polizeisprecher. Nach Abendblatt-Informationen sollen Kameras wie die am Jungfernstieg insbesondere bei Demonstrationslagen zum Einsatz kommen. So führt dort am 7. Juli etwa die von der Polizei als problematisch eingeschätzte Demo mit dem Tenor „G20 entern – Kapitalismus versenken“ vorbei.
Zur Frage, wie viele Kameras an welchen Standorten bereits zur Vorbereitung auf G20 in der Stadt installiert worden sind, wollte sich die Polizei aus „einsatztaktischen Gründen“ nicht äußern. Rechnet die Polizei mit Straftaten während einer politischen Versammlung, setzt sie regelmäßig Kameratechnik ein. So sind beispielsweise die Beweis- und Festnahmeeinheiten der Polizei (BFE) mit Videokameras ausgerüstet.
Gefangenensammelstelle soll Maßstäbe setzen
Die für den G20-Gipfel eingerichtete Gefangenensammelstelle in Hamburg-Harburg wird einen Tag vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs offiziell ihre Pforten öffnen. „Wir sind in den letzten Vorbereitungen“, sagte Polizeisprecher Timo Zill am Dienstag bei der Vorstellung des Objektes. Die Gefangenensammelstelle solle bundesweit Maßstäbe setzen. Sowohl die Ausstattung der Einrichtung als auch die örtliche Nähe zum Gericht gewährleisteten einen effektiven Rechtsschutz.
Civil20-Gipfel berät in Hamburg über Forderungen an G20
In der 11.000 Quadratmeter großen Halle sollen bis zu 400 in Gewahrsam oder vorläufig festgenommene Personen nur für einige Stunden – bis zur Entscheidung eines Richters über den weiteren Fortgang – untergebracht werden. 70 Sammel- und 50 Einzelzellen stehen zur Verfügung. Die Kosten für den Umbau waren bei Baubeginn mit drei Millionen Euro beziffert worden. Ob es bei der Summe bleibe, sei noch offen, sagte Zill.
Hamburgs kleinste Großkundgebung im Miniatur-Wunderland
Die Gebrüder Braun sind bekannt dafür, das, was Hamburg im Großen bewegt, auch im Kleinen abzubilden. Im Miniatur-Wunderland spielt entsprechend auch der G20-Gipfel eine Rolle: In einem YouTube-Video rufen Frederik und Gerrit Braun zur kleinsten Großkundgebung der Stadt auf: Im Hamburg-Abschnitt der größten Modelleisenbahn-Anlage der Welt entsteht eine Demo, deren Forderungen sich die beiden nicht selber ausdenken: Alle Interessierten sind aufgerufen, ihre Wünsche für eine bessere Welt direkt vor Ort oder via Online-Formular mitzuteilen. Die beiden garantieren, dass ihre Hamburger Innenstadt nicht von einem möglichen Demoverbot betroffen sein wird.
Nach Brandanschlägen: Polizei überwacht Gleise aus der Luft
Nach den Brandanschlägen auf Gleise in mehreren deutschen Städten hat die Bundespolizei damit begonnen, Bahnanlagen aus der Luft zu kontrollieren. In der Nacht zum Dienstag wurden einige Strecken etwa in Nordrhein-Westfalen und Berlin mit Hubschraubern überwacht. In Berlin entdeckten Beamte zwei Menschen an Gleisanlagen und informierten Einsatzkräfte am Boden. Bis diese eintrafen, waren die Personen jedoch verschwunden, wie ein Sprecher der Bundespolizei mitteilte.
Bei der Deutschen Bahn normalisierte sich der Zugverkehr am Dienstag bis auf kleinere Einschränkungen weitgehend. Bis Mittwochmorgen sollen alle Störungen behoben sein. „Wir rechnen damit, dass spätestens morgen zum Berufsverkehr alles wieder planmäßig läuft“, sagte ein Bahnsprecher in Berlin. Die Strecke Hamburg–Lübeck wurde am späten Dienstagnachmittag wieder freigegeben. Das sagte eine Bahnsprecherin. Unbekannte hatten im Bereich Höltigbaum und auch in Eidelstedt Kabelkanäle an Bahnstrecken angezündet und dabei auch Starkstromkabel neben dem Gleisbett beschädigt.
Konkrete Hinweise auf die Täter gab es zunächst nicht. Es würden derzeit Spuren ausgewertet und Zeugen befragt, sagte die Sprecherin des in Sachsen zuständigen Operativen Abwehrzentrums (OAZ), Kathleen Doetsch. Auch in den anderen betroffenen Regionen hatte die Bundespolizei nach eigenen Angaben noch keine neuen Erkenntnisse.
Kanzlerin Merkel hofft auf Bekenntnis zum Freihandel
Gut zwei Wochen vor dem G20-Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländer in Hamburg hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich für ein Bekenntnis aller Top-Wirtschaftsmächte zu freiem Handel ausgesprochen. „Es kommen plötzlich wieder Denkmuster zum Vorschein, die wir eigentlich für überwunden gehalten hatten“, sagte Merkel am Dienstag auf dem Tag der Deutschen Industrie in Berlin. Für den vermeintlichen eigenen Vorteil werde auf Abgrenzung gesetzt, sagte die Kanzlerin, ohne etwa die USA namentlich zu nennen.
Die Bundesregierung werde alles daran setzen, beim G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs Anfang Juli in Hamburg eine möglichst breite Übereinkunft zu erreichen. „Angesichts der neuen amerikanischen Administration ist das nicht einfach. Und trotzdem müssen wir uns der Mühe unterziehen“, sagte Merkel. Immer wieder müsse erläutert werden, warum offene Märkte Vorteile bringen für Arbeitnehmer, Verbraucher und Unternehmen.
„Es mag vielleicht sein, dass Abschottung und Protektionismus kurzfristig heimischen Unternehmen das Leben ein wenig erleichtert“, sagte die Kanzlerin. Aber mittel- und langfristig würden die Investitions- und damit die Wettbewerbsfähigkeit leiden. In der Debatte über die Globalisierung sei noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
AStA der Uni Hamburg will Gipfel weiter kippen
Einige Tage vor der Sondersitzung des Verfassungsausschusses der Bürgerschaft, in der am Freitag die Petition "G20 stoppen: für Frieden und Gerechtigkeit" behandelt wird, sehen die Mitglieder des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni Hamburg weiterhin eine Chance, dass der G20-Gipfel in letzter Minute abgesagt wird. Artur Brückmann, ein Mitglied des AStA und Vertretungsberechtigter der Petition, die vergangene Woche das benötigte Quorum von 10.000 Unterschriften erreichte, sieht "G20 stoppen" als Interessenvertretung der gesamten Stadt: "Hamburg will den Gipfel nicht. Wir Hamburgerinnen und Hamburger haben uns bereits mehrfach gegen die Politik der G20 ausgesprochen."
Der Verfassungsausschuss erstattet nach seiner Sitzung Bericht an die Bürgerschaft, die in ihrer Sitzung vom 28. Juni erklären wird, wie sich sich gegenüber der Petition verhält.
Neuer Aufruf warnt vor "Polizeistaatstagen"
Ein unter anderem vom Gängeviertel, der GEW, der Interventionistischen Linken und verschiedenen Einzelpersonen unterstützter Aufruf mit dem Titel "Hamburg ist unsere Stadt" prangert die Sicherheitsvorkehrungen während des Gipfels an. So heißt es dort, die Bedrohung durch gewaltbereite Linksextremisten und daraus abgeleitete massive Polizeipräsenz werde genutzt, um "ein Bild der Abschreckung" zu erzeugen. Es werde, so der Tenor des Textes, gezielt ein Klima erzeugt, bei die "Versammlungsfreiheit auf der Strecke" bliebe.
Zu den Initiatoren des Aufrufs gehören unter anderem Christiane Schneider von der Linken und die ehemalige SPD-Politikerin Carola Ensslen, die vor gut drei Jahren im Streit aus der Partei austrat. Unterstützt wird er unter anderem vom "Gipfel für Solidarität" auf Kampnagel. Dieser versteht sich als alternative Veranstaltung zum Treffen der Staatschefs. Vandana Shiva, Trägerin des Alternativen Nobelpreises und Globalisierungskritikerin, wird den Eröffnungsvortrag bei dem von 75 Organisationen veranstalteten Gipfel halten. Die Organisatoren erwarten bis zu 1000 Teilnehmer bei den mehr als 80 Veranstaltungen.
Paketdienst Hermes kündigt Einschränkungen an
Rund um den G20-Gipfel in Hamburg können Online-Bestellungen in der Stadt nicht überall pünktlich ausgeliefert werden. Betroffen seien nicht nur Sendungen nach Hamburg, sondern auch von Online-Shops, die aus der Hansestadt heraus versenden, kündigte der Paketversender Hermes am Dienstag in der Hansestadt an. Fünf Hermes-Paketshops rund um die Messehallen könnten an den beiden Gipfeltagen am 7. und 8. Juli vermutlich nicht öffnen. Aber auch in anderen Stadtteilen könne es schon vorher zu Verspätungen kommen, zum Beispiel wegen Straßensperren, Kontrollen oder Demonstrationen.
„Die persönliche Sicherheit unserer Mitarbeiter steht für uns an erster Stelle“, sagte Hermes-Manager Oliver Kuhn. Die Angestellten der Hermes-Zentrale im Stadtteil Langenhorn sollen zum Gipfel möglichst Überstunden abbauen, Urlaub nehmen oder im Home Office arbeiten.
Polizeigewerkschafter befürchtet "katastrophale Einsatzbedingungen"
Der Hamburger Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hat in einem Gespräch mit der "Heilbronner Stimme" vor möglicherweise "katastrophalen Einsatzbedingungen" während des G20-Gipfels gewarnt. Jan Reinicke nannte die ausstehenden juristischen Entscheidungen über das geplante Protestcamp im Stadtpark und die Großkundgebung auf dem Heiligengeistfeld als Beispiele dafür, wie die "bisherige, gute Einsatzvorbereitung" der Hamburger Polizei "erheblich geschwächt werden könne".
Polizeiübung im Hafen vor dem G20-Gipfel
Zudem fürchtet Reinicke, dass sich die Sicherheitskräfte einzelner Delegationen nicht an Absprachen halten könnten. Er hob die US-Amerikaner hervor, die möglicherweise von den vorgegebenen Protokollstrecken abweichen.
"Soli-Mexikaner gegen Trump" geht um die Welt
Es begann als Schnapsidee im Wortsinn, doch inzwischen gibt es den "Soli-Mexikaner gegen Trump" längst nicht mehr nur auf dem Kiez. In Kneipen in Thailand, Mexiko oder Malta kann der Drink bereits gegen Donald Trump und den G20-Gipfel gekippt werden. Insgesamt sind es mehr als 140 - weit mehr als sich Frank Gerber und sein Kompagnon Nico Berg erhofft hatten. „Das ist der Wahnsinn, dass es so hochknallt. Wir hatten gedacht, es machen zehn Kneipen auf St. Pauli mit, bei denen wir die Inhaber kennen“, sagt Gerber.
Bunte Anti-G20-Demonstration in der Innenstadt
Die Spenden aus dem Verkauf sollen komplett an Anti-G20-Aktionen gehen. Sie hätten eigentlich mit ein paar Hundert Euro gerechnet, berichtetBerg. Jetzt aber hat der Student, der wie Gerber in der Interventionistischen Linken ganz andere Ziele: „Ich glaube, an den Gipfeltagen knacken wir die 10 000-Euro-Marke.“ Einen Wunsch haben die Erfinder des „Soli-Mexikaners gegen Trump“ noch. „Wir wollen damit in die „New York Times" - die liest Trump wenigstens“, sagt Gerber. Also will es der 33-Jährige irgendwie schaffen, dass das Hamburger Kultgetränk, ein scharfer Tomatenschnaps, auch in einer Bar in New York ausgeschenkt wird - rechtzeitig bevor der US-Präsident zum G20-Gipfel am 7. und 8. Juli in die Hansestadt kommt.
Gefälschte Aushänge versprechen "freie Fahrt" im HVV zum G20-Gipfel
Wer sich schon darauf gefreut hat, während des G20-Gipfels kostenlos mit Bus und Bahn durch Hamburg fahren zu können, wird enttäuscht sein. Denn die Aushänge, die genau das versprechen, sehen nur offiziell aus. Sind aber Fälschungen, wie der HVV bestätigt.