Blankenese. Die Gastronomie am Elbufer wartet auf neue Pächter. Die Brüchmanns über goldene Zeiten, Otto Waalkes und Besuche von Star-Köchen.
Jeder, der die gemütliche Gaststube nur voll besetzt kennt, muss den Anblick als deprimierend empfinden: Im Eingangsbereich stapeln sich Kisten und Kartons, die Schiffsmodelle fehlen, die ungewohnte Ruhe und die kühle Atmosphäre irritieren. Kehraus beim „Zum Bäcker“. Wie berichtet, hat das Haus, in dem es seit 285 Jahren Gastronomiebetriebe gibt, seine Türen geschlossen, das Kultrestaurant wartet auf neue Pächter.
Manne und Birgit Brüchmann unterbrechen ihre Packarbeiten, setzen sich an einen Tisch mit Elbblick. Hunderte Mails haben sie bekommen, in den sozialen Medien geht es drunter und drüber. „Manche wollen uns überreden, weiterzumachen“, berichtet Manne, den hier nie jemand Manfred nannte, „doch die meisten verstehen unseren Entschluss.“ Der war lange geplant und gut vorbereitet. Seit einer schweren Herzoperation vor einigen Jahren war für die Brüchmanns klar, dass sie dem stressigen Tresen-Leben irgendwann den Rücken kehren würden.
Das Haus am Strandweg 65, in dem er aufgewachsen ist, hat Manne verkauft – sicherlich zu einem guten Preis. Macht ihn der Abschied wehmütig? Die Antwort kommt ohne zu zögern: „keine Spur.“
Nicht einmal um eine Wohnung im selben Gebäude oder der unmittelbaren Nachbarschaft haben sich die beiden bemüht. „Wir wollten immer den klaren Schnitt“, sagt Birgit Brüchmann, „man muss loslassen können.“ Und als wollten sie den räumlichen Abstand unterstreichen, haben die beiden jetzt erst mal eine 60-tägige Asienreise gebucht.
Er war über 60 und löste seine Lebensversicherung auf
Die Brüchmanns und das „Zum Bäcker“ – das ist eine fast unglaubliche Geschichte. Denn Manne wuchs zwar am Strandweg 65 auf und sein Vater war vom Fach, aber er selbst wollte „niemals“ Gastronom werden. Über Jahrzehnte war das Haus an wechselnde Betreiber vermietet, was mal gut, mal weniger gut lief. Vor acht Jahren, der „Bäcker“ war mittlerweile ziemlich heruntergewirtschaftet, entschloss sich Manne, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Das hatte viel mit Neugier zu tun, aber auch mit Ehre und den motivierenden „Anschubsern“ aus dem großen Freundeskreis.
Manne, damals schon über 60, löste seine Lebensversicherung auf und spuckte in die Hände. Immer mit dabei: Birgit, Tochter Maria und Christine Uppenkamp, die gute Seele im Büro und schon Brüchmann-Trauzeugin vor 36 Jahren.
"Das ist eine Macke von mir"
Der Spätberufene ging dann mit einem Perfektionismus ans Werk, wie ihn vermutlich selbst viele alt gediente Wirte nicht immer aufbringen. Ein Beispiel: Weil sie mit der neuen Spülmaschine nicht zufrieden waren, schafften die Brüchmanns für 9000 Euro eine noch neuere an. „Gläser müssen immer Picobello sein, das ist eine Macke von mir“, bekennt Manne.
Brüchmann ist ein eher zierlicher Typ, der aber Humor, Energie und Selbstvertrauen hat und ein Gefühl von Sicherheit vermitteln kann. Lästern und Meckern liegen ihm nicht, stattdessen baut er Sorgengeplagte mit klugen Döntjes und amüsanten Schnacks wieder auf. Ergebnis: Der Laden lief bald wie geschmiert – wegen der guten Küche und der sympathischen Betreiber. Besonders im Sommer standen die Leute vor der Tür Schlange, an manchen Tagen kamen mehr als 100 Spontan-Anfragen.
Weil bei schönem Wetter alle immer draußen auf der Elbblick-Terrasse sitzen wollten, hakte Manne kurzfristig die vorderen Fenster der Gaststube aus – und das war dann so gut wie Draußensitzen. Die Kehrseite der Medaille: Stress. Nach manchen 15-Stunden-Tagen war Manne so geschafft, dass er fast „aus den Puschen kippte“. Seine Therapie: Er düste mit seinem Motorboot über die Elbe, um den Kopf frei zu bekommen.
Von den Elb-Aalen bekam auch Otto Waalkes was ab
Manchmal ging es spontan bis nach Helgoland, danach waren Stress und Ärger buchstäblich weggeblasen. „Dann hab ich immer mal irgendwo geankert, Jimi Hendrix und die Stones gehört, und ein paar Gläser Rosé getrunken – dann ging es wieder.“
Viele Anekdoten hat das Paar auf Lager. Wenn Manne Elb-Aale aus seinen Reusen geholt hatte, bekam Nachbar Otto Waalkes immer etwas davon ab. „Otto liebte auch Fisch- und Krabbensuppe – und für ihn gab’s immer einen Löffel Krabben extra“, berichtet Birgit. Einmal kam ein Gast zu Besuch, den Manne wegen etlicher Reservierungen nur an einem mittelprächtigen Tisch platzieren konnte. Dass es sich um seinen „Kollegen“ Steffen Henssler handelte erfuhr er erst von einem Kellner. Manne vergnügt: „Ich kannte den erst gar nicht. Mensch, ich hab doch keine Zeit zum Fernsehen.“ Später habe er ihn dann doch persönlich begrüßt, sauer sei Henssler jedenfalls nicht gewesen.
Streitereien mit Gästen gab es im Laufe der Jahre immer mal, aber fast alles konnten die Brüchmanns mit Diplomatie und Humor aus der Welt räumen. Nur dreimal hatte es Manne wirklich gelangt. „Dann bin ich jedes Mal an den Tisch gegangen und habe zu denjenigen gesagt: ,Sie sind eingeladen, aber ich möchte Sie hier nie wiedersehen.‘“
"Mein Mann kocht göttlich"
Mit Hochachtung sprechen beide von Rüdiger Kowalke. „Niemand in Hamburg hat so hart gearbeitet und so viel für die Gastronomie getan wie er“, sagt Birgit. Und Manne ergänzt: „Er hat mir viele Tipps gegeben, die ich immer beherzigt habe.“
Manne und Birgit Brüchmann wohnen inzwischen beim Mühlenberger Hafen – das eigene Boot immer im Blick. Werden sie künftig gemütlich Spitzenrestaurants abklappern und sich verwöhnen lassen? Birgit Brüchmann ist erstaunt: „Wieso das denn? Wir essen fast immer zu Hause. Mein Mann kocht einfach göttlich.“