Hamburg. Neue Untersuchungen beweisen, dass das wertvolle Baudenkmal mehr als 100 Jahre älter ist als bisher angenommen.
Seit Monaten laufen die Vorbereitungen für die Renovierung des Blankeneser Fischerhauses auf Hochtouren. Jetzt machten Experten vor Ort eine sensationelle Entdeckung. Das Haus, dessen Alter lange auf rund 330 Jahre geschätzt wurde, ist deutlich älter. Wie Untersuchungen zeigen, stammt es bereits aus dem Jahr 1570 und ist damit das älteste Wohnhaus Altonas und eines der ältesten in ganz Hamburg.
Das Haus ist ein bauhistorischer Stilmix
Dass so lange ein falsches Baudatum galt, hat einen einfachen Grund: Das Fischerhaus wurde in den vergangenen Jahrhunderten laufend durch Anbauten erweitert. Im Laufe der Zeit mussten ganze Hausteile immer wieder ausgebessert werden, zum Teil trug man sie auch ganz ab und errichtete neue. Ergebnis war ein in mehreren Jahrhunderten entstandener Stilmix, der dem alten Reetdachhaus von außen allerdings kaum anzusehen ist. Alles wirkt einigermaßen harmonisch und „alt“.
Aber: Während der ganzen Zeit blieb das ursprüngliche Haus erhalten, es wurde lediglich durch Putz, Tapeten, Paneele uns sonstige Verkleidungen und Verzierungen buchstäblich zugedeckt. Erst nachdem im Zuge der angelaufenen Umgestaltung immer mehr von der Originalsubstanz freigelegt worden war, konnten die Experten vor Ort die ursprüngliche Struktur erkennen. Demnach handelt es sich um ein sogenanntes Zweiständerhaus, bei dem die Hauptbalken auf zwei Ständerreihen liegen, die der Länge nach im Haus angeordnet sind und auch die Diele bilden.
Holzprobe wurde analysiert
Die Altersbestimmung, die bei einem derartigen Renovierungsprojekt obligatorisch ist, konnte in diesem Sommer erfolgen, als die Balken endlich frei lagen. Ein Experte entnahm im Auftrag des zuständigen Architekten Alk Arwed Friedrichsen mit einem Bohrer eine Holzprobe, die dann im Archäologischen Institut in Berlin analysiert wurde. Bei einer solchen, sogenannten dendrochronologischen Untersuchung werden kleine Proben von Holzbauteilen „gezogen“. Anhand der Jahrringe kann das Fälldatum und damit auch das Baujahr bestimmt werden. Als Ergebnis muss das Alter des Hauses jetzt eindeutig revidiert werden.
Bei einem Treffen vor Ort am vergangenen Freitag herrschten bei allen Beteiligten Spannung und Aufbruchsstimmung – so ähnlich muss es Archäologen gehen, die eine Grabkammer öffnen. Denkmalpfleger sind erschienen, ein Mitarbeiter des zuständigen Bezirksamts Hamburg Altona und auch Vertreter der Sprinkenhof GmbH, die das Baumanagement innehat.
„Das ist schon sensationell“
In den Räumen hat sich in den vergangenen Monaten wenig verändert. Nach wie vor sind Fußböden aufgerissen, Holzteile und Steine liegen herum. Überall sind die Verkleidungen von Außen- und Innenwänden herausgerissen, um den Experten freie Sicht auf die jeweilige Substanz zu verschaffen. Klar ist: Das Fischerhaus ist als ältestes Gebäude im Blankeneser Treppenviertel schon seit vielen Jahren ein wertvolles Denkmal, nun rückt es noch stärker in den Fokus als vorher.
Architekt Friedrichsen klopft energisch, aber auch etwas ehrfürchtig gegen einen freigelegten Balken. „Das alles ist schon sensationell“, sagt er. Im Auftrag von Friedrichsen waren im Frühjahr 20 Proben im westlichen Teil des Hauses entnommen worden, nun ist die Ostseite dran. Eine zeitgleiche Untersuchung war nicht möglich, weil ein Teil des Fischerhauses noch bis vor Kurzem von Mietern bewohnt war.
Die letzten Mieter zogen im Frühjahr 2017 aus
Alexander Krauß im Denkmalamt zuständig für Altona, schwingt sich energisch auf eine Leiter und beginnt damit, Proben für die Datierung des östlichen Gebäudeteils zu ziehen. Dass der Denkmalpfleger selbst diese Proben entnimmt, ist ungewöhnlich, aber Krauß hat sich erst kürzlich noch zusätzlich zum Holzsachverständigen weiterqualifiziert. Geduldig erläutert er den Beteiligten das Verfahren, fertigt sogar schnell eine Zeichnung für alle.
Wer jetzt mutmaßt, dass das Haus ja nur noch in Einzelteilen erhalten sei, irrt sich. Wie Alk Friedrichsen erläutert, ist es im Grunde genau umgekehrt: Das Haus ist da, Einzelteile sind eher das, was drum herum gebaut wurde.
Im Frühjahr 2017 war es geräumt worden. Alle musealen Gegenstände wurden eingelagert, die vor Ort regelmäßig tagenden Begegnungstreffen werden seitdem im Gemeindehaus der Blankeneser Kirche abgehalten. Doch die letzten Mieter im Haus zogen erst in diesem Frühjahr aus, und nach wie vor laufen die „vorbereitenden“ Maßnahmen. Ob der 2017 anvisierte Zeitplan – die Rede war damals von zwei Jahren – eingehalten werden kann, erscheint fraglich. zumal die jüngste Entdeckung noch weitere Fragen aufwirft:
Wie kann man das Haus angemessen präsentieren?
Darüber, dass das kostbare, unerwartet alte Haus angemessen und als solches präsentiert werden sollte, sind sich hier alle einig. Dazu gehört, dass die wertvolle Substanz so gezeigt wird, dass sie auch für alle Interessierten erkennbar ist. Unklar ist allerdings noch, wie das bewerkstelligt werden könnte. Auch nach Abschluss der Umgestaltung soll die Kombination aus Museumsbereich und Begegnungsstätte erhalten bleiben, auch die Mieter sollen hier wieder einziehen können. Es sei noch zu früh, diese Fragen zu beantworten, sagt Alk Friedrichsen. Sein Credo, zu dem alle zustimmend nicken: „Das Haus hat Potenzial. Wir wollen es nicht umkrempeln, wir wollen es aufpolieren.“ Klingt nach einem guten Plan.
Das Denkmal Fischerhaus und der lange Weg zum Museum Im Jahr 1927 hatte der Magistrat der Stadt Altona das Haus Elbterrasse 6 erworben, um dort ein Blankeneser Heimatmuseum einzurichten. Es wurde im Jahr 1709 erstmals urkundlich erwähnt und gilt als das älteste Haus im Treppenviertel. Den Grundstock sollte, so die Planung, vor allem die Sammlung des Blankenesers Gustav Kirsten (1846 bis 1933) bilden, die aus mehr als 1000 Exponaten bestand und nach der Umgestaltung im Fischerhaus untergebracht werden sollte. Doch rund 40 Jahre lang tat sich fast nichts. Das Fischerhaus war vermietet, die Sammlung lag im Altonaer Museum. Erst 1967 kamen städtische Stellen auf die Idee, aus Kostengründen in dem Haus eine Altentagesstätte und ein Museumszimmer einzurichten. Eine Museumsaußenstelle, wie ursprünglich geplant, wäre zu aufwendig geworden. Die Realisierung wurde vor allem von privaten Spendern bezahlt. Altbürgermeister Max Brauer eröffnete die Einrichtung im Juni 1967. Im Laufe der Zeit wurde aus der Altentagesstätte der Treffpunkt Fischerhaus, der unter anderem Computer-, Literatur- und Sprachkurse anbietet. Das Museumszimmer wurde seit 1967 immer wieder durch private Spenden ergänzt. Seit 2003 hat sich der Förderkreis „700 Jahre Blankenese“ des Zimmers und seiner Schätze angenommen. Alle Stücke wurden von ihm auf einer Datenbank archiviert, einiges restauriert, die Sammlung ausgebaut . Der Förderkreis änderte für das Museum seine Satzung, machte den Blankeneser Bürgerverein (BBV) zum Begünstigten für den Fall, dass er selbst irgendwann aufhören sollte zu existieren. |