Hamburg. In Blankenese wird ein ehemaliges Häuschen der Bahn als „Villa“ angepriesen. Preis und Lage an den Gleisen schrecken nicht ab.
„Das dauert jetzt neun Sekunden“, sagt Andreas Wiessner. Der Immobilien-Profi behält recht. Es sind genau neun Sekunden, während deren die S-Bahn direkt am Haus vorbeischrammt. Neun Sekunden erzwungene Gesprächspause. Doch so laut, wie die Fahrt am Haus vorbei war, so ruhig und idyllisch ist es anschließend schon wieder. Nach einer aufwendigen Komplettsanierung wartet das unter Denkmalschutz stehende Haus in Blankenese auf einen neuen Besitzer.
Es ist eine besondere Immobilie, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Hier wurden jahrzehntelang die Weichen gestellt. Denn bei dem Gebäude aus dem Jahr 1936 handelt es sich um das ehemalige Bahnwärterhäuschen. Im Haupthaus wohnte der zuständige Bahnwärter. Im kleineren, vorgelagerten Stellwerkhaus musste er dafür Sorge tragen, dass die S-Bahn das richtige Gleis nimmt. Heute geht das alles vollautomatisch.
Selbst für Blankeneser Verhältnisse teuer
Der Bahnwärter hat lange ausgedient, sein Wohnhaus auch. Jahrelang stand die Immobilie deshalb leer, bis die Deutsche Bahn das Objekt verkaufte. Ein Investor und derzeitiger Eigentümer erstand Haus und Grundstück bei einer Versteigerung. Die Fläche wurde geteilt. Auf der einen Hälfte entsteht derzeit ein neues Doppelhaus, auf der anderen Grundstücksseite wurde das alte Gebäude aufwendig saniert. Nun steht es zum Verkauf – was zur nächsten Besonderheit führt.
Denn aus dem Bahnwärterhäuschen ist nach der Sanierung gleich eine „bezaubernde Villa“ geworden, zumindest wird das Haus so angepriesen. Mit den aufgerufenen 749.000 Euro für 120 Quadratmeter Wohnfläche auf 307 Quadratmetern Grundstücksfläche – man bedenke die direkte Bahnlage – ist die Immobilie sogar für Blankeneser Verhältnisse ein teures Vergnügen. Allein der Preis pro Quadratmeter läge mit 2439 Euro weit über dem durchschnittlichen Grundstückspreis in Blankenese von 1431 Euro pro Quadratmeter. Nähme man nur die Wohnfläche, wären das mehr als 6000 Euro pro Quadratmeter.
Bereits zwei ernsthafte Interessenten
„Der Kauf eines Hauses hat immer auch ein ideellen Wert“, sagt Wiessner. Der Makler gibt zu bedenken, dass 749.000 Euro für eine Villa in Blankenese auf dem Papier sogar günstig aussehen. Tatsächlich werden derzeit Einfamilienhäuser in dem beliebten Elbvorort fast nicht unter einer Million Euro angeboten. Die Angebote bewegen sich zwischen 1,2 Millionen und 6,9 Millionen Euro. Bei dem Objekt für 1,2 Millionen Euro ist das Grundstück sogar noch kleiner als im Fall des Bahnwärterhäuschens. Allerdings liegt keines der Häuser so nah an den Bahngleisen.
Wiessner, der seit 30 Jahren Immobilien an den Mann oder die Frau bringt, ist sich trotzdem sicher, dass sich ein Käufer finden wird. Zwei ernsthafte Interessenten habe es bereits gegeben.