Hamburg. Teutonia 05 darf seinen Platz kaum nutzen – wegen eines Lärmgutachtens ohne Messungen. Heute Demonstration.
Der Streit um die Nutzungseinschränkungen für den Altonaer Fußballverein FC Teutonia 05 entwickelt sich immer mehr zur Behördenposse. Unterschiedliche Einschätzungen der Gesetzeslage, mehrere beteiligte Behörden, ein ohne Messungen erstelltes Lärmgutachten und ein seltsam willfähriges Eingehen auf die Wünsche einer Anwohnerin haben am Ende dazu geführt, dass der FC Teutonia den Spielbetrieb auf seinem nagelneuen Kunstrasenplatz am Hohenzollernring nur noch rudimentär aufrechterhalten kann. Heute wollen die Vereinsmitglieder für ihr Recht auf Sport demonstrieren – indem sie von 17 Uhr an auf Ottensens Straßen Fußball spielen. Die Teutonia-Kicker werden zu Straßenfußballern: Dies ist die schöne Pointe einer ansonsten recht unschönen Geschichte.
Sie beginnt 2015. Der Beirat Bezirklicher Sportstättenbau beim Bezirksamt Hamburg-Mitte beschließt, aus dem Grandplatz am Hohenzollernring einen Kunstrasenplatz zu machen. Der Verein ist glücklich. Rechtliche Bedenken gibt es nicht. Schließlich gibt es seit August 2014 ein „Merkblatt Altanlagenbonus bei Sportanlagen“ der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Dort ist nachzulesen, der Umwandlung von Grand zu Kunstrasen nicht dazu führt, dass der Altanlagenbonus für bereits bestehende Sportplätze verloren geht. Mit anderen Worten: Der Sportbetrieb kann unverändert weitergehen.
Das Sportdezernat des Bezirksamts Altona stellt daraufhin einen Bauantrag. Der wird am 25. August 2015 vom Bauamt Altona genehmigt. Zuvor gibt man allerdings ein Lärmgutachten in Auftrag. Der Gutachter arbeitet dabei mit Annahmen. Es wurden „keine Messungen durchgeführt“, bestätigt Martin Roehl, Sprecher des Bezirksamts Altona. Die Ergebnisse sind für den Verein weniger erfreulich. Der Gutachter nimmt an, dass beim Spielen Lärmgrenzwerte überschritten würden. Das Bezirksamt versieht daraufhin die Baugenehmigung mit zeitlichen Beschränkungen für den Spielbetrieb.
Teutonia erfährt von alldem nichts. Im Januar ist der Kunstrasenplatz fertig, ganz Ottensen freut sich. Nein, nicht ganz Ottensen. Im August besucht eine Frau, eine Anwohnerin, das Ordnungsamt des Bezirks Altona. Die Fußballer seien zu laut, sagt sie, dagegen müsse man etwas tun, sagt sie. Der Behördenmitarbeiter hakt im Amt nach und erfährt, dass es Spielbetriebsbeschränkungen gibt, an die sich der Verein nicht hält. Er weist das Sportdezernat des Bezirksamts an, den Verein anzuweisen, unverzüglich die Betriebszeiten einzuhalten.
Die Frage, ob die Frau sich zu Recht beschwert, spielte dabei offenbar keine Rolle. Nach Informationen des Abendblatts wohnt sie weder in der Holstentwiete noch in der Tönsfeldtstraße, also nicht in den beiden ruhigen Seitenstraßen, die den Sportplatz begrenzen. Sollte sie auf der anderen Seite des Hohenzollernrings wohnen, würde sie eine vierspurige, viel befahrene Straße vom Platz trennen. Ob dort Fußballgeräusche überhaupt wahrnehmbar sind, ist unklar.
Beschwerden sind eher die Ausnahme
600 Teutonia-Mitglieder, 450 Kinder und 150 Erwachsene, sind von den Beschränkungen betroffen. Am Sonntag, dem wichtigsten Tag für die Ligen, können dort nur noch zwei Spiele stattfinden, zuvor waren es fünf. Teutonia-Spieler sind nun wieder auf dem Grandplatz an der Memellandallee anzutreffen. Auch dort gibt es Anwohner. Noch hat sich keiner beschwert.
Beschwerden sind auch nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme. Teutonia-Präsident Diddo Ramm erzählt gern von den Leuten, die in der Holstentwiete wohnen. Es sind Eigentumswohnungen, die Eigentümerversammlung findet im Clubheim des Fußballvereins statt. „Die sind toll“, sagt Ramm. „Nachbarn eben.“
Hoffnung gibt es dennoch. Erstens ist über die Beschwerde der Anwohnerin noch nicht abschließend entschieden worden. Zweitens wird nun doch noch ein „echtes“ Lärmgutachten erstellt. Vergangene Woche ist auf dem Platz und wohl auch bei der Anwohnerin gemessen worden. Drittens soll die Bundesimmissionsschutzverordnung, die die Lärmgrenzwerte für Sportstätten festschreibt, geändert werden. Eine Änderung würde wohl den Teutonia-Fußballern wieder mehr Luft verschaffen.
Wann zu erfahren ist, ob die 600 Fußballer tatsächlich zu laut oder vielleicht doch nicht zu laut sind, konnte Bezirksamtssprecher Martin Roeh am gestrigen Donnerstag nicht sagen. „Aufgrund der Komplexität der zu berücksichtigenden Faktoren und der vorzunehmenden Berechnungen ist zurzeit nicht absehbar, wann das Ergebnis der Lärmmessungen vorliegen wird“, sagte er.