Blankenese . In Blankenese pflegen einige Familien seit Generationen den beliebten Brauch am Strand – trotz strengerer Auflagen.
Sein Opa, seine Eltern, sein Onkel und sein älterer Bruder: Sie alle haben in den vergangenen Jahrzehnten dabei geholfen, dass am Elbstrand zu Ostern die Feuer brennen. In Blankenese ist das eine lang gehegte Tradition, die von Generation zu Generation weitervererbt wird. So ist es auch bei Leo Nietz. Der 25-Jährige half schon als Kind beim Strandspektakel mit. Für den angehenden Juristen aus Blankenese ist es daher eine Selbstverständlichkeit, an diesem Wochenende wieder anzupacken.
Schon Tage vor dem Großereignis waren die Helfer im Einsatz – jeder in seinem Gebiet, denn es herrscht ein kleiner Wettbewerb unter den Einheizern aus Blankenese. Wer hat das schönste Osterfeuer? Welches brennt am höchsten und längsten? Insgesamt gibt es auf dem Strandabschnitt in Blankenese vier große und von den Behörden geduldete Scheiterhaufen, die im Volksmund Mühlenberg, Osten, Knüll und Viereck heißen.
„Früher war der Wettbewerb deutlich größer“, erinnert sich Nietz. Noch Tage nach dem feurigen Abend sei es das Thema in der Schule gewesen. Doch mit den zunehmenden Auflagen durch die Behörden seien dem Wettbewerb in jeder Form Grenzen gesetzt worden. Ohnehin sind die Osterfeuer für Hamburger Verhältnisse in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit: Denn es gibt keinen Veranstalter und damit keinen Verantwortlichen für eine Großveranstaltung, die bei gutem Wetter schon einmal bis zu 20.000 Besucher an den Blankeneser Elbstrand lockt.
Das Bezirksamt Altona sorgt für Ordnung. Die Hamburg Port Authority (HPA) als Eigentümer des Strands steht notfalls parat, um mit einem Bagger Scheiterhaufen, die außer Kontrolle geraten oder den vorgeschriebenen Auflagen nicht entsprechen, abzuräumen. Doch verantwortlich für das große Ganze ist man eben nicht. Das wird bei jeder Gelegenheit betont.
„Die Hamburger Feuerwehr ist nur unterstützend vor Ort. Nur wenn Gefahr für die Bevölkerung besteht, greifen wir ein. Unsere Aufgabe ist es aber vor allem, die Reetdachhäuser am Elbhang vor den Funken zu schützen“, sagt Sprecher Werner Nölken. „Niemand ist Veranstalter. Die Osterfeuer finden nicht statt, da brennen Feuer am Strand“, bringt es Nölken auf den Punkt, und er kennt sich aus.
Bevor er in die Pressestelle der Feuerwehr wechselte, war er Leiter der Osdorfer Feuerwache und somit zuständig für den Bereich Elbvororte. In dieser Funktion erhielt er vor knapp zwei Jahren Post von einem Rechtsanwalt. Nölken sollte sich für einen Vorfall an einem der Osterfeuer vor Gericht verantworten, wegen schwerer Körperverletzung. Eine Frau aus Leipzig war durch den umkippenden Baum aus der Mitte eines Scheiterhaufens verletzt worden. Sie verklagte auf der Suche nach Verantwortlichen die Stadt, die Feuerwehr. Auch Helfer wurden in den Fall verwickelt, der inzwischen wieder vom Tisch ist. Die Konsequenz aus dem Fall: Der Mittelbaum wird seit diesem Jahr angesägt. Die Sollbruchstelle soll helfen, dass der Mast vorher abknickt. Zudem haben die Helfer Absperrbänder, mit denen sie versuchen, die Zuschauer aus der Gefahrenzone zu lenken. Der Schreck sitzt bei vielen tief. Nietz ist einer der wenigen, die bereit sind, sich mit Namen und Foto über den Osterbrauch seiner Familie zu äußern. Diese hilft wie rund 25 weitere Freiwillige – darunter auch Notare, Anwälte und Unternehmer – sowie etwa 50 Kinder traditionell beim Aufbau und Entfachen des Osterfeuers „Osten“ mit. Es liegt von der Strandtreppe aus kommend kurz vor dem Hafen des Blankeneser Segel-Clubs und vor allem in Sichtweite von Nietz’ Elternhaus am Strandweg. Deshalb hat er es nicht weit zu seinem Arbeitseinsatz.
Zu tun gibt es viel. Es gilt, die bereits in einem Garten gesammelten Weihnachtstannen an den Strand zu bringen. Mit einem gemieteten Lkw wird zudem Holz, das die Organisatoren von Unternehmen aus dem Hafen bekommen, herangefahren. Das wird zur Stabilisation dringend benötigt, weiß Nietz.
Jedes der großen Osterfeuer am Blankeneser Strand hat laut Nietz eine andere Stapeltechnik, auf die die Helfer bauen. Im Osten setzen die Osterfeuermacher auf eine Zylinderform. Dafür werden sieben Bäume benötigt, die in Löcher gestellt werden. Der größte kommt in die Mitte, dann wird der Zylinder mit Holzbalken stabilisiert und mit Tannenbäumen und Gehölz ausgekleidet. Unter den Helfern findet sich auch ein ausgebildeter Statiker. Am Sonnabendvormittag treffen sich dann Vertreter von Feuerwehr, Polizei, Bezirksamt und HPA am Strand, begutachten die Haufen und verlangen notfalls Nachbesserungen.
Der Lohn für all die Mühe ist dann der Abend: Bei einbrechender Dunkelheit, voraussichtlich gegen 19 Uhr, treffen sich alle Helfer vom Osterfeuer „Osten“ in einem Garten am Strandweg. Dort bekommt jeder eine brennende Fackel. Zusammen umkreisen sie den Haufen, entfachen ihn gemeinsam auf ein Signal hin und entzünden so eines der beliebtesten Osterfeuer Hamburgs.