Hamburg. Lässt sich die Elbphilharmonie am Sonnabend auch ohne den Superstar füllen, der sein Konzert wegen Grippe abgesagt hat?

Kein anderes Elbphilharmonie-Konzert der letzten Monate wurde jenseits der offiziellen Kartenverkaufsstellen so hochpreisig gehandelt, vierstellige Fantasiepreise für einzelne Tickets waren keine Seltenheit. Doch die Fans von Lang Lang müssen sich noch auf unabsehbare Zeit gedulden: Wegen einer schweren Grippe hat der Starpianist, der in der Laeiszhalle seit Jahren Stammgast ist, am Mittwoch sein erstes Konzert im Großen Saal ­abgesagt. Ersatzlos und offenbar mit großem Bedauern, denn gerade diese Prestige-Adresse hätte sich selbst in seinem schon prall gefüllten Lebenslauf als Trophäe gut gemacht.

In den vergangenen Tagen waren bereits Konzerte in London, Hannover, Freiburg und Leipzig sowie ein Auftritt bei der Leipziger Buchmesse gestrichen worden. Ebenfalls ersatzlos. Ob und wann es eine zweite Chance für einen ersten Eindruck von Lang Langs Fingerfertigkeiten im Großen Saal der Elbphilharmonie geben wird, steht derzeit noch nicht fest. Doch es könnte dauern.

Unschöne Lektion

Fest steht allerdings, dass diese ­Absage nicht nur die Veranstalter ­betrübt, sondern auch eine letztlich sehr unschöne Lektion für jene Kartenkäufer ist, die ihr Ticket in Kartenbörsen oder bei Online-Portalen wie Via­gogo und Ebay erstanden haben. Denn vom Konzertveranstalter erstattet wird einzig und allein der reguläre Verkaufspreis, und auch nur bei der Vorverkaufsstelle, bei der diese Tickets gekauft wurden. Für die Rückgabe von ­online gekauften Karten solle man sich an den Betreiber der jeweiligen Homepage wenden. ­Anders formuliert: Über den regulären Preis hinaus gezahlte ­Zuschläge müssen als eine Mischung aus Schmerzens- und Lehrgeld verbucht und abgeschrieben werden.

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Lang Langs Absage ist eine Chance für Elbphilharmonie-Fans

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    Burkhard Glashoff, Geschäftsführer bei der Konzertdirektion Dr. Goette, schätzt, dass es sich um ein Kartenkontingent in dreistelliger Höhe handelt. Deutlicher als mit dieser Absage hätte man dubiosen Weiterverkäufern und ihren Kunden, die nicht selten besonders leidenschaftliche Fans sind, nicht signalisieren können, dass zwar viele Wege nach Rom, aber nicht alle völlig problemlos zu einem Konzert in die Elbphilharmonie führen.

    Konzert als Lackmustest

    Einen direkten Ersatz für Lang Lang können die kooperierenden Hamburger Veranstalter Pro Arte und Elbphilharmonie weder organisieren noch anbieten. Denn der Vertrag mit ihm verbietet ein derartiges Last-Minute-Ausweichmanöver. Deswegen die erstatzlose Streichung, das Konzert muss komplett als Ausfall abgewickelt werden.

    Und dennoch soll ein Sonnabend mitten in der Saison den ansonsten restlos ausverkauften Spielplan-Terminkalender nicht als Primetime-Leerstand verunzieren. Als Lackmustest, ob und wie schnell man einen solchen Abend verkaufen oder ausverkaufen kann, findet nun also am 25. März kein „Ersatz-“, sondern ein „Alternativkonzert“ statt. Auf der Bühne des Großen Saals wird ein anderer, fünf Jahre jüngerer Pianist zu erleben sein: Igor Levit.

    Ausdrucksstarker Virtuose

    Levit ist ein ebenso smarter wie ausdrucksstarker Virtuose, der unter anderem mit spektakulären Beethoven- und Bach-Einspielungen auf sich aufmerksam gemacht hat. Obwohl Levit im Oktober in der Elbphilharmonie mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester für ein Laeisz­hallen-Konzert geprobt hatte, ist dieser Solo-Abend für ihn sein Debüt vor Publikum an dieser Adresse.

    Auf dem Programm: die Beethoven-Sonaten Nr. 27 und 28, Schuberts ­„Moments musicaux“ und Prokofjews 7. Sonate, pianistisch eine überaus herausfordernde Mischung. Als Levit vor einigen Tagen der Notruf aus Hamburg ­ereilte, war er gerade in Wien. Heute und morgen spielt er dort im Konzerthaus, der früheren Wirkungsstätte von Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter, gemeinsam mit dem Irish Chamber Orchestra Werke von Mozart und Mendelssohn, dirigiert von Jörg Widmann.

    Kein trainiertes Tournee-Programm

    Das Programm für Hamburg ist kein aktuell trainiertes Tournee-Programm von Levit, sondern eine spontan von ihm zusammenstellte Kombination. Wenn schon, denn schon also. Am heutigen Donnerstag können alle Pro-Arte- und Elbphilharmonie-Kunden mit einer Karte für Lang Lang ein Vorkaufsrecht für Levit-Karten nutzen, sie können ausschließlich persönlich im Classic Center im Alsterhaus sowie in allen Abendblatt-Ticketshops erworben werden.

    Karten für dieses Konzert kosten von 20 bis 65 Euro, das Limit soll bei vier Karten pro Person liegen. Die teuersten Lang-Lang-Tickets waren für 135 Euro erhältlich gewesen. Morgen um 10 Uhr startet dann der Verkauf online, telefonisch und bei allen anderen Vorverkaufsstellen sowie der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32).

    Glashoff ist zuversichtlich

    Glashoff ist zuversichtlich, am Sonnabend in einen ausverkauften Großen Saal zu blicken. Angesichts des enormen Nachfragedrucks für Elbphilharmonie-Karten meint er: „Ich habe ein gutes Gefühl.“ In den nächsten ­Tagen wird sich also zeigen, ob die Anziehungskraft der Elbphilharmonie groß genug ist, um in nur zwei Tagen einen 2100-Besucher-Saal von jetzt auf gleich auszuverkaufen. Oder ob Lieben-Seutters Prognose hinfällig ist, das erste nicht ausverkaufte Konzert in der Herzkammer seines Konzerthauses werde man erst im Frühjahr 2019 erleben.